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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27.04.2021
2 BvR 206/14 -

Verfassungs­beschwerde gegen eine im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung erteilte Zulassung für ein Tierarzneimittel zurückgewiesen

Zulassung von Generikum in Deutschland auf Basis von britischer Beurteilung ist rechtens

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde gegen die einem Konkurrenz­unternehmen im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach dem Arzneimittelgesetz durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel­sicherheit erteilte Zulassung für ein Tierarzneimittel zurückgewiesen. Weder der Zulassungsbescheid noch die ihn bestätigenden verwaltungs­gerichtlichen Urteile verletzen die Beschwerde­führerinnen in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 16 GRCh. Da nicht nur die Auslegung der im Grundgesetz verbürgten Grundrechte im Lichte der Europäischen Menschenrechts­konvention, der Charta der Grundrechte und der gemeinsamen Verfassungs­überlieferungen der Mitgliedstaaten sowie ihrer höchstrichterlichen Konkretisierung erfolgen müsse, sondern auch die Auslegung der Charta der Grundrechte unter Rückgriff auf die Europäische Menschenrechts­konvention und die gemeinsamen Verfassungs­überlieferungen der Mitgliedstaaten in Gestalt ihrer höchstrichterlichen Konkretisierung, führe die Heranziehung von Art. 12 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 16 GRCh jedenfalls im vorliegenden Fall zum selben Ergebnis.

Die Beschwerdeführerinnen wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die einem Konkurrenzunternehmen im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach § 25 b Abs. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Bundesamt) erteilte Zulassung für ein Tierarzneimittel. Die Beschwerdeführerin zu 1. ist Inhaberin und Eigentümerin der Rechte an den Zulassungsunterlagen für das Tierarzneimittel Baytril. Die Beschwerdeführerin zu 2. ist die ausschließliche Lizenznehmerin dieser Rechte in Deutschland sowie Inhaberin der nationalen Zulassung für Baytril. Im Jahr 1993 erteilte die für Arzneimittelzulassungen zuständige Behörde in Großbritannien eine nationale Zulassung für das Medikament Baytril. Im Rahmen des 2004 durchgeführten Verfahrens zur Verlängerung der Zulassung legte ein zum Konzern der Beschwerdeführerinnen gehörendes Unternehmen auf Verlangen der britischen Zulassungsbehörde von der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zu 1. erstellte Ökotox-Daten von Baytril vor.

Bundesamt erkennt britische Zulassung an

Die im fachgerichtlichen Verfahren Beigeladene besitzt Zulassungen für das mit Baytril im Wesentlichen inhaltsgleiche Tierarzneimittel Enroxil in der Tschechischen Republik, Ungarn und Polen. Unter Bezugnahme auf die britische Zulassung für Baytril erteilte die britische Zulassungsbehörde am 9. September 2005 eine nationale Zulassung von Enroxil als Generikum. Im Jahr 2006 beantragte eine hierfür von der Beigeladenen beauftragte Firma beim Bundesamt die Erteilung einer nationalen Zulassung für Enroxil im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung der britischen Referenzzulassung. Nachdem das Bundesamt bei der formalen Vorprüfung des Zulassungsantrags das Fehlen von Unterlagen zur Umweltverträglichkeit beanstandet hatte, übersandte die britische Zulassungsbehörde den im Jahr 2004 anlässlich der Verlängerung der britischen Zulassung für Baytril erstellten Beurteilungsbericht, der auf den von der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zu 1. erstellten Ökotox-Daten basierte. Daraufhin erteilte das Bundesamt der Beigeladenen die beantragte Zulassung.

Beschwerdeführerinnen klagen gegen Zulassungsbescheid

Den Widerspruch gegen den Zulassungsbescheid des Bundesamtes wies dieses als unzulässig zurück. Die dagegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit erfolglos. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sowie ihres grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

BVerfG: Anwendung der europäischen Grundrechte gewährleistet nach derzeitigem Stand einen hinreichend wirksamer Grundrechtsschutz

