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Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 13.05.2014
- C-131/12 -
Recht auf Vergessen: Google muss auf Antrag Links zu personenbezogenen Daten aus Ergebnisliste entfernen
Informationen über Betroffene müssen nach einer gewissen Zeit von Suchmaschinen "vergessen" werden können
Der Betreiber einer Internetsuchmaschine ist bei personenbezogenen Daten, die auf von Dritten veröffentlichten Internetseiten erscheinen, für die von ihm vorgenommene Verarbeitung verantwortlich. Eine Person kann sich daher, wenn bei einer anhand ihres Namens durchgeführten Suche in der Ergebnisliste ein Link zu einer Internetseite mit Informationen über sie angezeigt wird, unmittelbar an den Suchmaschinenbetreiber wenden, um unter bestimmten Voraussetzungen die Entfernung des Links aus der Ergebnisliste zu erwirken, oder, wenn dieser ihrem Antrag nicht entspricht, an die zuständigen Stellen. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.
Mit einer Richtlinie der Union* sollen die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen, insbesondere das Recht auf die Privatsphäre, bei der Verarbeitung personenbezogener Daten geschützt und gleichzeitig die Hemmnisse für den freien Verkehr solcher Daten beseitigt werden.
Sachverhalt
2010 erhob Herr Mario Costeja González, ein spanischer Staatsbürger, bei der Agencia Española de Protección de Datos (spanische Datenschutzagentur, AEPD) eine Beschwerde gegen die La Vanguardia Ediciones SL, die Herausgeberin einer in Spanien, insbesondere in Katalonien weitverbreiteten Tageszeitung, sowie gegen Google Spain und Google Inc. Er machte geltend, bei Eingabe seines Namens in die
Costeja González beantragt Löschung personenbezogener Daten bei Google
Herr Costeja González beantragte, La Vanguardia anzuweisen, entweder die betreffenden Seiten zu löschen oder zu ändern, so dass die ihn betreffenden personenbezogen Daten dort nicht mehr angezeigt würden, oder zum Schutz dieser Daten von bestimmten, von den Suchmaschinen zur Verfügung gestellten technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Er beantragte ferner, Google Spain oder Google Inc. anzuweisen, ihn betreffende personenbezogene Daten zu löschen oder zu verbergen, so dass diese weder in den Suchergebnissen noch in den Links zu La Vanguardia erschienen. Herr Costeja González behauptete in diesem Zusammenhang, dass die Pfändung, von der er betroffen gewesen sei, seit Jahren vollständig erledigt sei und keine Erwähnung mehr verdiene.
Spanische Datenschutzagentur stimmt Antrag auf Entfernung der personenbezogenen Daten aus dem Google-Index zu
Die Beschwerde wurde von der AEPD, soweit sie sich gegen La Vanguardia richtete, mit der Begründung zurückgewiesen, der Herausgeber habe die betreffenden Informationen rechtmäßig veröffentlicht. Soweit sie sich gegen Google Spain und Google Inc. richtete, wurde ihr hingegen stattgegeben. Die AEPD forderte diese beiden Gesellschaften auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die betreffenden Daten aus ihrem Index zu entfernen und den Zugang zu ihnen in Zukunft zu verhindern. Google Spain und Google Inc. haben bei der Audiencia Nacional (Spanien) zwei Klagen auf Aufhebung der Entscheidung der AEPD erhoben. In diesem Zusammenhang hat das spanische Gericht dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Auch Verarbeitung von bereits in den Medien verbreiteten Informationen stellt "Erhebung" von Daten im Sinne der Richtlinie dar
In seinem Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass der Betreiber einer
Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten können durch Tätigkeit einer Suchmaschine erheblich beeinträchtigt werden
Der Gerichtshof stuft den Suchmaschinenbetreiber, da dieser über die Zwecke und Mittel einer solchen Verarbeitung entscheidet, als den im Sinne der Richtlinie für die Verarbeitung „Verantwortlichen“ ein. Da die Tätigkeit einer
Google Spain ist Tochtergesellschaft von Google Inc. und damit als „Niederlassung“ im Sinne der Richtlinie anzusehen
Zum räumlichen Anwendungsbereich der Richtlinie führt der Gerichtshof aus, dass es sich bei Google Spain um eine Tochtergesellschaft von Google Inc. in Spanien und somit eine „Niederlassung“ im Sinne der Richtlinie handelt. Das Argument, die von Google Search vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten werde nicht im Rahmen der Tätigkeiten dieser Niederlassung in Spanien ausgeführt, weist er mit folgender Begründung zurück: Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Betrieb einer
Suchmaschinenbetreiber kann unter bestimmten Voraussetzungen zur Löschung von Links aus Ergebnislisten verpflichtet werden
Zum Umfang der Verantwortlichkeit des Suchmaschinenbetreibers stellt der Gerichtshof sodann fest, dass dieser unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen über diese Person zu entfernen. Eine solche Verpflichtung kann auch bestehen, wenn der betreffende Name oder die betreffenden Informationen auf diesen Internetseiten nicht vorher oder gleichzeitig gelöscht werden, gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröffentlichung dort als solche rechtmäßig ist.
