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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 07.07.2009
- 1 BvR 1164/07 -
Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenrente verfassungswidrig
Bundesverfassungsgericht sieht Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt
Anders als bei der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es im Rahmen der Zusatzversorgung der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nach der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder keine Hinterbliebenenrente für eingetragene Lebenspartner. Eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde war erfolgreich, da es sich hier um eine Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft handelt und das Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt wird. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
Im zugrunde liegenden Fall wandte sich der Beschwerdeführer, der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, erfolglos vor den Zivilgerichten gegen die
Das Bundesverfassungsgericht gab seiner Verfassungsbeschwerde nun statt und hob das letztinstanzliche Urteil des Bundesgerichtshofs insoweit auf und wies die Sache an ihn zurück.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Begünstigung darf nicht bestimmtem Personenkreis vorenthalten werden
1. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Die Satzung der VBL ist ungeachtet ihrer privatrechtlichen Natur unmittelbar am Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen, da die VBL als Anstalt des öffentlichen Rechts eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt.
Regelung zur Hinterbliebenenrente führt zu Ungleichbehandlung
2. Die Regelung zur Hinterbliebenenrente in der Satzung der VBL (§ 38 VBLS) führt zu einer
Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt
3. Diese
a) Im Hinblick auf die
Keine sachlichen Gründe für Ungleichbehandlung vorhanden
b) Zur Begründung der
Gründe, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, liegen nicht vor
Geht die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht. Denn aus der Befugnis, in Erfüllung und Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Förderauftrags die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, lässt sich kein in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenes Gebot herleiten, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen. Es ist verfassungsrechtlich nicht begründbar, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind. Hier bedarf es jenseits der bloßen Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der gemessen am jeweiligen Regelungsgegenstand und -ziel die Benachteiligung anderer Lebensformen rechtfertigt.
Schlechtere Behandlung von Lebenspartner nicht gerechtfertigt
c) Es sind keine einfachrechtlichen oder tatsächlichen Unterschiede erkennbar, die es rechtfertigen, eingetragene Lebenspartner in Bezug auf die
Unterhaltslücken sind nach gleichen Maßstäben zu bemessen
Die
„Versorgerehe“ kann nicht mehr als Maßstab dienen
Ein Grund für die Unterscheidung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft kann auch nicht darin gesehen werden, dass typischerweise bei Eheleuten wegen Lücken in der Erwerbsbiographie aufgrund von Kindererziehung ein anderer Versorgungsbedarf bestünde als bei Lebenspartnern. Nicht in jeder Ehe gibt es Kinder. Es ist auch nicht jede Ehe auf Kinder ausgerichtet. Ebenso wenig kann unterstellt werden, dass in Ehen eine Rollenverteilung besteht, bei der einer der beiden Ehegatten deutlich weniger berufsorientiert wäre. Das in der gesellschaftlichen Realität nicht mehr typusprägende Bild der „Versorgerehe“, in der der eine Ehepartner den anderen unterhält, kann demzufolge nicht mehr als Maßstab der Zuweisung von Hinterbliebenenleistungen dienen.
Kinder sind ebenfalls Teil eingetragener Lebenspartnerschaften
Umgekehrt ist in eingetragenen Lebenspartnerschaften eine Rollenverteilung dergestalt, dass der eine Teil eher auf den Beruf und der andere eher auf den häuslichen Bereich einschließlich der Kinderbetreuung ausgerichtet ist, ebenfalls nicht auszuschließen. In zahlreichen eingetragenen Lebenspartnerschaften leben Kinder, insbesondere in solchen von Frauen. Der Kinderanteil liegt bei eingetragenen Lebenspartnerschaften zwar weit unter dem von Ehepaaren, ist jedoch keineswegs vernachlässigbar.
Zudem können etwaige Kindererziehungszeiten oder ein sonstiger individueller Versorgungsbedarf unabhängig vom Familienstand konkreter berücksichtigt werden, wie es sowohl im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung als auch in der Satzung der VBL bereits geschieht.
Verstoß gegen Grundrecht führt zu Unwirksamkeit der Versicherungsklausel
4. Verstoßen Allgemeine Versicherungsbedingungen - wie hier die Satzung der VBL - gegen Art. 3 Abs. 1 GG, so führt dies nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Unwirksamkeit der betroffenen Klauseln. Hierdurch entstehende Regelungslücken können im Wege ergänzender Auslegung der Satzung geschlossen werden. Der Gleichheitsverstoß kann nicht durch bloße Nichtanwendung des § 38 VBLS beseitigt werden, weil ansonsten Hinterbliebenenrenten auch für Ehegatten ausgeschlossen wären. Der mit der
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Die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zusatzversichert sind, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
Geht die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe gemäß Art. 6 Abs. 1 GG eine solche Differenzierung nicht.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.10.2009
Quelle: ra-online, BVerfG
- Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 26.03.2004
[Aktenzeichen: 6 O 968/03] - Eingetragene Lebenspartner sind Ehegatten in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nicht gleichgestellt
(Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 21.10.2004
[Aktenzeichen: 12 U 195/04]) - Homo-Ehe und Altersversorgung im öffentlichen Dienst - Eingetragener Lebenspartner ist Ehepartner nicht gleichzustellen
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.02.2007
[Aktenzeichen: IV ZR 267/04])
Fundierte Fachartikel zum diesem Thema beim Deutschen Anwaltsregister:
Jahrgang: 2009, Seite: 1510 DVBl 2009, 1510 | Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ)
Jahrgang: 2009, Seite: 1977 FamRZ 2009, 1977 | Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR)
Jahrgang: 2009, Seite: 1392 MDR 2009, 1392 | Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)
Jahrgang: 2010, Seite: 1439 NJW 2010, 1439 | Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR)
Jahrgang: 2009, Seite: 1607 VersR 2009, 1607 | Zeitschrift: Verbraucher und Recht (VuR)
Jahrgang: 2010, Seite: 73 VuR 2010, 73
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Dokument-Nr. 8649
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