wichtiger technischer Hinweis:
Sie sehen diese Hinweismeldung, weil Sie entweder die Darstellung von Cascading Style Sheets (CSS) in Ihrem Browser unterbunden haben, Ihr Browser nicht vollst�ndig mit dem Standard HTML 5 kompatibel ist oder ihr Browsercache die Stylesheet-Angaben 'verschluckt' hat. Lesen Sie mehr zu diesem Thema und weitere Informationen zum Design dieser Homepage unter folgender Adresse:   ->  weitere Hinweise und Informationen


kostenlose-Urteile.de
Donnerstag, 25. April 2024

kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH


Bitte geben Sie Ihren Suchbegriff für die Urteilssuche ein:
unsere Urteilssuche



Logo des Deutschen Anwaltsregister (DAWR)

BewertungssternBewertungssternBewertungssternBewertungssternBewertungsstern5/0/5(2)
Hier beginnt die eigentliche Meldung:

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 02.03.2017
BVerwG 3 C 19.15 -

Zugang zu Betäubungsmitteln zur schmerzlosen Selbsttötung darf in extremen Ausnahmefällen nicht verwehrt werden

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hätte Prüfung eines Ausnahmefalls vornehmen müssen

Das allgemeine Persönlichkeits­recht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasst auch das Recht eines schwer und unheilbar kranken Patienten, zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben beendet werden soll, vorausgesetzt, er kann seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln. Daraus kann sich im extremen Einzelfall ergeben, dass der Staat den Zugang zu einem Betäubungsmittel nicht verwehren darf, das dem Patienten eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Ehefrau des Klägers litt seit einem Unfall im Jahr 2002 unter einer hochgradigen, fast kompletten Querschnittslähmung. Sie war vom Hals abwärts gelähmt, musste künstlich beatmet werden und war auf ständige medizinische Betreuung und Pflege angewiesen. Häufige Krampfanfälle verursachten starke Schmerzen. Wegen dieser von ihr als unerträglich und entwürdigend empfundenen Leidenssituation hatte sie den Wunsch, aus dem Leben zu scheiden. Ihren Sterbewunsch hatte sie mit ihrem Ehemann, der gemeinsamen Tochter, den behandelnden Ärzten, einem Psychologen, dem Pflegepersonal und einem Geistlichen besprochen. Im November 2004 beantragte sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis eines Betäubungsmittels. Das BfArM lehnte den Antrag im Dezember 2004 ab, weil eine Erlaubnis mit dem Ziel der Selbsttötung nicht vom Zweck des Betäubungsmittelgesetzes gedeckt sei. Im Februar 2005 reisten der Kläger und seine Frau in die Schweiz, wo sie sich mit Unterstützung eines Vereins für Sterbehilfe das Leben nahm.

Vorinstanzen halten Versagung der beantragten Erlaubnis nach den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes für gerechtfertigt

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage auf Feststellung, dass der Versagungsbescheid rechtswidrig und das BfArM zur Erlaubniserteilung verpflichtet gewesen sei, wies das Verwaltungsgericht Köln im Februar 2006 als unzulässig ab. Es war der Auffassung, dass der Kläger nicht klagebefugt sei, weil er durch die Ablehnung der von seiner Ehefrau beantragten Erlaubnis nicht in eigenen Rechten verletzt sein könne. Das Rechtsmittel vor dem Oberverwaltungsgericht Münster sowie die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht blieben ohne Erfolg. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied mit Urteil vom 19. Juli 2012, dass der Kläger aus dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) einen Anspruch darauf habe, dass die nationalen Gerichte die Begründetheit der Klage prüften. In dem daraufhin wiederaufgenommenen Klageverfahren wurde das Feststellungsbegehren des Klägers von den Vorinstanzen als unbegründet abgewiesen. Das BfArM habe zu Recht angenommen, dass die beantragte Erlaubnis nach den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes zu versagen sei. Darin liege auch weder ein Verstoß gegen Grundrechte noch gegen Rechte und Freiheiten nach der EMRK.

Patienten in Extremsituationen darf Zugang zu Betäubungsmitteln zur würdigen und schmerzlosen Selbsttötung nicht verwehrt werden

Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht die Urteile der Vorinstanzen geändert und festgestellt, dass der Versagungsbescheid des BfArM rechtswidrig gewesen ist. Im Übrigen hat es die Revision zurückgewiesen. Nach den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes ist es grundsätzlich nicht möglich, den Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung zu erlauben. Hiervon ist im Lichte des genannten Selbstbestimmungsrechts in Extremfällen eine Ausnahme für schwer und unheilbar kranke Patienten zu machen, wenn sie wegen ihrer unerträglichen Leidenssituation frei und ernsthaft entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, und ihnen keine zumutbare Alternative - etwa durch einen palliativmedizinisch begleiteten Behandlungsabbruch - zur Verfügung steht. Ihnen darf der Zugang zu einem verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel, das eine würdige und schmerzlose Selbsttötung erlaubt, nicht verwehrt sein. Deshalb hätte das BfArM prüfen müssen, ob hier ein solcher Ausnahmefall gegeben war. Diese Prüfung lässt sich nach dem Tod der Ehefrau des Klägers nicht mehr nachholen. Eine Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz zur weiteren Sachverhaltsaufklärung scheidet daher ebenso aus wie die Feststellung, dass das BfArM zur Erlaubniserteilung verpflichtet gewesen wäre.

Werbung

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 03.03.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Dokument-Nr.: 23940 Dokument-Nr. 23940

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://www.kostenlose-urteile.de/Urteil23940

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Schicken Sie uns Ihr Urteil!Ihre Kanzlei hat interessante, wichtige oder kuriose Fälle vor Gericht verhandelt?
Senden Sie uns diese Entscheidungen doch einfach für kostenlose-urteile.de zu. Unsere Redaktion schaut gern, ob sich das Urteil für eine Veröffentlichung eignet.
BewertungssternBewertungssternBewertungssternBewertungssternBewertungssternBewertung: 5 (max. 5)  -  2 Abstimmungsergebnisse Bitte bewerten Sie diesen Artikel.0

Kommentare (0)

 
 

Werbung

Drucken
 
Sie brauchen Hilfe vom Profi?