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Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 13.06.2007
1 BvR 1550/03; 1 BvR 2357/04; 1 BvR 603/05 -

BVerfG: Behörden dürfen Kontodaten abfragen - Vorschriften weitgehend verfassungsgemäß

In sozialrechtlichen Angelegenheiten verstoßen die Vorschriften allerdings gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz

Die im Jahr 2005 eingeführten Vorschriften zum automatischen Kontenabruf für Behörden sind im Wesentlichen verfassungsgemäß. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Bei vermutetem Sozialleistungsbetrug muss der Staat allerdings die Bedingungen noch präzisieren. Hier leiden die Vorschriften an einem Bestimmtheitsmangel.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerden unter anderem eines inländisches Kreditinstituts, eines Rechtsanwalts und Notars, einer Bezieherin von Wohngeld sowie eines Empfängers von Sozialhilfe sind im Wesentlichen § 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Kreditwesengesetz sowie § 93 Abs. 7 und 8 Abgabenordnung. Diese Normen ermächtigen die für die Leistung der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sowie die für die Strafverfolgung zuständigen Behörden und Gerichte, die Finanzbehörden und die Sozialbehörden zur automatisierten Abfrage von bestimmten Daten, die von den Kreditinstituten vorgehalten werden müssen. Dabei handelt es sich um die Kontostammdaten der Bankkunden und sonstigen Verfügungsberechtigten, wie z.B. Name, Geburtsdatum, Kontonummern und Depots. Kontenstände und -bewegungen können auf diese Weise nicht abgefragt werden. Informationen hierüber können sich die Behörden nur auf der Grundlage anderer Ermächtigungsnormen beschaffen.

Erfolgreich waren allein die Verfassungsbeschwerden der beiden Sozialleistungsempfänger, soweit sie sich gegen § 93 Abs. 8 AO richten. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass § 93 Abs. 8 AO, der die Erhebung von Kontostammdaten in sozialrechtlichen Angelegenheiten regelt, an einem Bestimmtheitsmangel leidet. Die Norm legt den Kreis der Behörden, die ein Ersuchen zum Abruf von Kontostammdaten stellen können, und die Aufgaben, denen solche Ersuchen dienen sollen, nicht hinreichend bestimmt fest. Im Übrigen aber ist die Eingriffsermächtigung des § 93 Abs. 8 AO verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere genügt sie - soweit der Anwendungsbereich in verfassungsgemäßer Weise auf die Sicherung der Erhebung von Sozialabgaben und die Bekämpfung des Missbrauchs von Sozialleistungen begrenzt wird - dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dem Gesetzgeber steht für eine verfassungsgemäße Neuregelung eine Frist bis zum 31. Mai 2008 zur Verfügung. Bis dahin bleibt die Regelung mit der Maßgabe anwendbar, dass Abrufersuchen nach ihr allein zu dem Zweck zulässig sind, die Leistungsberechtigung für die im Anwendungserlass des Bundesministeriums für Finanzen vom 10. März 2005 genannten Sozialleistungen zu überprüfen. § 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG (Kontenabfrage durch Strafverfolgungsbehörden) und § 93 Abs. 7 AO (Kontenabfrage durch Finanzbehörden) hingegen sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. § 93 Abs. 8 AO verletzt die beiden Beschwerdeführer, die Sozialleistungen empfangen, in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. § 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG und § 93 Abs. 7 AO sind dagegen mit dem Grundgesetz vereinbar.

1. Die in den angegriffenen Normen geregelten Datenabrufe greifen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Die auf ihrer Grundlage erfolgenden behördlichen Ermittlungen über Kontostammdaten können anschließende Maßnahmen vorbereiten, die ohne die erlangten Kenntnisse nicht möglich wären. Stellt sich anlässlich einer Kontenabfrage etwa heraus, dass der Betroffene über bislang unbekannte Konten oder Depots verfügt, kann die jeweils handelnde Behörde gegebenenfalls auf der Grundlage anderer Ermächtigungsnormen Informationen über deren Inhalt erheben. Solche Informationen ermöglichen einen Einblick in die Vermögensverhältnisse des Betroffenen und lassen - gezielt zusammengetragen - unter Umständen weitere Rückschlüsse auf sein Verhalten zu.