Das Verfassungsgericht hat Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen. Im Geltungsbereich des Rechts der Europäischen Union hängt die Bestimmung der für deutsche Behörden und Gerichte maßgeblichen Grundrechtsverbürgungen grundsätzlich davon ab, ob die zu entscheidende Rechtsfrage unionsrechtlich vollständig determiniert ist. Akte der deutschen öffentlichen Gewalt, die durch Unionsrecht vollständig determiniert werden, sind grundsätzlich nicht am Maßstab der im Grundgesetz verankerten Grundrechte zu messen. Mit der in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Ermächtigung, Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen, billigt das Grundgesetz die im Zustimmungsgesetz zu den Verträgen enthaltene Einräumung eines Anwendungsvorrangs zugunsten des Unionsrechts. Dieser Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht gilt grundsätzlich auch mit Blick auf entgegenstehendes nationales Verfassungsrecht und führt bei einer Kollision im konkreten Fall in der Regel zu dessen Unanwendbarkeit. Die Geltung der Grundrechte des Grundgesetzes lässt dies jedoch ebenso unberührt wie die Gültigkeit des sonstigen nationalen Rechts. In Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG setzt ein den Rückgriff auf die Grundrechte des Grundgesetzes ausschließender Anwendungsvorrang des Unionsrechts nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch voraus, dass durch die Anwendung der Grundrechte der Europäischen Union ein hinreichend wirksamer Grundrechtsschutz gewährleistet ist. Nach dem derzeitigen Stand des Unionsrechts ist davon auszugehen, dass diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt sind. Insoweit kommt den Grundrechten des Grundgesetzes nur eine Reservefunktion zu. Davon unberührt bleiben die verfassungsrechtlichen Kontrollvorbehalte der Ultra-vires- und der Identitätskontrolle. Ob eine Rechtsfrage vollständig unionsrechtlich determiniert ist, richtet sich in aller Regel nach den Normen, aus denen die Rechtsfolgen für den streitgegenständlichen Fall abzuleiten sind, also danach, ob das streitgegenständliche Rechtsverhältnis und die sich aus ihm konkret ergebenden Rechtsfolgen durch das Unionsrecht oder das nationale Recht festgelegt werden. Maßgeblich sind die im konkreten Fall anzuwendenden Vorschriften in ihrem Kontext, nicht eine allgemeine Betrachtung des in Rede stehenden Regelungsbereichs.

Maßstäbe des Grundgesetzes und EU-Grundrechtecharta stimmen im Wesentlichen überein

Geht man vorliegend davon aus, dass die Frage der Heranziehung und Verarbeitung der von den Beschwerdeführerinnen erstellten Ökotox-Daten durch das Bundesamt nicht vollständig unionsrechtlich determiniert ist, ist der Bescheid des Bundesamts am Maßstab von Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Dabei sind die Grundrechte des Grundgesetzes auch im Lichte der Charta auszulegen. Ebenso wie diese aus den verschiedenen Grundrechtstraditionen der Mitgliedstaaten entstanden und im Einklang mit diesen auszulegen ist, ist für das Verständnis der grundgesetzlichen Garantien neben der Europäischen Menschenrechtskonvention auch die Charta als Auslegungshilfe heranzuziehen. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht zur Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes von jeher auch auf die Verfassungsüberlieferungen anderer demokratischer Rechtsstaaten zurückgegriffen. Für den Schutz der Berufsausübungsfreiheit ist dieser Maßstab in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt und ausdifferenziert. Geht man hingegen von einer vollständigen unionsrechtlichen Determinierung der Heranziehung und Verarbeitung der von den Beschwerdeführerinnen erstellten Ökotox-Daten aus, ist der Bescheid des Bundesamts am Maßstab von Art. 16 GRCh zu messen. Dabei sind auch die Grundrechte des Grundgesetzes, die Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Grundrechte der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu berücksichtigen. Wie die Charta der Grundrechte wurzeln sie überwiegend in gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen und sind insoweit Ausprägungen gemeineuropäischer und universaler Werte. Sie gründen auf dem Schutz der Menschenwürde, gewährleisten einen nach Inhabern, Verpflichteten und Struktur im Wesentlichen funktional vergleichbaren Schutz und stellen sich in weitem Umfang als deckungsgleiche Gewährleistungen dar. Vor diesem Hintergrund empfängt nicht nur die Auslegung der im Grundgesetz verbürgten Grundrechte Direktiven von der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Charta der Grundrechte und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten sowie ihrer höchstrichterlichen Konkretisierung. Auch die Auslegung der Charta der Grundrechte ist an der Europäischen Menschenrechtskonvention und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten in Gestalt ihrer höchstrichterlichen Konkretisierung auszurichten. Deshalb ist auch bei der Auslegung und Anwendung von Art. 16 GRCh dessen Einbettung in die europäische und universale Rechtstradition und -entwicklung zu berücksichtigen. Im Ergebnis stimmen die im vorliegenden Fall einschlägigen verfassungsrechtlichen Maßstäbe des Grundgesetzes und der Charta der Grundrechte im Wesentlichen überein. Beide erkennen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als Bestandteil der Berufsfreiheit an, legen einen weiten Eingriffsbegriff zugrunde und erlauben Beschränkungen nur bei Vorliegen einer wirksamen Rechtsgrundlage.

Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der britische Referenzzulassung bedeutungslos

Laut BVerfG verletzen weder der Zulassungsbescheid noch die ihn bestätigenden verwaltungsgerichtlichen Urteile die Beschwerdeführerinnen in ihren Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 16 GRCh. Für die rechtliche Beurteilung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamts ist ohne Bedeutung, ob die britische Referenzzulassung rechtmäßig oder rechtswidrig war. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht darauf hingewiesen, dass Rechtmäßigkeitsmängel der britischen Zulassungsentscheidung vom Bundesamt nicht zu prüfen waren. Eventuelle Rechtsverstöße hätten die Beschwerdeführerinnen insoweit mit einer Anfechtung der Referenzzulassung in Großbritannien geltend machen müssen.

Verwendung der Ökotox-Daten wären jedenfalls gerechtfertigt

Ob der Bescheid des Bundesamts die Beschwerdeführerinnen in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 16 GRCh verletzt, hängt vielmehr davon ab, ob Heranziehung und Verarbeitung der von den Beschwerdeführerinnen erstellten Ökotox-Daten Aufgabe des Bundesamts waren und wie weit sein Entscheidungsspielraum und seine Entscheidungsverantwortung dabei reichten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht allerdings mit Blick auf § 23 und § 24 b sowie § 25 b AMG 2005 nicht im Einzelnen ermittelt. Gleichwohl kann hier dahinstehen, ob die Heranziehung und Verarbeitung der Ökotox-Daten im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts eine selbständige Bezugnahme auf die Ökotox-Daten der Beschwerdeführerinnen im Sinne von § 24 b AMG 2005 darstellt, die einen der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnenden eigenständigen Eingriff in das Grundrecht der Beschwerdeführerinnen aus Art. 12 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 16 GRCh bewirkt. Auch wenn dies der Fall sein sollte, wäre er durch § 25 b in Verbindung mit 24b Abs. 1 Satz 1 und § 23 Abs. 1 Nr. 3 AMG 2005 jedenfalls gerechtfertigt. Unabhängig davon, ob und inwieweit § 24 b Abs. 1 Satz 1 AMG 2005 mit Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2001/82/EG in der durch die Richtlinie 2004/28/EG geänderten Fassung vereinbar war, war letzterer mangels unmittelbarer Anwendbarkeit jedenfalls nicht geeignet, § 24 b Abs. 1 Satz 1 AMG 2005 zu verdrängen. Vor diesem Hintergrund richtete sich die Frage nach der Verwendung von Ökotox-Daten des Rechteinhabers - eine selbständige Bezugnahme durch das Bundesamt bei der Anerkennung des Generikums vorausgesetzt - hier nach § 24 b Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Nr. 3 AMG 2005. Bei der Erstzulassung eines Generikums gestattete dieser die Bezugnahme auf Unterlagen des Vorantragstellers auch, soweit mit ihnen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken nachgewiesen wurde, sofern das Referenzarzneimittel seit mindestens acht Jahren oder vor mindestens acht Jahren zugelassen worden war. Entsprechendes hätte für die Anerkennung eines Generikums im Verfahren nach § 25 b Abs. 1 AMG gegolten.

Etwaige Eingriff in die Berufsfreiheit dient Gemeinwohlbelang und wiegen nicht besonders schwer

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 25 b in Verbindung mit § 24 b Abs. 1 Satz 1 und § 23 Abs. 1 Nr. 3 AMG 2005 sind nicht ersichtlich. Der etwaige Eingriff in die Berufsfreiheit und die mit der Heranziehung der von den Beschwerdeführerinnen erstellten Ökotox-Daten zugunsten der Beigeladenen des Ausgangsverfahrens verbundene Wettbewerbsverzerrung dienen einem Gemeinwohlbelang und wiegen unter dem Gesichtspunkt von Art. 12 Abs. 1 GG nicht besonders schwer. Da der angegriffene Zulassungsbescheid des Bundesamts danach jedenfalls auf einer zureichenden Rechtsgrundlage ergangen ist, scheidet im Ergebnis auch eine Verletzung von Art. 14 GG beziehungsweise Art. 17 GRCh sowie von Art. 19 Abs. 4 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aus.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 02.06.2021
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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