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Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.2005
X ZR 123/03 -

Branchenbuchabzocke: BGH stellt hohe Anforderungen an Nachweis der Arglist

Kaufleute und Unternehmer müssen sich vor Unterzeichnung eines Schriftstücks erschöpfend von dessen Inhalt überzeugen - auch hinsichtlich des Kleingedruckten

Der Bundesgerichtshof stellt hohe Anforderungen an den Nachweis der Arglist. Wer einen von ihm unterzeichneten Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten will, muss hohe Hürden überwinden. Andererseits stellt der Bundesgerichtshof aber auch klar, dass die Beurteilung immer eine Einzelfallentscheidung des jeweiligen Tatrichters ist. Ein Urteil ist also nicht ohne weiteres auf einen anderen Fall übertragbar.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision einer Klägerin zurückgewiesen, die mit ihrer Klage gegen die Betreiberin eines Branchenbuchs bzw. Internet-Adressverzeichnisses unterlegen war. Sie hatte gerichtlich feststellen lassen wollen, dass der von ihr unterzeichnete Vertrag über die Eintragung ihres Unternehmens in das Adressverzeichnis wegen arglistiger Täuschung habe angefochten werden können und deshalb unwirksam sei. Der zuständige Richter am Amtsgericht entschied jedoch, dass die Arglist der Betreiberin des Verzeichnisses nicht nachgewiesen sei.

Irrtum allein begründet kein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung - Dem Täuschenden muss Vorsatz nachgewiesen werden

Diese Auffassung teilten auch die übergeordneten Instanzgerichte. Der Bundesgerichtshof wies die Revision in letzter Instanz zurück. Die Richter gaben der Klägerin zunächst insoweit Recht, als sie bei Vertragsunterzeichnung dem Irrtum erlegen sei, kein Angebot zu einem entgeltlichen Vertrag über eine Laufzeit von zwei Jahren erhalten zu haben und mit der Unterzeichnung des als "Offerte" bezeichneten Vertrags keine Zahlungsverpflichtung und keine Bindung über zwei Jahre einzugehen.

"Offerte" über Branchenbucheintrag enthielt erhebliches Irreführungspotential

Die Richter gaben der Klägerin auch insoweit Recht, als das Anschreiben der Beklagten geeignet gewesen sei, diesen Irrtum bei der Klägerin hervorzurufen und hierdurch deren Entschließung zur Unterzeichnung des Angebots zu beeinflussen. Es sei nicht zu verkennen, dass die "Offerte" durch ihre Gestaltung erhebliches Irreführungspotential enthalte.

Eigene Unaufmerksamkeit schließt Anfechtungsrecht nicht von vornherein aus

Auch schließe eine Unaufmerksamkeit der Klägerin, die der ihr obliegenden Sorgfaltspflicht zuwiderlaufe, eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht aus. Denn Ziel der gesetzlichen Anfechtungsregelung in § 123 BGB sei es, einem auf Täuschungswillen beruhenden Verhalten zu begegnen. Deshalb müsse auch der anfechten können, der dem Täuschenden die Irreführung leicht gemacht habe.

Hatte Branchenbuchbetreiberin Täuschungswillen?

Die Beantwortung der Frage, ob ein Anfechtungsrecht bestehe, hänge aber letztlich davon ab, ob die Beklagte die "Offerte" in dem Bewusstsein, dass sie sich zur Irreführung und Beeinflussung eigne, und mit dem Willen, den Adressaten zu täuschen, der Klägerin zugesandt habe. Die Klägerin müsse also Tatsachen aus dem subjektiven Bereich des menschlichen Handelns nachweisen. Ein unmittelbarer Beweis subjektiver Tatsachen sei aber nicht möglich. Deshalb sei das Wissen und Wollen des Anfechtungsgegners vielmehr in aller Regel aus den objektiv feststellbaren Umständen des jeweiligen Falls zu schließen. In dem zu entscheidenden Einzelfall seien entsprechende Umstände aber nicht nachgewiesen.

BGH stellt Fallgruppen auf, in denen aus dem Anschreiben auf Täuschungswillen geschlossen werden kann

Entsprechende Umstände, aus denen auf eine Täuschung durch ein Anschreiben geschlossen werden könne, sind nach der BGH-Rechtsprechung folgende: Enthält das Schreiben objektiv unrichtige Angaben, kann darauf auf den erforderlichen subjektiven Tatbestand geschlossen werden. Ein weiterer anerkannter Fall ist die Aufmachung des Angebotsschreibens in der Art einer Rechnung, bei dem klein gedruckte Hinweise auf den Angebotscharakter völlig in den Hintergrund treten. Und drittens kann auf den erforderlichen Täuschungswillen dann geschlossen werden, wenn für den Adressaten erkennbar wichtige Umstände verschwiegen sind, obwohl eine Offenbarungspflicht besteht.

War Irreführung beabsichtigt, oder beruht sie bloß auf ungeschickter Formulierung?

Das zu beurteilende Schreiben in dem zugrunde liegenden Fall erfüllte aber keine dieser Voraussetzungen. Alle maßgeblichen Angaben waren vollständig und richtig enthalten. Deshalb sei zu entscheiden, ob aus der Art und Weise, wie diese Umstände in dem Anschreiben dargestellt waren, auf den erforderlichen Täuschungswillen geschlossen werden könne. Jedoch könne ein Täuschungswille nicht schon deshalb angenommen werden, weil die Darstellung zur Irreführung geeignet sei. Eine irreführende Darstellung könne schließlich auch auf einer bloß ungeschickten Formulierung beruhen, und nicht auf Arglist.

Konnte Branchenbuchbetreiber Irreführungsmöglichkeit erkennen?

Bei lediglich irreführender Darstellung komme es deshalb vor allem darauf an, wie stark die maßgeblichen Punkte verzerrt oder entstellt wiedergegeben seien und ob vom Absender wegen des Grades der Verzerrung oder Entstellung hätte erwartet werden können, dass die Adressaten die wahren Umstände nicht richtig oder vollständig erkennen können.

Abwägung ist Einzelfallentscheidung des Tatrichters

Die hiernach erforderliche Abwägung im Einzelfall sei Sache des Tatrichters. Dieser sei in hiesigem Fall zu dem Ergebnis gekommen, dass die Irreführungsgefahr nicht von solchem Gewicht sei, dass auf eine arglistige Täuschung geschlossen werden könne. Auch könne schon eine Tatsachenentstellung verneint werden. Denn das Anschreiben betreffe immerhin den kaufmännischen Verkehr, der beinhalte, dass sich der Unternehmer vor rechtsverbindlicher Unterzeichnung eines Schriftstücks erschöpfend - auch was das so genannte Kleingedruckte anbelange - zu vergewissern habe, welche Wirkungen hierdurch hervorgerufen werden.

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der Leitsatz

BGB § 123 Abs. 1

Zur Anfechtung wegen Arglist, wenn das zugesandte Angebotsschreiben zur Irreführung geeignete Angaben hinsichtlich der Entgeltlichkeit und der Laufzeit des abzuschließenden Vertrags enthält.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 24.08.2011
Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/we)

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