die zehn aktuellsten Urteile, die zum Schlagwort „Beschleunigungsgrundsatz“ veröffentlicht wurden
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.12.2017
- 2 BvR 2552/17 -
BVerfG: Unzulässige Fortdauer der Untersuchungshaft aufgrund Überlastung des Gerichts
Staat muss Gerichte mit genügend Personal ausstatten
Die Fortdauer einer Untersuchungshaft darf niemals mit der Begründung angeordnet werden, dass das zuständige Gericht überlastet ist. Es ist Aufgabe des Staates die Gerichte mit ausreichend Personal auszustatten. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall befand sich ein Vietnamese aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Landau in der Pfalz seit Juni 2016 in Untersuchungshaft. Ihm wurde die Einfuhr von 1,1 Kilogramm Metamphetamin vorgeworfen. Erst im Juli 2017 eröffnete das Landgericht Landau in der Pfalz das Hauptverfahren. Hintergrund dessen war eine Arbeitsüberlastung der Kammer. Aus diesem Grund war nach Ansicht des Oberlandesgerichts Zweibrücken im November 2017 auch die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen. Damit war der Angeklagte nicht einverstanden und legte Verfassungsbeschwerde ein. Das Bundesverfassungsgericht entschied... Lesen Sie mehr
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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.06.2018
- 2 BvR 819/18 -
Verfassungsbeschwerde gegen Aufrechterhaltung einer Untersuchungshaft wegen Überlastung des Gerichts erfolgreich
Verhandlungsdichte mit weit weniger als einem Verhandlungstag pro Woche wird verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot nicht gerecht
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Überlastung eines Gerichts in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft fällt. Einem Beschuldigten darf daher nicht zugemutet werden, eine unangemessen lange Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt, seiner Pflicht zur rechtzeitigen verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte zu genügen. Das Bundesverfassungsgericht gab damit der Verfassungsbeschwerde eines Beschuldigten gegen eine Haftfortdauerentscheidung statt und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Dresden zurück. Das Verfahren war nicht in der gebotenen Zügigkeit gefördert worden. Die Fachgerichte hatten bereits nicht schlüssig begründet, warum ein besonderer Ausnahmefall vorgelegen haben sollte, der es gerechtfertigt hätte, dass das Landgericht Dresden erst ein Jahr und einen Monat nach Beginn der Untersuchungshaft und sieben Monate nach der Anklageerhebung mit der Hauptverhandlung begonnen hat. Erst recht wird die bisherige Verhandlungsdichte mit weit weniger als einem Verhandlungstag pro Woche dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot nicht gerecht.
Der Beschwerdeführer des zugrunde liegenden Verfahrens befindet sich seit dem 3. November 2016 unter anderem wegen des Verdachts der schweren räuberischen Erpressung und der Bildung einer kriminellen Vereinigung ununterbrochen in Untersuchungshaft. Die unter dem 25. April 2017 verfasste Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ging am 27. April 2017 beim Landgericht ein. Am selben Tag... Lesen Sie mehr
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.02.2016
- 5 Ws 1/16 -
Entlassung aus der Untersuchungshaft aufgrund Verzögerung der Durchführung der Hauptverhandlung auf unbestimmte Zeit
Haftbefehlsaufhebung wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots
Verzögert sich die Durchführung der Hauptverhandlung auf unbestimmte Zeit, so kann dies die Entlassung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft rechtfertigen. Die sich aus der Verzögerung ergebende erhebliche Verletzung des Beschleunigungsgebots ist rechtsstaatswidrig und kann dem Angeklagten nicht angelastet werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Aufgrund eines Haftbefehls vom Februar 2014 befand sich ein Angeklagter in Untersuchungshaft. Nachdem sich die Hauptverhandlung aufgrund der Überlastung der zuständigen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. auf unbestimmte Zeit verzögerte, wurde der Haftbefehl aufgehoben und der Angeklagte aus der Untersuchungshaft entlassen. Dagegen... Lesen Sie mehr
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Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 29.02.2016
- 2 Ws 60/16 -
Vermeidbare und nicht gerechtfertigte Verfahrensverzögerung von über 8 Monaten rechtfertigt Aufhebung der Untersuchungshaft
Schwere der Tat und hohe Straferwartung rechtfertigen keine unverhältnismäßig lang andauernde Untersuchungshaft
Kommt es im Strafverfahren zu einer vermeidbaren und sachlich nicht gerechtfertigten Verzögerung von über acht Monaten, rechtfertigt dies die Aufhebung der Untersuchungshaft. Dies gilt selbst dann, wenn dem Angeklagten ein versuchter Mord zur Last gelegt wird und er erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten verurteilt wurde. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall beantragte ein Angeklagter im Januar 2016 die Aufhebung eines Haftbefehls wegen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot. Dies hatte folgenden Hintergrund: Der Angeklagte befand sich seit Oktober 2013 in Untersuchungshaft. Nach der fünf Monate andauernden Hauptverhandlung wurde er schließlich im Dezember 2014 wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung... Lesen Sie mehr
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.06.2011
- 10 WF 86/11 -
OLG Schleswig-Holstein zu den Voraussetzungen für den Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe beim Elternstreit um einen Kinderausweis
Vermittlungstermin beim Jugendamt für Eltern nur bei Erhalt eines Termins binnen einer Frist von einem Monat zumutbar
Ohne Kinderausweis kann ein Elternteil sein Kind nicht auf eine Urlaubsreise ins Ausland mitnehmen. Ist der andere Elternteil mit der Ausstellung des Kinderausweises nicht einverstanden, so bleibt bei einem gemeinsamen Sorgerecht als Ausweg, das Jugendamt um eine Vermittlung zu bitten oder zu Gericht zu gehen. Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hatte darüber zu entscheiden, in welchen Fällen ein Elternteil, der sich finanziell selbst kein gerichtliches Verfahren leisten kann, Verfahrenskostenhilfe als staatliche Leistung über den direkten Weg zu Gericht erhält.