Eingriff in Privatsphäre kann nicht allein mit wirtschaftlichem Interesse des Suchmaschinenbetreibers gerechtfertigt werden
Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die von einem solchen Suchmaschinenbetreiber vorgenommen wird, es jedem Internetnutzer ermöglicht, bei Durchführung einer Suche anhand des Namens einer natürlichen Person mit der Ergebnisliste einen strukturierten Überblick über die zu ihr im Internet verfügbaren Informationen zu erhalten. Diese betreffen zudem potenziell zahlreiche Aspekte des Privatlebens und hätten ohne die
Zwischen Interessen und Grundrechten betroffener Person und Informationsinteresse der Internetnutzer muss angemessener Ausgleich gefunden werden
Die Entfernung von Links aus der Ergebnisliste kann sich aber je nach der Information, um die es sich handelt, auf das berechtigte Interesse von potenziell am Zugang zu der Information interessierten Internetnutzern auswirken. Nach Ansicht des Gerichtshofs ist daher ein angemessener Ausgleich zwischen diesem Interesse und den Grundrechten der betroffenen Person, insbesondere des Rechts auf Achtung des Privatlebens und des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten, zu finden. Zwar überwiegen die Rechte der betroffenen Person im Allgemeinen auch gegenüber dem Interesse der Internetnutzer; der Ausgleich kann in besonders gelagerten Fällen aber von der Art der betreffenden Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information abhängen, das u. a. je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren kann.
Mögliche Löschung von Links aus Ergebnislisten muss auf Antrag der betroffenen Person überprüft werden
Zu der Frage, ob die betroffene Person nach der Richtlinie verlangen kann, dass Links zu Internetseiten aus einer solchen Ergebnisliste gelöscht werden, weil sie wünscht, dass die darin über sie enthaltenen Informationen nach einer gewissen Zeit „vergessen“ werden, stellt der Gerichtshof fest, dass die in der Ergebnisliste enthaltenen Informationen und Links gelöscht werden müssen, wenn auf Antrag der betroffenen Person festgestellt wird, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Einbeziehung der Links in die Ergebnisliste nicht mit der Richtlinie vereinbar ist. Auch eine ursprünglich rechtmäßige Verarbeitung sachlich richtiger Daten kann im Laufe der Zeit nicht mehr den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen, wenn die Daten in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der verstrichenen Zeit, den Zwecken, für die sie verarbeitet worden sind, nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen. Wendet sich die betroffene Person gegen die vom Suchmaschinenbetreiber vorgenommene
Antrag auf Löschung können unmittelbar an Suchmaschinenbetreiber gerichtet werden
Der Gerichtshof stellt klar, dass solche Anträge von der betroffenen Person unmittelbar an den Suchmaschinenbetreiber gerichtet werden können, der dann sorgfältig ihre Begründetheit zu prüfen hat. Gibt der für die Verarbeitung Verantwortliche den Anträgen nicht statt, kann sich die betroffene Person an die Kontrollstelle oder das zuständige Gericht wenden, damit diese die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den Verantwortlichen entsprechend anweisen, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen.
Erläuterungen
* - Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31).
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 13.05.2014
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
- BGH-Urteil zur Google-Autocomplete-Funktion: Vervollständigungsfunktion kann Persönlichkeitsrechte verletzen
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.05.2013
[Aktenzeichen: VI ZR 269/12]) - LG Hamburg verurteilt Google zu mehr Verbraucherschutz
(Landgericht Hamburg, Urteil vom 07.08.2009
[Aktenzeichen: 324 O 650/08])
Fundierte Fachartikel zum diesem Thema beim Deutschen Anwaltsregister:
Jahrgang: 2014, Seite: 245 AfP 2014, 245 | Zeitschrift: Computer und Recht (CR)
Jahrgang: 2014, Seite: 460 CR 2014, 460 | Zeitschrift: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV)
Jahrgang: 2014, Seite: 672 DÖV 2014, 672 | Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW)
Jahrgang: 2014, Seite: 541 EuZW 2014, 541 | Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil (GRURInt)
Jahrgang: 2014, Seite: 719 GRURInt 2014, 719 | Zeitschrift: Der IT-Rechts-Berater (ITRB)
Jahrgang: 2014, Seite: 150 ITRB 2014, 150 | Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS)
Jahrgang: 2014, Seite: 1140, Entscheidungsbesprechung von Rudolf Streinz JuS 2014, 1140 (Rudolf Streinz) | Zeitschrift: JuristenZeitung (JZ)
Jahrgang: 2014, Seite: 1009 JZ 2014, 1009 | Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R)
Jahrgang: 2014, Seite: 502 K&R 2014, 502 | Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR)
Jahrgang: 2014, Seite: 455 MMR 2014, 455 | Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)
Jahrgang: 2014, Seite: 2257 NJW 2014, 2257 | Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ)
Jahrgang: 2014, Seite: 857 NVwZ 2014, 857 | Zeitschrift für Datenschutz (ZD)
Jahrgang: 2014, Seite: 350 ZD 2014, 350 | Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM)
Jahrgang: 2014, Seite: 559 ZUM 2014, 559
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Dokument-Nr. 18202
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