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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30.04.2009
- 2 BvR 2009/08 -
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnung einer Aussetzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe
Vollzugslockerungen sind relevant für die Aussetzungsentscheidung
Das Verhalten eines Gefangen bei Vollzugslockerungen stellt einen wichtigen Indikator für sein Verhalten in Freiheit dar und ist somit relevant für die Aussetzungsentscheidung. Eine Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnung der Aussetzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe hatte hier vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg.
Der 59 Jahre alte Beschwerdeführer verbüßt wegen Mordes eine lebenslange
Das Bundesverfassungsgericht hat die angegriffenen Beschlüsse aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Aussetzung des Restes der lebenslangen
Vollzugslockerungen haben für die Entscheidung besondere Bedeutung
Maßgeblich für die Entscheidung der Kammer waren folgende Erwägungen:
Ob die Aussetzung des Restes der lebenslangen
Wegen dieser besonderen Bedeutung von Vollzugslockerungen und weil die Verfassung Entscheidungen über die Freiheitsentziehung - zu denen die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zählt - alleine dem Richter anvertraut, dürfen sich die Gerichte im Aussetzungsverfahren nicht damit abfinden, dass die
Rechtmäßigkeit der Versagung von Lockerungen ungeprüft
Diesen Maßstäben werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht. Das Landgericht hat die Rechtmäßigkeit der Versagung von Lockerungen überhaupt nicht geprüft, sondern lediglich auf die noch nicht abgeschlossene gerichtliche Klärung der Rechtmäßigkeit der Lockerungsversagung im Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz verwiesen. Ein solches Vorgehen ist verfassungsrechtlich unhaltbar, auch deshalb, weil sonst Verzögerungen im Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, die vom Gefangenen nicht zu vertreten sind, ohne sachlichen Grund zu seinem Nachteil auf das Aussetzungsverfahren durchschlagen könnten. Auch das Oberlandesgericht hat die Erforderlichkeit einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Tragfähigkeit der (bisherigen) Verweigerung von Lockerungen verkannt. Mit dem Hinweis, dass von einer unberechtigten Versagung von Lockerungen deshalb keine Rede sein könne, weil der Beschwerdeführer mit seinem Verzicht auf eine Rechtsbeschwerde den Rechtsweg im Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz nicht ausgeschöpft habe, schließt das Oberlandesgericht die Rechtmäßigkeit der bisherigen Versagung von Lockerungen unzureichend aus der formellen Rechtskraft der die Entscheidung der
Spannungsverhältnis zwischen Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit und Freiheitsgrundrecht des Gefangenen
Bei rechtswidriger Versagung von Lockerungen über einen prognoserelevanten Zeitraum sind die daraus zu ziehenden Konsequenzen vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit und dem Freiheitsgrundrecht des Gefangenen zu finden. Dies schließt im Einzelfall eine Verwertung des Umstandes fehlender Erprobung verbunden mit dem Hinweis an die Vollzugsbehörde, dass Lockerungen nunmehr geboten sind, ebensowenig aus wie die - bei langen Haftzeiten nur ausnahmsweise in Betracht kommende - sofortige Freilassung, wenn dem Freiheitsgrundrecht nur noch auf diesem Wege zum Durchbruch verholfen werden kann. Daneben kommt auch ein Vorgehen nach § 454 a Abs. 1 StPO in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung anordnen, ohne dass dies zur sofortigen Entlassung des Gefangenen führt, indem das Gericht den zukünftigen Entlassungszeitpunkt so festlegt, dass der Vollzugsbehörde ein angemessener Zeitraum für eine aussagekräftige Erprobung zur Verfügung steht. Dies führt nicht notwendigerweise zu einer unangemessenen Risikoverlagerung auf die Allgemeinheit, denn das Vollstreckungsgericht kann die Strafaussetzung bis zur Entlassung des Betroffenen wieder aufheben, wenn aufgrund neu eingetretener oder bekanntgewordener Tatsachen - namentlich bei gefährlichkeitsindizierender Nichtbewährung des Betroffenen in den dann erforderlichen Lockerungen - unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden kann (§ 454 a Abs. 2 StPO). Es ist Sache der Vollstreckungsgerichte, die im Einzelfall angemessene Reaktion auf ein von der Vollzugsbehörde infolge rechtswidriger Versagung von Lockerungen zu verantwortendes Prognosedefizit zu finden. Diese Reaktion muss sich aber als hinreichend effektiv erweisen. Dies wird das Landgericht bei der neu zu treffenden Aussetzungsentscheidung zu beachten haben, wenn es aufgrund der - verfassungsrechtlich gebotenen - eigenständigen Prüfung zum Ergebnis kommt, dass Lockerungen seit Januar 2006 ohne hinreichenden Grund unterblieben sind.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 12.05.2009
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 49/09 des BVerfG vom 08.05.09
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Dokument-Nr. 7848
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