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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.05.2013
- 1 BvL 1/08 -
"Landeskinderregelung" im früheren Bremischen Studienkontengesetz verfassungswidrig
Erhebung von Studiengebühren allein bei auswärtig Studierenden verstößt es gegen Teilhaberecht auf freien und gleichen Hochschulzugang
Die in Bremen zwischen dem Wintersemester 2005/2006 und dem Sommersemester 2010 geltende Studiengebührenregelung ist verfassungswidrig. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Zwar ergibt sich aus der Verfassung kein grundsätzliches Verbot allgemeiner Studiengebühren, solange sie nicht prohibitiv wirken und sozialverträglich ausgestaltet sind. Jedoch verstößt es gegen das Teilhaberecht auf freien und gleichen Hochschulzugang, wenn allein auswärtige Studierende mit solchen Gebühren belastet werden.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: In Bremen galt zwischen dem Wintersemester 2005/2006 und dem Sommersemester 2010 eine Studiengebührenregelung, die Studierenden ein Studienguthaben von 14 Semestern zubilligte und sie danach zu Gebühren heranzog. Dies betraf jedoch nur "Landeskinder" mit Wohnung in Bremen. Demgegenüber erhielten Auswärtige ein Studienguthaben von lediglich zwei Semestern, zahlten also schon ab dem dritten Semester Gebühren.
Sachverhalt
Die Klägerinnen und der Kläger des Ausgangsverfahrens wehren sich dagegen, als auswärtige Studierende ab dem dritten Semester allgemeine
Erhebung von Studiengebühren grundsätzlich mit Grundgesetz vereinbar
Die Erhebung von allgemeinen
Recht auf freien und gleichen Zugang zum Hochschulstudium ergibt sich aus Berufsfreiheit und Gleichheitssatz
Aus der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) ergibt sich für diejenigen, die dafür die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, im Rahmen der vom Staat geschaffenen Ausbildungseinrichtungen ein Recht auf freien und gleichen Zugang zum Hochschulstudium.
Studiengebühren dürfen keine unüberwindliche soziale Barriere für Hochschulzugang darstellen
Aus diesem Teilhaberecht resultiert zwar kein Anspruch auf Kostenfreiheit des Hochschulstudiums. Jedoch dürfen Gebühren keine unüberwindliche soziale Barriere vor dem Hochschulzugang errichten. Das bedeutet zwar nicht, dass alle Erschwernisse, die mit der Erhebung von Studienabgaben verbunden sind, vollständig durch soziale Begleitmaßnahmen kompensiert werden müssen. Der Gesetzgeber darf diese Umstände jedoch nicht völlig unberücksichtigt lassen, soweit sie zu ungleichen Ausbildungschancen führen.
Studiengebühren von 500 Euro pro Semester nicht grundsätzlich verfassungsrechtlich ausgeschlossen
Bei der Erhebung von
"Gebührenflucht" trotz erhobener Studiengebühren nicht erkennbar
Allerdings ist eine Gebühr von 500 Euro im Semester aus Sicht der Studierenden, deren Gesamtunterhaltsbedarf je nach Quelle mit zwischen ca. 530 Euro und 812 Euro im Monat angegeben wird, als deutlich spürbar einzustufen. Daraus folgt jedoch nicht ohne weiteres, dass sie insgesamt prohibitiv wirkt. So ist derzeit auch eine "Gebührenflucht" aus Ländern mit in Länder ohne
Bereitstellung angemessen ausgestalteter Studiendarlehen ist zentrales Mittel zur Absicherung der sozialen Verträglichkeit von Studiengebühren
Doch bedürfen allgemeine
Erhebung von Studiengebühren ab dem dritten Semester für auswärtig Studierende verstößt gegen Teilhaberecht
Die zur Prüfung gestellten Vorschriften, die nur Auswärtigen ab dem dritten Semester eine Gebührenpflicht auferlegten, verstoßen gegen das Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG auf freien und gleichen Hochschulzugang in einem bundesweit zusammenhängenden System. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus dem Teilhaberecht des Art. 12 Abs. 1 GG für den besonderen Sachbereich des Hochschulzugangs folgt bei einer
Hinreichend tragfähige Gründe für Ungleichbehandlung nicht erkennbar
Die vorgelegten Regelungen begründen eine
Ungleichbehandlung hier nicht anwendbar
Unterschiedliche Regelungen in verschiedenen Ländern sind verfassungsrechtlich im Bundesstaat nicht nur möglich, sondern gewollt. Der Gleichheitssatz ist daher nicht anwendbar, wenn es um eine
Landesrechtliche Regelung berührt dennoch in allen Ländern anerkanntes Teilhaberecht auf freien und gleichen Hochschulzugang.
Zur
Vorgenommene Gebührendifferenzierung kann nicht durch unterschiedliche Nutzung des Studienangebots gerechtfertigt werden
Tragfähige Sachgründe, die mit der Hochschulausbildung in Zusammenhang stehen, sind vorliegend nicht ersichtlich. Die in der bremischen Regelung vorgenommene Gebührendifferenzierung ist nicht durch eine unterschiedliche Nutzung des Studienangebots
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.05.2013
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
- BVerfG: Regelung zum studiendauerabhängigen Teilerlass der BAföG-Rückzahlung teilweise verfassungswidrig
(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21.06.2011
[Aktenzeichen: 1 BvR 2035/07]) - Hessen: Studiengebühr ist verfassungsgemäß
(Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Urteil vom 11.06.2008
[Aktenzeichen: P.St. 2133, P.St. 2158]) - Bayerischer Verfassungsgerichtshof: Studiengebühren sind verfassungsgemäß
(Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 29.05.2009
[Aktenzeichen: Vf 4-VII-07])
Jahrgang: 2013, Seite: 2498 NJW 2013, 2498
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Dokument-Nr. 15923
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