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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16.09.2022
1 BvR 1807/20 -

Erfolglose Verfassungs­beschwerde von Eltern gegen Sorgerechts­entziehung wegen des Verdachts der Kindesmisshandlung

Verdacht auf Misshandlung eines Kindes kann Sorgerechtsentzug rechtfertigen

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde von Eltern nicht zur Entscheidung angenommen, denen wegen des Verdachts erheblicher Misshandlungen ihres zu den Vorfallzeitpunkten nur wenige Monate alten Kindes weite Teile des Sorgerechts entzogen wurden. Das als Beschwerdegericht zuständige Oberlandesgericht hat sich nach Einholung mehrerer medizinischer Gutachten und weiterer ärztlicher Stellungnahmen auf der Grundlage einer ausführlichen Beweiswürdigung die Überzeugung verschafft, dass sowohl der bei dem Kind festgestellte Spiralbruch eines Oberschenkels als auch der im Verhältnis zum Gesichtsschädel überdimensionierte Gehirnschädel auf körperlichen Misshandlungen im elterlichen Haushalt und nicht auf einem Unfallgeschehen oder einer Erkrankung des Kindes beruhen. Aus den in der Vergangenheit zugefügten Misshandlungen leitete das Oberlandesgericht ab, dass das Kindeswohl im elterlichen Haushalt auch zukünftig erheblich gefährdet sein werde und entzog deshalb den Eltern insbesondere das Aufenthalts­bestimmungs­recht mit einer Folge einer Fremdunterbringung des Kindes.

Die Beschwerdeführenden sind die miteinander verheirateten Eltern ihres am 29. August 2017 geborenen Kindes. Im September 2017 kam es in ihrem Haushalt zu einem nicht genau aufklärbaren Vorfall, aufgrund dessen das Kind einen Spiralbruch des rechten Oberschenkels erlitt, der operativ versorgt werden musste. Die Mutter rief deshalb einen Rettungswagen, der das Kind in ein Krankenhaus brachte. Dort wurden der Oberschenkelbruch sowie drei Hämatome am Unterschenkel festgestellt, die nach Einschätzung der behandelnden Ärzte zu Griffmarken passten. Nachdem zunächst von sorgerechtlichen Maßnahmen abgesehen worden war, wurde im November 2017 bei einer Untersuchung des Kindes festgestellt, dass der Gehirnschädel im Verhältnis zum Gesichtsschädel überdimensional war (Macrocephalie) und dass die Fontanelle vorgewölbt und gespannt war. Der Kopfumfang war bis dahin fortlaufend gemessen worden. Die Ärzte vermuteten ein Schütteltrauma und eine Misshandlung des Kindes durch die Beschwerdeführenden. Sie informierten das Jugendamt, das das Kind im Einverständnis mit den Eltern in Obhut nahm. Auch nach einer Untersuchung mittels Ultraschall und Magnetresonanztomographie (MRT) nahmen die Ärzte ein Schütteltrauma und die Einlagerung von Blut im Kopfbereich des Kindes an. Die Beschwerdeführenden erklärten, sich keinerlei Handlungen bewusst zu sein, die zu einem Schütteltrauma hätten führen können.

Sorgerecht wegen Verdachts auf Kindesmisshandlung weitgehend entzogen

Das Amtsgericht hatte daraufhin den Eltern weite Teil des Sorgerechts, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht, entzogen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Eltern wies das Oberlandesgericht zurück. Nach seiner Prognose würde es für den Fall der Rückkehr des Kindes zu den Eltern mit hoher Wahrscheinlichkeit in überschaubarer Zeit aufgrund eines Erziehungsversagens eines Elternteils oder beider Elternteile zu einer erheblichen Schädigung der körperlichen Unversehrtheit des Kindes kommen. Die Prognose beruhe darauf, dass innerhalb der ersten drei Lebensmonate des Kindes zwei separate erhebliche Verletzungen entstanden seien, die beide Anlass für Rückschlüsse auf für die Zukunft relevante Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit der Eltern gäben. Der Vater habe im September 2017 aufgrund groben Erziehungsversagens den rechten Oberschenkel des Kindes mit massiver Gewalt verdreht und gebrochen. Zudem sei es zwischen Oktober und November 2017 zu einer Einblutung zwischen harter und weicher Hirnhaut und einem Subduralhämatom gekommen. Das ursächliche Ereignis sei entweder eine massive zielgerichtete gewalttätige Einwirkung eines der Elternteile auf den Körper des Kindes oder zumindest ein Sturz des Kindes aus einer Höhe von mindestens 90 cm mit Aufprallen auf dem Kopf, den die Eltern jedenfalls bemerkt hätten, ohne die erforderliche medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auf welche Beweismittel und sonstigen Umstände das Oberlandesgericht seine Überzeugung von den vorgenannten Vorfällen stützt, hat es im von den die Verfassungsbeschwerde führenden Eltern angegriffenen Beschluss ausführlich dargelegt. Die Eltern sahen sich dadurch vor allem in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

