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Oberlandesgericht Hamm, Hinweisbeschluss vom 27.02.2015
20 U 26/15 -

Versicherungsnehmer muss bei Vertragsschluss zur Dread-Disease-Versicherung nicht ungefragt über unbestätigte Verdachtsdiagnosen aufklären

Spontane Anzeigepflicht durch § 19 Abs. 1 VVG abgeschafft

Ein Versicherungsnehmer muss bei Abschluss einer Dread-Disease-Versicherung nicht ungefragt über eine unbestätigte Verdachtsdiagnose aufklären. Denn dies würde auf eine Wiedereinführung der durch § 19 Abs. 1 des Ver­sicherungs­vertrags­gesetzes (VVG) abgeschafften spontanen Anzeigepflicht hinauslaufen. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall bestand zwischen den Parteien einer Dread-Disease-Versicherung Streit über deren Fortbestand. Bei einer Dread-Disease-Versicherung besteht Versicherungsschutz für den Eintritt von fest definierten schweren Krankheiten des Versicherungsnehmers. Sie wird daher auch als "Versicherung gegen gefürchtete Krankheiten" oder als "Schwere-Krankheiten-Vorsorge" bezeichnet. Der Versicherer warf der Versicherungsnehmerin vor im Rahmen der Antragstellung nicht über eine im Jahr 2005 während eines stationären Krankenhausaufenthalts geäußerten Verdachts auf Multiple Sklerose aufgeklärt zu haben. Der Versicherer focht daher den Versicherungsvertrag im April 2013 wegen arglistiger Täuschung an und trat vom Versicherungsvertrag wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten zurück. Eine Frage zu einer bestehenden Erkrankung wegen Multiple Sklerose stellte der Versicherungsvermittler nicht. Zudem handelte es sich um eine bloße Verdachtsdiagnose. Die Versicherungsnehmerin erhob daher Klage auf Feststellung, dass die Dread-Disease-Versicherung weiter bestehe.

Landgericht gab Klage statt

Das Landgericht Münster gab der Klage statt und bejahte somit das Bestehen des Versicherungsvertrags. Dagegen richtete sich die Berufung des Versicherers.

Oberlandesgericht bejaht ebenfalls Bestehen des Versicherungsvertrags

Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und beabsichtigte daher die Berufung des Versicherers zurückzuweisen. Die Dread-Disease-Versicherung bestehe weiter, da weder die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung noch der Rücktritt wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten wirksam gewesen sei.

Keine Aufklärungspflicht hinsichtlich ungefragter und unbestätigter Verdachtsdiagnosen

Die Versicherungsnehmerin sei nach Auffassung des Oberlandesgerichts nicht verpflichtet gewesen über den Verdacht einer Erkrankung wegen Multiple Sklerose aufzuklären. Würde man vom Versicherungsnehmer verlangen, eine nicht abgefragte und unbestätigte Verdachtsdiagnose mitzuteilen, laufe dies auf die Wiedereinführung einer weitgehenden spontanen Anzeigepflicht hinaus.

Spontane Anzeigepflicht nur in Ausnahmefällen

Eine spontane Anzeigepflicht könne sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts aus Treu und Glauben allenfalls dann ergeben, wenn es sich um die Mitteilung außergewöhnlicher und besonders grundlegender Informationen handele, die das Aufklärungsinteresse des Versicherers so grundlegend berühren, dass sich dem Versicherungsnehmer ihre Mitteilungsbedürftigkeit aufdrängen müsse. Um die mit § 19 Abs. 1 VVG bezweckte Abschaffung der spontanen Anzeigepflicht nicht zu unterlaufen, bedürfe es solcher Gefahrumstände, die so selten und fernliegend seien, dass dem Versicherer nicht vorzuwerfen sei, sie nicht abgefragt zu haben. Dies komme bei unbestätigten Verdachtsdiagnosen nicht im Ansatz in Betracht.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 16.06.2017
Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)

Vorinstanz:
  • Landgericht Münster, Urteil
    [Aktenzeichen: 115 O 71/14]
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Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR)
Jahrgang: 2015, Seite: 1551
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zfs 2015, 572

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