2. Regelungen, die zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ermächtigen, müssen Anlass, Zweck und Grenzen präzise festlegen. Diesem Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit wird § 93 Abs. 8 AO nicht gerecht. Die Norm legt den Kreis der Behörden, die zu Abrufersuchen berechtigt sein sollen, und die Aufgaben, denen solche Ersuchen dienen sollen, nicht präzise genug fest. § 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG und § 93 Abs. 7 AO hingegen genügen dem Bestimmtheitsgebot.

Der Anwendungsbereich von § 93 Abs. 8 AO und damit die Möglichkeit zur Kontenabfrage ist eröffnet, wenn die Sozialbehörde ein Gesetz anwendet, das an "Begriffe des Einkommensteuergesetzes" anknüpft. Selbst wenn man dies einengend in der Weise auslegt, dass ein Gesetz nur dann unter diese Vorschrift fällt, wenn es spezifisch einkommensteuerrechtliche Begriffe in Bezug nimmt, lässt sich der Norm weder eine gegenständliche Begrenzung des Anwendungsbereichs noch ein bereichsspezifischer Zweck der jeweiligen Datenerhebung entnehmen. Auch an spezifisch einkommensteuerrechtliche Begriffe können Gesetze aus den unterschiedlichsten Regelungsgebieten anknüpfen, etwa Normen aus nahezu dem gesamten Bereich der Leistungsverwaltung. Damit wird in § 93 Abs. 8 AO das Instrument des automatisierten Abrufs von Kontostammdaten für eine unübersehbare Vielzahl von Gesetzeszwecken zur Verfügung gestellt. Es ist nicht ersichtlich, dass die unbestimmte Fassung des § 93 Abs. 8 AO besonderen Regelungsschwierigkeiten geschuldet wäre. Mit der Norm sollen insbesondere der Missbrauch von Sozialleistungen und die Nichtabführung von Sozialabgaben bekämpft werden. Die auf solche Bereiche bezogenen behördlichen Ermittlungen lassen sich nach Anlass und Gegenstand typisieren und auf bestimmte normative Zusammenhänge zuschneiden. So wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die Gesetze, zu deren Vollzug ein Kontenabzug zulässig sein soll, in § 93 Abs. 8 AO enumerativ aufzuzählen.

§ 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG und § 93 Abs. 7 AO hingegen genügen dem Bestimmtheitsgebot. Die Normen benennen die zur Informationserhebung berechtigte Behörde sowie die tatbestandlichen Voraussetzungen des Kontenabrufs hinreichend präzise. Zudem wird deutlich, welche Informationen erhoben werden dürfen.

3. Die in § 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG und § 93 Abs. 7 AO enthaltenen Eingriffsermächtigungen genügen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Gleiches gilt für § 93 Abs. 8 AO, wenn die dargelegte Unbestimmtheit dieser Vorschrift in verfassungsgemäßer Weise behoben wird.

Die Vorschriften dienen Gemeinwohlbelangen von erheblicher Bedeutung. § 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG hat die wirksame Strafverfolgung und Rechtshilfe in Strafsachen zum Ziel; § 93 Abs. 7 AO verfolgt die steuerliche Belastungsgleichheit. Auch die Ziele von § 93 Abs. 8 AO haben erhebliches Gewicht, wenn der Anwendungsbereich dieser Norm auf die Verfolgung bedeutsamer Gemeinwohlbelange begrenzt wird, nämlich auf die Sicherung der Erhebung von Sozialabgaben und die Bekämpfung des Missbrauchs von Sozialleistungen.