BVerfG verneint Verletzung des Elternrechts

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde zeigt die Möglichkeit einer Verletzung des Elternrechts der Beschwerdeführenden aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht auf. Das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Art. 6 Abs. 3 GG erlaubt eine räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern nur unter der strengen Voraussetzung, dass das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre. Eine solche Gefährdung des Kindes ist dann anzunehmen, wenn bei ihm bereits ein Schaden eingetreten ist oder sich eine erhebliche Gefährdung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Ob eine Trennung des Kindes von der Familie verfassungsrechtlich zulässig und zum Schutz der Grundrechte des Kindes verfassungsrechtlich geboten ist, hängt danach regelmäßig von einer Gefahrenprognose ab. Dem muss die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens Rechnung tragen. Das gerichtliche Verfahren muss geeignet und angemessen sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die vom Gericht anzustellende Prognose über die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu erlangen. Bei dieser Prognose, ob eine solche erhebliche Gefährdung vorauszusehen ist, muss von Verfassungs wegen die drohende Schwere der Beeinträchtigung des Kindeswohls berücksichtigt werden. Je gewichtiger der zu erwartende Schaden für das Kind oder je weitreichender mit einer Beeinträchtigung des Kindeswohls zu rechnen ist, desto geringere Anforderungen müssen an den Grad der Wahrscheinlichkeit gestellt werden, mit der auf eine drohende oder erfolgte Verletzung geschlossen werden kann, und desto weniger belastbar muss die Tatsachengrundlage sein, von der auf die Gefährdung des Kindeswohl geschlossen wird. Aus der Begründung der Verfassungsbeschwerde und den vorgelegten Unterlagen ergibt sich nicht, dass die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts diesen Anforderungen nicht genügt. Insbesondere werden deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die zu einer Verletzung des Rechts der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG führen können, nicht aufgezeigt. Das Oberlandesgericht hat ohne erkennbare verfassungsrechtlich relevante Fehler festgestellt, dass das Kind durch ein schweres Erziehungsversagen und eine bewusst gesteuerte Handlung des Vaters im September 2017 einen Spiralbruch des Oberschenkels und dass es durch einen weiteren Vorfall zwischen Oktober und November 2017 ein Subduralhämatom erlitten hat. Die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts weisen keine deutlichen Fehler auf, aus denen eine Verletzung des Elternrechts der Beschwerdeführenden folgen könnte.

Herangezogenes Beweismaß verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden

Das vom Oberlandesgericht hierbei herangezogene Beweismaß ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat in Übereinstimmung mit der fachrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Grundsätze der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zurückgegriffen und als Maß für den Beweis einen Grad von Gewissheit ausreichen lassen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Die hier vorzunehmende strenge verfassungsrechtliche Prüfung der Sachverhaltsfeststellung und -würdigung des Beschwerdegerichts gebietet keinen höheren Grad der Gewissheit. Dies liefe auf die Notwendigkeit einer in jeder Hinsicht unumstößlichen Sicherheit hinaus, die im Ergebnis praktisch unerfüllbare Anforderungen an den Beweis stellte. Angesichts der drohenden erheblichen Schädigungen des Kindeswohls sind keine erhöhten Anforderungen an die richterliche Überzeugung im Rahmen der Beweiswürdigung zu stellen. Die verfassungsrechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung erstreckt sich auch im Fall einer nach Art. 6 Abs. 3 GG zu beurteilenden Trennung des Kindes von seinen Eltern trotz der intensiveren Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nur darauf, ob die Feststellungen auf einer tragfähigen Grundlage beruhen und ob sie nachvollziehbar begründet sind. Ferner hat das Oberlandesgericht aufgrund der notwendigen Begehungsweise ohne erkennbare Rechtsfehler in der Beweiswürdigung festgestellt, dass der Vater zumindest in dem Bewusstsein gehandelt haben muss, dem Kind Schmerzen zuzufügen und es womöglich schwer zu verletzen, und es schließt einen bloßen ungeschickten Umgang mit dem Kind als Ursache der Verletzung nachvollziehbar aus. Es hat sich mit Hilfe der Behandlungsunterlagen, der Berichte der behandelnden Ärzte und rechtsmedizinischer Sachverständigengutachten davon überzeugt, dass es sich bei der Verletzung um einen Spiralbruch des Oberschenkels handelt, dessen Entstehung sowohl eine Drehbewegung als auch eine starke Beugung des Oberschenkels und insbesondere eine massive Gewalteinwirkung erfordert. Weiterhin schließt das Oberlandesgericht mit Hilfe der auf ihrer wissenschaftlichen Sachkunde beruhenden Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen die von den Beschwerdeführenden vorgebrachten alternativen Geschehensabläufe wie eine Eigenbewegung des Kindes oder einen Sturz, nachdem das Kind aus den Armen gerutscht ist, in nicht zu beanstandender Weise aus. Entgegen der Behauptung der Eltern ist insoweit nicht erkennbar, dass die Ausführungen der Sachverständigen auf Vermutungen beruhen. Vielmehr stützen sich die Ausführungen ausweislich der Darstellung der Sachverständigengutachten auf die vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die notwendige Entstehungsweise der Verletzung, aus der die Sachverständigen und ihnen folgend das Oberlandesgericht auf die dazu erforderlichen Vorgänge schließen. Ebenso stellt das Oberlandesgericht ohne erkennbare Fehler fest, dass das Kind durch einen weiteren Vorfall zwischen Oktober und November 2017 ein Subduralhämatom erlitten hat und dass mindestens ein Elternteil das Verletzungsgeschehen zumindest mitbekommen haben muss. Weder die Feststellung, dass das Kind ein Subduralhämatom erlitten hat noch die Feststellung, dass diese Verletzung im vorgenannten Zeitraum erfolgt ist und dass sie durch ein Geschehen entstanden sein muss, das zumindest ein Elternteil bemerkt hat, ist verfassungsrechtlich zu beanstanden.

