Hier beginnt die eigentliche Meldung:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.11.2012
- III ZR 151/12 und III ZR 293/11 -
Amtspflichten zur Durchführung von BSE-Tests an Rindern obliegen keiner drittgerichteten Schutzwirkung
Versehentlich entfallene BSE-Untersuchung führt zur Beschlagnahme des Rohfetts durch das Veterinäramt
Die den Veterinärbehörden im Zusammenhang mit der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von BSE-Tests an Rindern in einem Schlachthof obliegenden Amtspflichten entfalten grundsätzlich keine drittgerichtete Schutzwirkung zugunsten der Unternehmen, die vom Schlachthof - oder einem "Zwischenlieferanten" - Schlachtprodukte kaufen, um diese weiter zu veräußern oder zu verarbeiten. Soweit die Veterinärbehörde allerdings einen Abnehmer über das Ergebnis ihrer Untersuchung unterrichtet und die bereits bei diesem befindliche, bis zum Vorliegen des Untersuchungsergebnisses sichergestellte Ware freigibt, schafft sie dadurch einen unmittelbaren Vertrauenstatbestand für die ordnungsgemäße Durchführung der BSE-Tests und haftet dem Abnehmer auf Ersatz seines Vertrauensschaden. Dies entschied der Bundesgerichtshof.
In dem vorzuliegenden Fall betreibt die Klägerin im Verfahren III ZR 151/12 eine Fettschmelze. Dazu bezieht sie Schlachtfette von einem
Klagen auf Schadensersatz ohne Erfolg
Die Klagen auf Schadensersatz - die Klägerin im Verfahren III ZR 151/12 hat neben eigenen Schäden auch Schäden anderer Abnehmer aus abgetretenem Recht geltend gemacht - haben in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Der III. Zivilsenat hat die Berufung der Klägerin im Verfahren III ZR 293/11 zurückgewiesen. Im Verfahren III ZR 151/12 hat das Gericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Berufungsurteil, soweit die dortige Klägerin eigene Schäden geltend gemacht hat, aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gesundheitsschutz wichtiger als Schutz der Klägerinnen
Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass Amtshaftungsansprüche nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB*, Art. 34 Satz 1 GG** die Verletzung einer gerade einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht voraussetzen. Die rechtlichen Bestimmungen über die Durchführung von BSE-Tests dienen aber dem Gesundheitsschutz; ihnen lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die hier betroffenen wirtschaftlichen Interessen der Klägerinnen geschützt werden sollen.
Amtspflichten im Verhältnis zum betroffenen Schlachtbetrieb nicht drittbezogen
Zwar sind nach der Rechtsprechung des Gerichtes die bei der Durchführung einer BSE-Untersuchung bestehenden Amtspflichten im Verhältnis zum betroffenen Schlachtbetrieb drittbezogen und kommen Schadensersatzansprüche in Betracht, wenn ein Schlachthofbetreiber durch Fehler der zuständigen Behörden unmittelbar an der (gewinnbringenden) Verwertung seines Eigentums gehindert wird. Im vorliegenden Fall ist Streitgegenstand aber der Schaden von in der weiteren Abnehmer- und Verarbeitungskette stehenden Unternehmen. Insoweit besteht grundsätzlich keine Drittwirkung; die einschlägigen Amtspflichten schützen nicht die individuellen Vermögensinteressen dieser Gruppe am Absatz von Tierprodukten zum Zwecke der Gewinnerzielung.
Dritter kann ihm gegenüber obliegende Amtspflichten nicht auf Vertragspartner erstrecken
Die Haftung des Staates würde ansonsten - obwohl drittbezogen nur Amtspflichten sind, bei denen in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist - konturlos und wäre letztlich nur noch eine Frage der Kausalität. Allein der Umstand, dass jemand durch eine
Klägerin hat Vorgaben der BSE-Verordnung eingehalten
Die Freigabe des Schlachtfleisches stellt nicht generell eine geschützte Verlässlichkeitsgrundlage für wirtschaftliche Dispositionen dar. Insoweit stellt sich die Situation allerdings bei der Klägerin im Verfahren III ZR 151/12 anders dar. Die Auslegung der in den Begleitscheinen enthaltenen Ergebnismitteilungen ergibt, dass die hiervon erfassten Rohfettlieferungen von Rindern stammen, bei deren Schlachtung die Vorgaben der BSE-Verordnung eingehalten worden sind. Die Klägerin, bei der sich zum Zeitpunkt der Mitteilungen die fraglichen Rohfette tatsächlich befunden haben und aufgrund der ausgesprochenen vorläufigen Sicherstellungen auch nur befinden durften, konnte als Adressat dieser Mitteilungen auf deren Richtigkeit vertrauen und entsprechend wirtschaftlich disponieren; insoweit ist sie auch als geschützte Dritte im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen.
Erläuterungen
* - § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB
Haftung bei Amtspflichtverletzung
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
** - Art. 34 Satz 1 GG
Haftung bei Amtspflichtverletzung
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht.
Werbung
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 09.11.2012
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
- Landgericht Mosbach, Urteil vom 18.03.2011
[Aktenzeichen: 1 O 211/10] - Landgericht Mosbach, Urteil vom 19.08.2011
[Aktenzeichen: 1 O 15/11] - Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 15.11.2011
[Aktenzeichen: 12 U 85/11] - Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 03.05.2012
[Aktenzeichen: 12 U 149/11]
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Dokument-Nr. 14579
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://www.kostenlose-urteile.de/Urteil14579
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Senden Sie uns diese Entscheidungen doch einfach für kostenlose-urteile.de zu. Unsere Redaktion schaut gern, ob sich das Urteil für eine Veröffentlichung eignet.