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Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.11.2013
I ZR 15/12 -

Keine unzulässige Werbung eines Rechtsanwalts bei Anschreiben eines potentiellen Mandanten in Kenntnis eines konkreten Beratungsbedarfs

Anschreiben darf weder belästigend, nötigend noch überrumpelnd sein

Ein Rechtsanwalt darf einen potentiellen Mandanten in Kenntnis eines konkreten Beratungsbedarfs anschreiben und seine Dienste anbieten. Darin liegt kein Verstoß gegen das Werbeverbot des § 43 b BRAO. Das Anschreiben darf aber weder belästigend, nötigend noch überrumpelnd sein. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kommanditisten einer in Insolvenz befindlichen Fondsgesellschaft wurden vom Insolvenzverwalter auf Rückzahlung der Ausschüttungen in Anspruch genommen. Ein Rechtsanwalt verschickte daraufhin im September 2010 an mehrere Kommanditisten der Fondsgesellschaft unaufgefordert und an den jeweiligen Empfänger persönlich adressiert ein Schreiben. In diesem Schreiben informierte der Rechtsanwalt über die Möglichkeit einer Verteidigung und bot seine Dienste an. Ein konkurrierender Rechtsanwalt hielt das Schreiben für eine unzulässige Werbung und klagte auf Unterlassung.

Landgericht wies Klage ab, Oberlandesgericht gab ihr statt

Während das Landgericht München I die Klage abwies, gab ihr das Oberlandesgericht München statt. Seiner Ansicht nach habe das Schreiben gegen das Werbeverbot des § 43 b BRAO verstoßen. Denn der Beklagte habe potentielle Mandanten, bei denen ein konkreter Beratungsbedarf bestand, umworben. Dies sei unzulässig gewesen. Gegen die Entscheidung legte der Beklagte Revision ein.

BGH: Kein Verstoß gegen Werbeverbot

Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Beklagten und hob das Berufungsurteil auf. Das Schreiben des Beklagten habe nicht gegen das Werbeverbot des § 43 b BRAO verstoßen. Nach dieser Vorschrift sei einem Rechtsanwalt zwar Werbung nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich informiert und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Die Regelung müsse jedoch im Hinblick auf die Richtlinie 2006/123/EG vom 12.12.2006 anhand des Maßstabs des Art. 24 der Richtlinie ausgelegt werden.

Richtlinienkonforme Auslegung des § 48 b BRAO

Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 48 b BRAO habe ergeben, so der Bundesgerichtshof, dass ein Werbeverbot zum Schutz des potentiellen Mandanten vor einer Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit durch Belästigung, Nötigung und Überrumpelung gerechtfertigt sein kann. Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung sei neben der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit, der Würde oder der Integrität der Rechtsanwaltschaft auch Art und Grad der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers durch Form, Inhalt oder das verwendete Mittel der Werbung zu berücksichtigen. Dies zugrunde gelegt, hielten die Bundesrichter das Anschreiben des Beklagten für zulässig. Es habe weder die Entscheidungsfreiheit der Angeschriebenen beeinträchtigt, noch habe es belästigende oder bedrängende Elemente enthalten.

Anschreiben in Kenntnis des Beratungsbedarfs nicht unzulässig

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stelle zudem das Anschreiben eines potentiellen Mandanten auch in Kenntnis von dessen konkreten Beratungsbedarf keine unzulässige Werbung dar. Denn in dieser Situation bestehe gerade ein Interesse an einer bedarfsgerechten sachlichen Werbung.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 03.01.2014
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

Vorinstanzen:
  • Landgericht München I, Urteil vom 08.02.2011
    [Aktenzeichen: 1 HKO 18466/10]
  • Oberlandesgericht München, Urteil vom 12.01.2012
    [Aktenzeichen: 6 U 813/11]
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MDR 2014, 103
 | Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)
Jahrgang: 2014, Seite: 554
NJW 2014, 554

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