Fehlende vollständige Aufklärung steht Annahme der Kindeswohlgefährdung nicht entgegen

Das Oberlandesgericht hat in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise festgestellt, dass das Kind ein Subduralhämatom erlitten hat. Es hat nachvollziehbar und unter Bezugnahme auf die verschiedenen medizinischen Sachverständigengutachten dargelegt, dass bei einer MRT-Untersuchung im November 2017 ein subdurales Hygrom erkannt worden sei. Zwar hat die radiologische Sachverständige insoweit erklärt, dass aufgrund einer rein radiologischen Beurteilung nicht auf ein Subduralhämatom geschlossen werden könne, weil lediglich eine Ansammlung einer anderen Flüssigkeit als Hirnflüssigkeit radiologisch festzustellen sei. Entgegen der Ansicht der Eltern stützt das Oberlandesgericht seine Feststellung aber nicht alleine hierauf, sondern insbesondere auf die Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. B. Aufgrund dieser Ausführungen hat das Oberlandesgericht sämtliche anderen möglichen Ursachen des subduralen Hygroms als eine vorangegangene Subduralblutung ausgeschlossen. Es hat ausführlich dargelegt, warum es eine Stoffwechselerkrankung als mögliche Ursache dieser Flüssigkeitsansammlung ausschließt. Nicht zu beanstanden ist insoweit, dass das Oberlandesgericht auf eine aufwändige, nur durch ein Labor im Ausland mögliche Untersuchung zum vollständigen Ausschluss dieser Krankheit verzichtet hat, nachdem sonstige typische Symptome dieser Krankheit nicht erkennbar sind, sowohl ein Neugeborenenscreening als auch eine molekulargenetische Untersuchung keine Hinweise auf das Vorliegen dieser Krankheit ergeben haben und die Sachverständige Dr. B. unter Bewertung aller Faktoren das Vorliegen dieser Krankheit als medizinisch ausgeschlossen angesehen hat. Mit den hier maßgeblichen strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Feststellung und Würdigung ist es vereinbar, dass das Oberlandesgericht sich nicht veranlasst gesehen hat, einem behaupteten alternativen Ursachenzusammenhang nachzugehen, für dessen Vorliegen die sonstigen beanstandungsfrei gewonnenen Beweisergebnisse keine konkreten Anhaltspunkte ergeben haben. Auch die Feststellung, dass die Subduralblutung wenn nicht durch eine Misshandlung des Kindes durch starkes Schütteln zumindest durch einen schweren Unfall, insbesondere durch ein Sturzereignis aus einer Höhe von mindestens 90 cm, verursacht wurde, ist nachvollziehbar begründet und beruht auf einer hinreichenden Grundlage. Insofern hat das Oberlandesgericht mit Hilfe der medizinischen Sachverständigen die möglichen Verletzungsursachen überzeugend auf diese Möglichkeiten eingegrenzt. Angesichts dieses Hergangs der Verletzungen ist auch die Schlussfolgerung überzeugend, dass mindestens ein Elternteil das Geschehen zumindest mitbekommen hat, ohne medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 15.11.2022
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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