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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23.08.2006
2 BvR 226/06 -

Bundesverfassungsgericht grenzt Möglichkeiten zur nachträglichen Sicherungsverwahrung ein

Nicht bewältigtes Suchtproblem bedeutet keine erhöhte Gefährlichkeit

Eine nachträgliche Sicherungsverwahrung kann nur angeordnet werden, wenn vom Betroffenen eine gegenwärtige, erhebliche Gefährdung für die Allgemeinheit ausgeht. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Gegen den betäubungsmittelabhängigen Beschwerdeführer, der zuletzt eine achtjährige Freiheitsstrafe wegen versuchten Totschlags verbüßt hatte, ordnete das Landgericht gemäß § 66 b Abs. 2 StGB nachträglich die Sicherungsverwahrung an. Dabei stützte es das Vorliegen neuer Tatsachen darauf, dass der Beschwerdeführer sich zum Zeitpunkt seiner Verurteilung schuldeinsichtig und therapiewillig gezeigt, die in ihn gesetzten Erwartungen des Gerichts aber durch sein im Strafvollzug und im Vollzug der Maßregel gezeigtes Verhalten enttäuscht habe.

Ergänzend zog das Gericht disziplinarische Vergehen des Beschwerdeführers heran, nämlich ein zweimaliges Anbringen von Rasierklingen unter dem Tisch seines Haftraums, das Zu-Boden-Stoßen eines Mitinsassen im Maßregelvollzug, der ihn als "aidskranken Knacki" bezeichnet hatte, und das Einschlagen auf eine Grünpflanze. Der Bundesgerichtshof verwarf die gegen die Entscheidung des Landgerichts gerichtete Revision.

Die gegen die strafgerichtlichen Entscheidungen gerichtete Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht hob die angegriffenen Entscheidungen auf und verwies die Sache zurück an das Landgericht.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zur Zulässigkeit der Sicherungsverwahrung und ihrer nachträglichen Anordnung waren bereits Gegenstand bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen. Nach den dort aufgestellten Maßstäben verstößt die gesetzliche Ermächtigung zur nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b Abs. 2 StGB nicht gegen Verfassungsrecht. Die enge Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 66 b StGB kann gewährleisten, dass die Maßnahme - wie vom Gesetzgeber beabsichtigt - nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt und auf einige wenige Verurteilte beschränkt bleibt und somit als verhältnismäßige Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

Die strafgerichtlichen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer jedoch in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Die Strafgerichte berücksichtigen nicht, dass eine neue Tatsache i. S. d. § 66 b StGB nicht vorliegt, wenn die Gefährlichkeit sich ausschließlich als Folge der - zum Zeitpunkt der Verurteilung bereits bekannten - unbewältigten Suchtproblematik darstellt. Wird die Erwartung des Gerichts durch in der Suchterkrankung begründete - und damit dem Gericht grundsätzlich erkennbare - Umstände enttäuscht, so kann das Instrument der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht als Korrektiv der unrichtigen Prognose herangezogen werden. Hinsichtlich des Gesichtspunkts einer im Vollzug zutage getretenen Haltungsänderung des Beschwerdeführers bei der Bewertung seiner Tat stellen die Strafgerichte nicht fest, dass diese Haltungsänderung nach anerkannten und überprüfbaren Maßstäben einen Hinweis auf eine gegenüber dem Zeitpunkt der Verurteilung erhöhte Gefährlichkeit des Beschwerdeführers darstelle.

Dasselbe gilt für die Tatsachen des Anbringens von Rasierklingen unter dem Haftraumtisch, des Zu-Boden-Stoßens eines Mitgefangenen und des Einschlagens auf eine Grünpflanze. In der Gesamtschau der den angegriffenen Entscheidungen zu Grunde gelegten neuen Tatsachen zeigt sich, dass die Strafgerichte an die Frage einer im Vollzug zu Tage getretenen erheblichen Gefährlichkeit Maßstäbe des Wohlverhaltens anlegen, die sonst bei der Verhängung disziplinarischer Maßnahmen, der Gewährung von Lockerungen und der Strafrestaussetzung zur Bewährung herangezogen werden. Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung folgt nicht diesen Maßstäben, sondern setzt bereits auf der Stufe der Feststellung neuer Tatsachen einen empirisch belastbaren Zusammenhang zwischen den im Vollzug erkennbar gewordenen Tatsachen und einer durch sie zu Tage getretenen erheblichen Gefährlichkeit voraus. Es reicht ferner verfassungsrechtlich nicht aus, eine hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung künftiger erheblicher Straftaten bereits dann anzunehmen, wenn überwiegende Umstände auf eine künftige Delinquenz des Betroffenen hindeuten. Erforderlich ist die Feststellung einer gegenwärtigen erheblichen Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit. Bloße Erwägungen zur Rückfallwahrscheinlichkeit genügen dem nicht, zumal, wenn sie - wie vorliegend - nicht den Gesichtspunkt der Rückfallgeschwindigkeit in den Blick nehmen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 06.09.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 78/06 des BVerfG vom 05.09.2006

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