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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19.06.2012
- 2 BvR 1397/09 -
Ungleichbehandlung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe beim beamtenrechtlichen Familienzuschlag verfassungswidrig
Bundesverfassungsgericht rügt Verstoß gegen allgemeinen Gleichheitssatz
Die Ungleichbehandlung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe beim beamtenrechtlichen Familienzuschlag (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 Bundesbesoldungsgesetz - BBesG) ist seit dem 1. August 2001 unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
Dem Verfahren liegt die Verfassungsbeschwerde eines seit 2002 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Bundesbeamten zugrunde, dessen Antrag auf Zahlung des Familienzuschlages im Jahr 2003 abgelehnt wurde. Seine hiergegen gerichtete Klage blieb vor den Verwaltungsgerichten ohne Erfolg.
Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG
Da während des anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahrens die
Gleiches ist gleich, Ungleiches ungleich zu behandeln
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird.
Im Fall der Ungleichbehandlung Grundsatz der Verhältnismäßigkeit streng zu beachten
Im Fall der
Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau hat eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz
Das Grundgesetz stellt in Art. 6 Abs. 1 Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Damit garantiert die Verfassung nicht nur das Institut der Ehe, sondern gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung. Die Ehe als allein der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut erfährt durch Art. 6 Abs. 1 GG einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz. Um diesem Schutzauftrag Genüge zu tun, ist es insbesondere Aufgabe des Staates, alles zu unterlassen, was die Ehe beschädigt oder sonst beeinträchtigt, und sie durch geeignete Maßnahmen zu fördern.
Ehe darf als dauerhafte Paarbeziehung gegenüber anderen Lebensformen begünstigt werden
Wegen des verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrages ist der Gesetzgeber grundsätzlich berechtigt, die Ehe als rechtlich verbindliche und in besonderer Weise mit gegenseitigen Einstandspflichten (etwa bei Krankheit oder Mittellosigkeit) ausgestattete dauerhafte Paarbeziehung gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Die Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG bildet einen sachlichen Differenzierungsgrund, der in erster Linie zur Rechtfertigung einer Besserstellung der Ehe gegenüber anderen, durch ein geringeres Maß an wechselseitiger Pflichtbindung geprägten Lebensgemeinschaften geeignet ist.
Privilegierung der Ehe bei gleichzeitiger Benachteiligung vergleichbarer Lebensformen nicht gerechtfertigt
Geht die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer, in vergleichbarer Weise rechtlich verbindlich verfasster Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zwecken vergleichbar sind, rechtfertigt der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung indes nicht. In solchen Fällen bedarf es jenseits der bloßen Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der gemessen am jeweiligen Regelungsgegenstand und -ziel die Benachteiligung dieser anderen Lebensformen rechtfertigt.
Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft ungerechtfertigt
Allein der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG vermag die
Gegenseitige Einstandspflichten in Ehe und Lebenspartnerschaft bereits weitgehend angeglichen
In den Grundstrukturen der familienrechtlichen Institute der Ehe und der Lebenspartnerschaft bestehen bereits seit Einführung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 nur wenige Unterschiede. Insbesondere sind der Grad der rechtlichen Bindung und die gegenseitigen Einstandspflichten bereits seit dem Lebenspartnerschaftsgesetz des Jahres 2001 in Ehe und Lebenspartnerschaft weitgehend angeglichen. Mit dem zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 wurde das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft noch näher an das Eherecht angeglichen und auf die Normen zur Ehe in weitem Umfang Bezug genommen.
Grund für Privilegierung verheirateter Beamter im Verhältnis zu in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Beamten nicht ersichtlich
Tragfähige sachliche Gründe für die Rechtfertigung der
Gesetzgeber muss festgestellten Verfassungsverstoß rückwirkend beseitigen
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß für die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Beamten, die ihren Anspruch auf Auszahlung des Familienzuschlags zeitnah geltend gemacht haben, rückwirkend zum Zeitpunkt der Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit Wirkung zum 1. August 2001 zu beseitigen.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 01.08.2012
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
- Beamte in eingetragener Lebenspartnerschaft haben Anspruch auf den so genannten Ehegattenzuschlag
(Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.10.2010
[Aktenzeichen: BVerwG 2 C 10.09 und BVerwG 2 C 21.09]) - Kein Familienzuschlag für eingetragenen Lebenspartner
(Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 20.11.2008
[Aktenzeichen: 2 A 2293/08, 2 A 7737/05, 2 A 1057/07]) - VG Gießen: Eingetragene Lebenspartnerschaften sind besoldungsrechtlich wie Ehen zu behandeln
(Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 26.05.2011
[Aktenzeichen: 5 K 4331/10.GI])
Jahrgang: 2012, Seite: 1472 FamRZ 2012, 1472 | Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS)
Jahrgang: 2013, Seite: 758 JuS 2013, 758 | Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ)
Jahrgang: 2012, Seite: 1304 NVwZ 2012, 1304
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Dokument-Nr. 13886
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