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die zehn aktuellsten Urteile, die zum Schlagwort „Recht auf faires Verfahren“ veröffentlicht wurden
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.06.2020
- VIII B 151/19 -
Zwingende Terminsverlegung bei Terminbestimmung durch Gericht kurz nach Mandatsniederlegung in schwierigem Fall und in Hauptferienzeit
Beauftragung eines neuen Anwalts rechtzeitig vor mündlicher Verhandlung schwierig
Bestimmt ein Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung kurz nach dem der Anwalt einer Partei das Mandat niedergelegt hat, so muss es den Termin auf Antrag verlegen, wenn die Mandatsniederlegung in der Hauptferienzeit geschieht und der Fall schwierig ist. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte das Finanzgericht München im Sommer 2019 über einen schwierigen Fall zur Zurechnung von Einkünften aus einer ausländischen Familienstiftung zu entscheiden. In diesem Zusammenhang bestimmte es einen Tag nach dem das Gericht erfuhr, dass der Anwalt des Klägers das Mandat niedergelegt hat einen Termin zur mündlichen Verhandlung. Der Termin sollte in etwas über einen Monat später stattfinden. Der Kläger bemühte sich in der Folgezeit einen anderen Anwalt zu beauftragen. Dies gelang ihm jedoch bis kurz vor dem Termin nicht. Er bat das Gericht daher um Verlegung des Termins. Dies lehnte das Gericht ab. Zum Termin erschien... Lesen Sie mehr
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Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss vom 08.09.2016
- (2 Z) 53 Ss-OWi 343/16 (163/16) -
Betroffenem eines Bußgeldverfahrens muss Einsicht in die Wartungs- und Reparaturunterlagen des Messgeräts gewährt werden
Bei verweigerter Einsicht durch Gericht liegt Verstoß gegen Grundsatz des fairen Verfahrens vor
Dem Betroffenen eines Bußgeldverfahrens steht das Recht zu, Einsicht in die Wartungs- und Reparaturunterlagen des Messgeräts zu nehmen. Wird ihm dieses Recht durch das Gericht verweigert, liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vor. Dies hat das Oberlandesgericht Brandenburg entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall wurde ein Autofahrer im April 2016 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vom Amtsgericht Strausberg zu einer Geldbuße von 120 EUR verurteilt. Dagegen legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein. Er führte an, dass sein Verteidiger bereits nach Erhalt des Bußgeldbescheids bei der zuständigen Behörde die Einsicht in die Wartungs-... Lesen Sie mehr
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 23.10.2014
- 54648/09 -
EGMR: Erhebliche Strafmilderung bei einer Tatprovokation durch verdeckte Ermittler stellt keine angemessene Wiedergutmachung dar
Tatprovokation verletzt Recht auf faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK
Wird ein Straftäter durch verdeckte Ermittler zur Begehung der Tat provoziert, liegt ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vor. Zur Wiedergutmachung genügt es nicht, dass das Strafgericht die Tatprovokation erheblich strafmildernd berücksichtigt. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall wurde ein Mann im Oktober 2008 vom Landgericht Aachen wegen Rauschgifthandelns in zwei Fällen zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Der Mann half dabei Kokain und Amphetamine nach Deutschland zu schaffen. Bei der Verurteilung wurde in erheblicher Weise strafmildernd berücksichtigt, dass der Mann durch zwei verdeckte Ermittler der Polizei zur Tat verleitet... Lesen Sie mehr
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Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 30.01.2015
- 26 U 5/14 -
Gerichte müssen in Arzthaftungsprozessen in besonderem Maße für ein faires Verfahren sorgen
Medizinisch nicht sachkundiger Partei muss bei Vorliegen eines gerichtlichen Gutachtens Gelegenheit zur Stellungnahme zu schwierigen medizinischen Fragen gegeben werden
In einem Arzthaftungsprozess hat das zuständige Gericht in besonderem Maße für ein faires Verfahren zu sorgen, weil es typischerweise ein Informationsgefälle zwischen der ärztlichen Seite und dem Patienten gibt, das auszugleichen ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm hervor, das damit die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Bielefeld aufgehoben und einen Arzthaftungsprozess zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Bielefeld zurückverwiesen hat.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der im Jahre 2005 geborene, im Prozess durch seine Eltern aus Gütersloh vertretene Kläger verlangt vom Träger des beklagten Krankenhauses in Gütersloh und von den ihn während der Schwangerschaft seiner Mutter und während der Geburt behandelnden Ärzten Schadensersatz wegen einer behaupteten ärztlichen Fehlbehandlung anlässlich seiner Geburt.... Lesen Sie mehr
Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 19.03.2014
- 1 Ss 15/14 -
Verwerfung der Berufung bei unentschuldigtem Nichterscheinen des Angeklagten zur Berufungsverhandlung
Anwesenheit eines zur Verteidigung bereiten Rechtsanwalt unerheblich
Erscheint der Angeklagte zu seiner Berufungsverhandlung nicht, so führt dies zur Verwerfung seiner Berufung. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein zur Vertretung des Angeklagten bereiter Rechtsanwalt anwesend ist. Dies hat das Oberlandesgericht Braunschweig entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall verwarf das Landgericht Braunschweig die Berufung eines Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 StPO, da er zur Berufungsverhandlung nicht erschien. Dagegen legte der Angeklagte Revision ein. Er führte an, dass eine Berufungsverwerfung bei Nichterscheinen des Angeklagten nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (18633) unzulässig ist,... Lesen Sie mehr
