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Bundessozialgericht, Urteil vom 08.05.2019
B 14 AS 6/18 R und B 14 AS 13/18 R -

Härtefall-Mehrbedarf: Jobcenter muss Kosten für Schulbücher übernehmen

Mangels Lernmittelfreiheit selbst zu kaufende Bücher sind nicht vom Regelbedarf erfasst

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass die Kosten für Schulbücher vom Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf zu übernehmen sind, wenn Schüler mangels Lernmittelfreiheit ihre Schulbücher selbst kaufen müssen.

Die Kosten für Schulbücher sind zwar dem Grunde nach vom Regelbedarf erfasst, nicht aber in der richtigen Höhe, wenn keine Lernmittelfreiheit besteht. Denn der Ermittlung des Regelbedarfs liegt eine bundesweite Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zugrunde. Deren Ergebnis für Schulbücher ist folglich nicht auf Schüler übertragbar, für die anders als in den meisten Bundesländern keine Lernmittelfreiheit in der Oberstufe gilt.

Jobcenter muss Kosten für Schulbücher mangels Lehrmittelfreiheit als Härtefall-Mehrbedarf tragen

Daher sind Schulbücher für Schüler, die sie mangels Lernmittelfreiheit selbst kaufen müssen, durch das Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf nach § 21 Absatz 6 SGB II zu übernehmen. Dieser Mehrbedarf wurde aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz eingeführt.

Härtefall-Mehrbedarf ist verfassungskonform auszulegen

Der Härtefall-Mehrbedarf soll Sondersituationen, in denen ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf auftritt, und sich der Regelbedarf als unzureichend erweist, Rechnung tragen und ist verfassungskonform auszulegen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil v. 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - und Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvL 1691/13 -).

Konflikte zwischen Bund und Ländern darf nicht auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werden

Aus der Kultushoheit der Länder folgt nichts anderes. Mögliche Konflikte zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Finanzierung der Schulbildung dürfen nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werden. Ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 SGB II scheidet aus, weil dieses einen vom Regelbedarf zutreffend erfassten Bedarf voraussetzt, was bei fehlender Lernmittelfreiheit gerade nicht der Fall ist.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 08.05.2019
Quelle: Bundessozialgericht/ra-online (pm/kg)

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Kommentare (1)

 
 
Stinkstiefel schrieb am 08.05.2019

Immer wieder erstaunlich, was alles in dem soziokulturellem Existenzminimum enthalten ist. Nahrung, Kommunikation, Haushaltsgeräte, Kleidung, Theater- und Kinobesuche, Kosten für Schulutensilien und -ausflüge, Brillen und und und.

Wie viele Jahre lang müsste man die dafür vorgesehenen Cents eigentlich sparen, um die ganzen großspurig inkludierten Sonderbelastungen wirklich realisieren zu können?

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