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Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 06.09.2012
- C-190/11 -
Verbraucher kann ausländischen Gewerbebetreibenden nicht nur bei Abschluss eines Fernabsatzvertrages im Inland verklagen
EuGH zur gerichtlichen Zuständigkeit bei Klagen von Verbrauchern gegen Verkäufer aus anderem EU-Mitgliedsstaat
Die Möglichkeit für einen Verbraucher, einen ausländischen Gewerbetreibenden vor den inländischen Gerichten zu verklagen, setzt nicht voraus, dass der streitige Vertrag im Fernabsatz geschlossen wurde. Daher schließt der Umstand, dass sich der Verbraucher zum Vertragsabschluss in den Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden begeben hat, die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats des Verbrauchers nicht aus. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.
Das Unionsrecht* soll den Verbraucher als schwächere Vertragspartei in grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten schützen, indem ihm der Zugang zur Justiz insbesondere durch geografische Nähe zum zuständigen Gericht erleichtert wird. So kann der Verbraucher den Gewerbetreibenden, mit dem er einen Vertrag geschlossen hat, auch dann vor den inländischen Gerichten verklagen, wenn dieser seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, und zwar unter zwei Voraussetzungen: Erstens muss der Gewerbetreibende seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, oder sie auf irgendeinem Wege (z. B. über das Internet) auf diesen Mitgliedstaat** ausrichten, und zweitens muss der von dem Rechtsstreit betroffene Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fallen.
Der österreichische Oberste Gerichtshof möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Möglichkeit, die inländischen Gerichte zu befassen, außerdem voraussetzt, dass der Vertrag zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer im Fernabsatz geschlossen wurde.
Sachverhalt
Der Oberste Gerichtshof ist letztinstanzlich mit einer
Vertrag muss nicht im Fernabsatz geschlossen worden sein
Mit seinem Urteil antwortet der Gerichtshof, dass die Möglichkeit für einen Verbraucher, einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gewerbetreibenden vor den Gerichten seines eigenen Mitgliedstaats zu verklagen, nicht voraussetzt, dass der Vertrag im Fernabsatz geschlossen wurde.
Änderung der europäischen Regelung soll Schutz der Verbraucher verbessern
Zwar verlangte die europäische Regelung bis 2002***, dass der Verbraucher die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen in seinem Wohnsitzstaat vorgenommen hat, die derzeitige Regelung enthält eine solche Voraussetzung jedoch nicht. Durch diese Änderung wollte der Unionsgesetzgeber den Schutz der Verbraucher verbessern.
Verbrauchervertrag im Fernabsatz als Indiz für Anwendbarkeit der europäischen Regelung
Die wesentliche Voraussetzung für die Anwendung dieser Regelung ist die der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit, die auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist. Insoweit sind sowohl die Aufnahme von Fernkontakt als auch die Buchung eines Gegenstands oder einer Dienstleistung im Fernabsatz und erst recht der Abschluss eines Verbrauchervertrags im Fernabsatz Indizien dafür, dass der Vertrag an eine solche Tätigkeit anschließt.
Daher kann der Verbraucher den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gewerbetreibenden auch dann vor den Gerichten seines eigenen Mitgliedstaats verklagen, wenn der Vertrag nicht im Fernabsatz abgeschlossen wurde, weil er im Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden unterzeichnet wurde, sofern erstens der Gewerbetreibende seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausübt oder sie auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und zweitens der streitige Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
Erläuterungen
* - Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, sogenannte Brüssel-I-Verordnung).
** - Oder mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats.
*** - Die Verordnung Nr. 44/2001 (oben in Fn. 1 angeführt) ist am 1. März 2002 in Kraft getreten.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 11.09.2012
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
Jahrgang: 2012, Seite: 670 CR 2012, 670 | Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR)
Jahrgang: 2012, Seite: 805 MMR 2012, 805 | Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)
Jahrgang: 2012, Seite: 3225 NJW 2012, 3225 | Zeitschrift: Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP)
Jahrgang: 2012, Seite: 1373 WRP 2012, 1373
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Dokument-Nr. 14134
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