Im zugrunde liegenden Fall wollte eine Mutter mit ihren beiden neun Monate und zwei Jahre alten Kindern Verwandte in Holland besuchen. Für das jüngste Kind war noch kein Kinderausweis vorhanden. Die Eltern sind verheiratet, leben aber getrennt. Der Vater verweigerte die Zustimmung zur Ausstellung des Kinderausweises, weil er befürchtete, dass die Mutter das Kind ohne seine Zustimmung... Lesen Sie mehr
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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.09.2010
- 2 BvR 1113/10 -
Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot: Haftbefehl verfassungswidrig
Verletzung des Freiheitsgrundrechts und des Rechts auf faires Strafverfahren
Ein Haftbefehl kann bei einer über zweieinhalb Jahre dauernden Hauptverhandlung wegen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot als verfassungswidrig angesehen werden. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht und nahm eine in diesem Zusammenhang gestellte Verfassungsbeschwerde an, da es den Beschwerdeführer in seinem Freiheitsgrundrecht und seinem Recht auf ein faires Strafverfahren verletzt sah.
Der Beschwerdeführer befand sich seit Mitte Juni 2005 wegen des Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Untersuchungshaft. Am 31. Oktober 2005 begann die Hauptverhandlung vor dem Landgericht. Eine Verfassungsbeschwerde gegen die Fortdauer der Untersuchungshaft nahm das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 19. September... Lesen Sie mehr
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19.09.2007
- 2 BvR 1847/07, 2 BvR 1850/07 -
BVerfG zum Beschleunigungsgebot in Haftsachen
Durchschnittlich ein Hauptverhandlungstermin pro Woche ist zu wenig
Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit den Anforderungen an das Beschleunigungsgebot in Haftsachen bei absehbar umfangreichen Verfahren befasst. Es sei stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umfassende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als nur einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstermin pro Woche geboten.
Die Beschwerdeführer befinden sich seit Januar bzw. Juli 2005 wegen des Verdachts des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Untersuchungshaft. Im Juli 2005 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage zum Landgericht Hannover. Die Hauptverhandlung begann im Oktober 2005. Bislang haben über 50 Verhandlungstage stattgefunden. Dies entspricht einer Verhandlungsdichte... Lesen Sie mehr
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.08.2007
- 2 BvR 1609/07 -
Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde eines Inhaftierten gegen die Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft nicht zur Entscheidung angenommen, da der Beschwerdeführer die Rüge der Verletzung des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebots nicht hinreichend substantiiert hat.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit Februar 2006 wegen des Verdachts des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie der räuberischen Erpressung in Untersuchungshaft. Im Juni 2006 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage zum Landgericht Hannover. Die Hauptverhandlung gegen die insgesamt fünf Angeklagten begann im Dezember 2006 und erstreckte sich bis Juni 2007... Lesen Sie mehr
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.04.2007
- GSSt 1/06 -
Strafrecht: BGH ermöglicht Berichtigung fehlerhafter Protokolle
Aufhebung von Urteilen wegen Protokollfehler daher deutlich erschwert
Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hatte aufgrund einer Vorlage des 1. Strafsenats über die Frage zu entscheiden, inwieweit das Revisionsgericht eine nachträgliche Berichtigung des tatrichterlichen Hauptverhandlungsprotokolls auch zum Nachteil des Revisionsführers zu berücksichtigen hat.
Der Vorlage lag ein Urteil des Landgerichts München I zugrunde, durch das der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt wurde. Nach den Urteilsfeststellungen hatte er in einem Oktoberfestzelt einem anderen Mann mit einem schweren gläsernen Krug zweimal wuchtig auf den Hinterkopf und einmal in den Nackenbereich... Lesen Sie mehr
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.06.2007
- 2 BvR 971/07 -
Untersuchungsgefangener muss wegen Verfahrensverzögerung freigelassen werden
Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot im Strafverfahren
Ein Gefangener hat erfolglreich Verfassungsbeschwerde gegen die Fortdauer der Untersuchungshaft erhoben.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 15. Juli 2006 wegen des Verdachts des versuchten Mordes mit schwerer Brandstiftung in Untersuchungshaft. Er soll Benzin vor der Wohnungstüre einer ihm bekannten Familie ausgegossen und in Brand gesteckt haben, um die Auswirkungen eines angeblich gegen ihn verhängten "Vodoo-Zaubers" zu beenden.Im Januar 2007 ordnete das Oberlandesgericht... Lesen Sie mehr