Zu diesen Gemeinwohlbelangen stehen die durch die Regelungen ermöglichten Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht außer Verhältnis. Die durch den Kontenabruf erlangten Informationen - die bloßen Kontostammdaten - haben bei isolierter Betrachtung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz, zumal die Behörde über die Kontoinhalte nichts erfährt. Eine Unangemessenheit der angegriffenen Regelungen ergibt sich auch nicht insoweit, als Rechtsschutzmöglichkeiten infolge der Heimlichkeit des Abrufs begrenzt sind. Wird die Ermittlung gegenüber dem Betroffenen geheim gehalten, erhöht dies zwar die Intensität des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Diesen Umstand muss die Behörde aber bei der Entscheidung darüber berücksichtigen, ob im Einzelfall ohne vorherige Information des Betroffenen heimlich auf seine Kontostammdaten zugegriffen werden darf oder ob eine grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahme, wie etwa eine offene Datenerhebung, in Betracht kommt. Kontenabrufe stehen daher unter dem Gebot der Erforderlichkeit. Schließlich wahrt auch die Gestaltung der Eingriffsschwellen in den angegriffenen Normen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Normen erlauben Kontenabrufe nur im Rahmen konkreter Verdachtsmomente. Routinemäßige oder anlasslose Abrufe "ins Blaue hinein" sind danach unzulässig.

II. Die in den angegriffenen Normen vorgesehenen Datenabrufe verletzen dagegen nicht das Recht des beschwerdeführenden Kreditinstituts auf informationelle Selbstbestimmung. Das Interesse eines Kreditinstituts an der Geheimhaltung seiner Geschäftsbeziehungen ist nur insoweit grundrechtlich geschützt, als seine Beeinträchtigung auf die eigene wirtschaftliche Tätigkeit des Kreditinstituts zurückwirken kann. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, soweit - wie hier - die Geschäftsbeziehungen allein im Rahmen von Ermittlungen zur Kenntnis genommen werden, die sich gegen die Kunden richten.

III. § 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG und § 93 Abs. 7 AO verletzen nicht die Berufsfreiheit des beschwerdeführenden Rechtsanwalts und Notars. Die Maßnahmen, die auf der Grundlage der gerügten Normen ergriffen werden, beeinträchtigen das Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt/Notar und seinen Mandanten nicht. Ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen kann der Mandant eines Rechtsanwalts in dessen Verschwiegenheit nur insoweit entwickeln, als der Rechtsanwalt über entsprechende tatsächliche Möglichkeiten der Einflussnahme verfügt. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Normen sehen Informationserhebungen nicht bei den Rechtsanwälten, die Anderkonten für ihre Mandanten führen, sondern bei den kontoführenden Kreditinstituten vor. Kommt es zu einer solchen Erhebung, so realisiert sich ein Offenbarungsrisiko, das der Vereinbarung, bestimmte Gelder auf einem Bankkonto treuhänderisch zu verwalten, immanent ist und das der Rechtsanwalt von vorneherein nicht beherrschen kann.

IV. Die angegriffenen Normen werden auch den grundrechtlichen Anforderungen an einen tatsächlich wirkungsvollen Rechtsschutz gerecht. Das jeweilige Verfahrensrecht gewährleistet dem von einem Kontenabruf Betroffenen ein grundsätzliches Auskunftsrecht, von dem er spätestens dann auch tatsächlich Gebrauch machen kann, wenn die jeweilige Behörde das Ergebnis des Kontenabrufs mit für ihn nachteiligen Folgen verwertet hat. Bei der Anwendung der Normen, aus denen sich das Auskunftsrecht ergibt, haben die Behörde die Anforderungen der Rechtsschutzgarantie zu beachten. Insbesondere soweit den Finanzbehörden ein Auskunftsermessen zugestanden wird, ist dieses zugunsten des Betroffenen reduziert, wenn und solange nicht der Auskunftserteilung ein besonderes Geheimhaltungsinteresse von überwiegendem Gewicht entgegensteht. Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, eine Pflicht der jeweils handelnden Behörde zur Benachrichtigung des Betroffenen nach jedem Kontenabruf vorzusehen. Bleibt der Kontenabruf für den Betroffenen ohne nachteilige Folgen, wiegt dessen Feststellungs- und Unterlassungsinteresse nicht so schwer, dass ihm stets aktiv die für eine gerichtliche Geltendmachung erforderlichen Kenntnisse verschafft werden müssten.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 12.07.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 78/06 des BVerfG vom 12.07.2007

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