Hier beginnt die eigentliche Meldung:
Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2017
- 1 B 1056/17 -
Hessen: Kopftuchverbot für Rechtsreferendarin im juristischen Vorbereitungsdienst bestätigt
Tragen religiös konnotierter Bekleidung während Ausübung des Vorbereitungsdienstes mit Übernahme staatlicher Funktionen und Repräsentationsaufgaben verstößt gegen Neutralitätsgebot in der Justiz
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass Rechtsreferendarinnen islamischen Glaubens, die während ihrer Ausbildung ein Kopftuch tragen möchten, keine Tätigkeiten ausüben dürfen, bei denen sie von Bürgerinnen und Bürgern als Repräsentantin der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden oder wahrgenommen werden können. In der Praxis bedeutet dies insbesondere, dass Referendarinnen die ein Kopftuch tragen, bei Verhandlungen im Gerichtssaal nicht auf der Richterbank sitzen dürfen, sondern im Zuschauerraum der Sitzung beiwohnen können, keine Sitzungsleitung und / oder Beweisaufnahmen durchführen dürfen, keine Sitzungsvertretungen für die Staatsanwaltschaft übernehmen und während der Verwaltungsstation keine Anhörungsausschusssitzungen leiten können. Mit dieser Entscheidung gab der Hessische Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde des Landes Hessen, vertreten durch das Hessische Ministerium der Justiz, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 12. April 2017 statt, durch den die antragstellende Referendarin mit ihrem entsprechenden Eilantrag noch gegen das Land obsiegte.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Antragstellerin trat Anfang dieses Jahres den juristischen Vorbereitungsdienst am Landgericht Frankfurt am Main an. Als Ausdruck ihrer Glaubensüberzeugung trägt sie ein
Bereits vor Aufnahme ihres Referendardienstes hatte sie über das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein Hinweisblatt mit folgendem Inhalt erhalten:
"Das hessische Ministerium der Justiz hat mich angewiesen, Sie über folgende Umstände zu belehren: Auch Rechtsreferendarinnen im juristischen Vorbereitungsdienst haben sich gegenüber Bürgerinnen und Bürgern politisch, weltanschaulich und neutral zu verhalten. Das bedeutet, dass sie, wenn sie während ihrer Ausbildung ein
Antragstellerin fühlt sich durch Ausführungen in Hinweisblatt gegenüber anderen Rechtsreferendarinnen benachteiligt
Die Antragstellerin hatte beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht, weil sie sich durch dieses Hinweisblatt in ihrem Vorbereitungsdienst eingeschränkt und diskriminiert sah. Sie machte geltend, einen Anspruch auf eine diskriminierungsfreie, gleichberechtigte Durchführung des Referendariats zu haben. Das Tragen des Kopftuches stelle für sie ein religiöses Gebot dar und die Nichtbeachtung dieses Gebots stürze sie in einen schwerwiegenden Gewissenskonflikt. Das erhaltene Hinweisblatt richte sich explizit an muslimische, kopftuchtragende Referendarinnen. Durch diesen Hinweis werde sie gegenüber anderen Rechtsreferendarinnen benachteiligt.
VG gibt Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes statt
Ihrem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gab das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 12. April 2017 mit der Begründung statt, dass eine Grundrechtseinschränkung durch das Verbot des Tragens des Kopftuches während wesentlicher Teile des Vorbereitungsdienstes gegeben sei. Die Antragstellerin habe zur Überzeugung des Gerichts eine religiöse Motivation für das von ihr aus Glaubensgründen verpflichtend dargestellte Gebot des Tragens des Kopftuches geltend gemacht.
Gesetzliche Grundlage für Anordnung eines Kopftuchverbots für Rechtsreferendarinnen hinreichend gegeben
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof gab dagegen nunmehr der Beschwerde des Landes Hessen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main statt und hob in der Sache den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main auf. Zur Begründung führte der Hessische Verwaltungsgerichtshof aus, dass eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Anordnung eines solchen Kopftuchverbots für Rechtsreferendarinnen gegeben sei. Der Landesgesetzgeber sei unter Beachtung des sogenannten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch ermächtigt, Regelungen zur Sicherung der staatlichen
Wahrung staatlicher Neutralität bei Gericht von besonderer Bedeutung
Es sei kaum ein Ort denkbar, an dem die Wahrung staatlicher
Werbung
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 24.05.2017
Quelle: Hessischer Verwaltungsgerichtshof/ra-online
- Kopftuchverbot für Rechtsreferendarin unzulässig
(Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil vom 30.06.2016
[Aktenzeichen: Au 2 K 15.457]) - Arbeitgeber kann unter bestimmten Voraussetzungen Tragen eines Kopftuchs verbieten
(Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 14.03.2017
[Aktenzeichen: C-188/15]) - Keine Diskriminierung: Unternehmensinterne Regel darf Tragen eines Kopftuchs verbieten
(Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 14.03.2017
[Aktenzeichen: C-157/15])
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Dokument-Nr. 24297
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://www.kostenlose-urteile.de/Beschluss24297
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Senden Sie uns diese Entscheidungen doch einfach für kostenlose-urteile.de zu. Unsere Redaktion schaut gern, ob sich das Urteil für eine Veröffentlichung eignet.