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 08.11.2012
- 30804/07 -
EGMR: Zurückweisung einer Berufung im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Ausbleiben des Angeklagten verstößt gegen die Menschenrechtskonvention bei Anwesenheit eines zur Vertretung bereiten Verteidigers
Nichtentscheidung über Berufung stellt unzulässige Entziehung des Rechts auf Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 c) EMRK) dar
Wird eine Berufung im Rahmen eines Strafverfahrens deswegen zurückgewiesen, weil der Angeklagte unentschuldigt fernblieb, so liegt darin ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), wenn ein zur Vertretung bereiter Verteidiger anwesend ist. Durch die Nichtentscheidung über die Berufung wird dem Angeklagten in unzulässiger Weise das Recht auf Verteidigung nach Art. 6 Abs. 3 c) EMRK entzogen. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Februar 2003 wurde ein Angeklagter wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Berufung ein. Zur Berufungsverhandlung erschien er jedoch nicht. Er ließ sich stattdessen von seinem Anwalt vertreten. Das Berufungsgericht verwarf angesichts des nicht... Lesen Sie mehr
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14.03.2012
- 2 BvR 2405/11 -
"Hells Angels": Verbot zum Tragen von Motorradwesten in Gerichtsgebäuden nicht zu beanstanden
Bundesverfassungsgericht zum Grundsatz der Verfahrensöffentlichkeit
Das Verbot, während einer Gerichtsverhandlung Motorradwesten zu tragen, die die Zugehörigkeit als Mitglieder des Hells Angels Motorcycle Club demonstrieren, stellt weder einen Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs.1 GG) dar, noch werden die Betroffenen hierdurch in ihrem Recht auf ein faires Strafverfahren (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
Im zugrunde liegenden Streitfall wurde dem Beschwerdeführer und zwei Mitangeklagten in einem Strafverfahren vor dem Landgericht Potsdam vorgeworfen, als Mitglieder des Hells Angels Motorcycle Club diverse Straftaten, unter anderem räuberische Erpressung, begangen zu haben, wobei sie die Geschädigten massiv bedroht und später derart unter Druck gesetzt haben sollen, dass diese... Lesen Sie mehr
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 05.03.2012
- 2 BvR 1464/11 -
BVerfG zur Prüfung des Zustandekommens eines "Deals" im Strafverfahren durch das Rechtsmittelgericht
Verfahrensabsprachen in Strafprozessen müssen klar protokolliert werden
Zur Dokumentationspflicht des Gerichts bestimmt § 273 Abs. 1a StPO, dass im Protokoll über die Hauptverhandlung der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Verständigung wiedergegeben und ebenfalls vermerkt sein muss, wenn keine Absprache erfolgt ist. Erfolgt diese klare Dokumentation nicht, kann dies eine Verletzung gegen das Prozessgrundrecht auf ein faires Strafverfahren (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) bedeuten. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervor.
Die auch als „Deals“ bezeichnete Verständigung der Verfahrensbeteiligten im Strafverfahren über die Rechtsfolgen einer Verurteilung ist seit dem 4. August 2009 gesetzlich in dem neu eingeführten § 257 c StPO geregelt. Gegenstand der vorliegenden Verfassungsbeschwerde ist nicht die Verfassungsmäßigkeit von Urteilsabsprachen im Strafprozess und ihrer gesetzlichen Regelung, sondern... Lesen Sie mehr
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 20.12.2011
- 38254/04, 39775/04 und 12986/04 -
EGMR: Kirchen dürfen Beschäftigungsverhältnisse ohne staatliche Eingriffe regeln
Recht auf ein faires Verfahren gemäß Menschenrechtskonvention nicht verletzt
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung in mehreren Verfahren entschieden, dass der Kirche das Recht zusteht, Beschäftigungsverhältnisse ohne staatliche Eingriffe zu regeln.
Die Beschwerdeführer sind Andreas Baudler, 1950 geboren, amerikanischer Staatsangehöriger und wohnhaft in Ravensburg, sowie Roland Reuter, 1955 geboren, deutscher Staatsangehöriger und wohnhaft in Moers.Herr Andreas Baudler war seit 1982 Pfarrer in einer evangelischen Gemeinde in Böblingen und Roland Reuter seit 1986 Pfarrer in einer evangelischen Gemeinde in Utfort. Beide wurden... Lesen Sie mehr
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15.01.2009
- 2 BvR 2044/07 -
Neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur "Rügeverkümmerung" im Strafverfahren verfassungsgemäß
Nachträgliche Protokolländerungen im Strafprozess verfassungsgemäß
Die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage der "Rügeverkümmerung" im Strafverfahren wahrt die verfassungsrechtlichen Grenzen der richterlichen Rechtsfindung und begegnet auch im Hinblick auf die Beschuldigtenrechte auf ein faires Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
Der Beschwerdeführer war wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. In der Revision machte er mit einer Verfahrensrüge geltend, der Anklagesatz sei in der tatrichterlichen Hauptverhandlung nicht verlesen worden. Zum Beweis berief sich der Beschwerdeführer auf das Sitzungsprotokoll, in der die Verlesung des Anklagesatzes nicht... Lesen Sie mehr