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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09.11.2010
- 2 BvR 2101/09 -
BVerfG: Auf Liechtensteiner "Steuer-CD" gestützte Wohnungsdurchsuchung nicht verfassungswidrig
Verwendung der Daten berührt nicht absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung und verletzt somit nicht das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung
Der für eine Wohnungsdurchsuchung erforderliche Anfangsverdacht kann ohne Verfassungsverstoß auf Daten gestützt werden, die ein Informant aus Liechtenstein auf einem Datenträger an die Bundesrepublik Deutschland verkauft hat. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
Gegen die Beschwerdeführer wird wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung in den Veranlagungszeiträumen 2002 bis 2006 ermittelt. Das Amtsgericht ordnete die Durchsuchung der Wohnung der Beschwerdeführer an. Den erforderlichen Anfangsverdacht stützte es darauf, dass im Rahmen der Ermittlungen gegen einen Liechtensteiner Treuhänder bekannt geworden sei, dass die Beschwerdeführer über Vermögensanlagen in Liechtenstein verfügten. Aus diesem Vermögen seien Kapitalerträge nicht erklärt und dadurch voraussichtlich Steuern in den Jahren 2002 bis 2006 zwischen 16.390 Euro und 24.270 Euro verkürzt worden.
Daten aus Liechtenstein wurden Steuerfahndung im Wege der Amtshilfe durch BND zur Verfügung gestellt
Auf Antrag der Beschwerdeführer gewährte die Staatsanwaltschaft ihnen Akteneinsicht in die bei ihr vorhandenen Ermittlungsakten und teilte mit, dass die Daten aus Liechtenstein der
Beschwerdeführer halten Daten für unverwertbar
Die Beschwerdeführer legten gegen die Durchsuchungsanordnung Beschwerde ein, die sie damit begründeten, dass die der Durchsuchung zugrunde liegenden Erkenntnisse unverwertbar seien, da die Erhebung der verfahrensgegenständlichen Daten gegen das Völkerrecht und deren Verwendung gegen innerstaatliches Recht verstoße.
Aus möglicher Verletzung eines völkerrechtlichen Vertrages ergibt sich kein Verwertungsverbot
Das Landgericht verwarf die Beschwerden als unbegründet. Der für die Durchsuchung erforderliche Tatverdacht dürfe auf die strittigen Daten gestützt werden. Ein
Beschwerdeführer fühlen sich in Grundrechten verletzt
Mit ihrer
BVerfG: Beschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg
Das Bundesverfassungsgericht hat die
Aufklärung des Sachverhalts hinsichtlich der Beschaffung der Datenträger wurde von Beschwerdeführern nicht verlangt
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Soweit die Beschwerdeführer beanstanden, das Gericht hätte aufklären müssen, wie die Strafverfolgungsbehörden in den Besitz der Daten gelangt seien und welche Rolle der Bundesnachrichtendienst dabei gespielt habe, ist ihre
Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nicht verletzt
Im Übrigen ist die
Zulässigkeit der Verwertung der aus Liechtenstein stammenden Daten
Bei der Frage, ob die aus Liechtenstein stammenden Daten für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts für eine strafprozessuale Durchsuchung zugrunde gelegt werden dürfen, geht es nicht um die unmittelbare Geltung eines Beweisverwertungsverbotes, denn dieses betrifft grundsätzlich lediglich die unmittelbare Verwertung von rechtswidrig erlangten Beweismitteln im Strafverfahren zur Feststellung der Schuldfrage. Ob und inwieweit Tatsachen, die einem
Im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung muss Verwertung gewonnener Beweise dennoch nicht unzulässig sein
Unabhängig davon besteht von Verfassungs wegen kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnen Beweise stets unzulässig wäre. Die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu insbesondere ein
Unzulässigkeit einer Beweiserhebung führt nicht ohne weiteres zu Beweisverwertungsverbot
Die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung führt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht ohne weiteres zu einem
Verwendung der Daten betreffen nur geschäftliche Kontakte mit Kreditinstituten und berühren nicht Kernbereich privater Lebensgestaltung
Vor diesem Hintergrund sind die angegriffenen Entscheidungen nicht zu beanstanden. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob und inwieweit Amtsträger bei der Beschaffung der Daten nach innerstaatlichem Recht rechtswidrig oder gar strafbar gehandelt oder gegen völkerrechtliche Übereinkommen verstoßen haben. Denn die Gerichte haben für ihre Bewertung, ob die Daten einem für die Durchsuchung erforderlichen Anfangsverdacht nicht zugrunde gelegt werden dürfen, solche Verstöße unterstellt. Soweit die angegriffenen Entscheidungen nach Abwägung der verschiedenen Interessen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Daten aus Liechtenstein verwendet werden dürfen, um den Anfangsverdacht für die Durchsuchung zu begründen, ist dies nachvollziehbar und lässt eine verfassungsrechtlich relevante Fehlgewichtung nicht erkennen. Die Verwendung der Daten berührt nicht den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung. Diese betreffen lediglich geschäftliche Kontakte der Beschwerdeführer mit Kreditinstituten. Des weiteren sind Beweismittel, die von Privaten erlangt wurden, selbst wenn dies in strafbewehrter Weise erfolgte, grundsätzlich verwertbar, so dass allein von dem Informanten begangene Straftaten bei der Beurteilung eines möglichen Verwertungsverbotes von vornherein nicht berücksichtigt werden müssen.
BND hat Daten im Wege der Amtshilfe lediglich entgegengenommen und weitergeleitet, jedoch nicht Herstellung, Beschaffung oder Erfassung veranlasst
Auch die tatsächliche und rechtliche Beurteilung der Gerichte, dass eine von den Beschwerdeführern gerügte Verletzung des Trennungsgebots ausscheide, ist nicht zu beanstanden. Dieses Gebot besagt, dass Geheimdienste keine polizeilichen Zwangsbefugnisse besitzen, also keine Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen durchführen und somit nicht zur gezielten Erlangung von Zufallsfunden für nichtnachrichtendienstliche Zwecke eingesetzt werden dürfen. Die Gerichte sind davon ausgegangen, dass der Bundesnachrichtendienst die Daten im Wege der Amtshilfe lediglich entgegengenommen und weitergeleitet, nicht aber ihre Herstellung, Beschaffung oder Erfassung veranlasst habe, sondern sich der Informant von sich aus an den Bundesnachrichtendienst gewandt habe. Die entgegenstehende Behauptung der Beschwerdeführer, der Bundesnachrichtendienst sei nur eingeschaltet worden, um dessen besondere Möglichkeiten auszunutzen, ist durch nichts belegt. Schließlich ist nicht erkennbar, dass es sich bei den unterstellten Rechtsverletzungen um schwerwiegende, bewusste oder willkürliche Verfahrensverstöße handelt, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer acht gelassen worden sind.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 30.11.2010
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
Rechtsfragen zum diesem Thema auf refrago:
Fundierte Fachartikel zum diesem Thema beim Deutschen Anwaltsregister:
Jahrgang: 2011, Seite: 30 CR 2011, 30 | Zeitschrift: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV)
Jahrgang: 2011, Seite: 162 DÖV 2011, 162 | Zeitschrift: Deutsches Steuerrecht (DStRE)
Jahrgang: 2011, Seite: 60 DStRE 2011, 60 | Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)
Jahrgang: 2011, Seite: 2417 NJW 2011, 2417 | Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ)
Jahrgang: 2011, Seite: 103 NStZ 2011, 103
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Dokument-Nr. 10650
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