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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.09.2012
10 S 731/12 -

Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerks Obrigheim können fortgesetzt werden

Erhebliches öffentliches Interesse an zügigem Rückbau des KKW Obrigheim hat überwiegendes Gewicht

Die vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg mit der zweiten Stilllegungs- und Abbaugenehmigung vom 24. Oktober 2011 sofort vollziehbar gestatteten Maßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau des Kernkraftwerks (KKW) Obrigheim können fortgesetzt werden. Die Genehmigung verletzt voraussichtlich keine Rechte der zwei Kläger, die die Genehmigung anfechten. Unabhängig davon überwiegen das öffentliche Interesse und das Interesse des Kernkraftwerksbetreibers, die Stilllegungs- und Abbaumaßnahmen trotz anhängiger Klagen zügig fortzuführen, die Interessen der Kläger an einem vorläufigen Stopp dieser Maßnahmen bis zur Entscheidung über ihre Klagen. Das hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg entschieden.

Die beiden Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls wohnen in einem Umkreis von 3 km um das KKW Obrigheim. Sie haben gegen die zweite Stilllegungs- und Abbaugenehmigung vom 24. Oktober 2011 im Dezember 2011 Klagen erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Die Kläger machen Verfahrensfehler, insbesondere die Unterlassung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und einer Beteiligung der Öffentlichkeit, geltend, und rügen, das Ministerium habe nicht ausreichend Vorsorge gegen Störfälle bei der Durchführung der genehmigten Abbau- und Stilllegungsmaßnahmen getroffen. Im April 2012 haben sie beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklagen wiederherzustellen.

Für zweite Genehmigung war nur "Vorprüfung des Einzelfalles" im Sinne des UVP-Gesetzes notwendig

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat diese Eilanträge jedoch abgelehnt. Die Genehmigung vom 24. Oktober 2011 sei bei summarischer Prüfung formell rechtmäßig. Insbesondere sei eine UVP nicht nötig gewesen. Die zweite Stilllegungs- und Abbaugenehmigung vom 24. Oktober 2011 gestatte lediglich einzelne Maßnahmen zum Abbau und regele den Stilllegungsbetrieb nur in Randbereichen neu. Eine UVP sei aber allein für die Gesamtmaßnahme erforderlich. Die Gesamtmaßnahme sei jedoch schon Gegenstand der bestandskräftigen ersten Stilllegungs- und Abbaugenehmigung vom 28. August 2008 gewesen. Insoweit sei kein neues Verfahren eröffnet worden. Die zweite Genehmigung habe die erste auch nicht vollständig ersetzt. Entgegen der Ansicht der Kläger sei auch der Betrieb des externen Brennelementlagers im sogenannten "Notstandsgebäude" (Bau 37) nicht erneut genehmigt worden. Daher sei bei der zweiten Genehmigung nur eine "Vorprüfung des Einzelfalles" im Sinne des UVP-Gesetzes erforderlich gewesen. Das dazu durchgeführte Verfahren leide an keinem im gerichtlichen Verfahren beachtlichen Fehler. Auch eine zumindest teilweise neue UVP sei nicht nötig gewesen. Schließlich sei eine Beteiligung der Öffentlichkeit gesetzlich nicht geboten gewesen. Die Entscheidung des Ministeriums, von einer Öffentlichkeitsbeteiligung abzusehen, sei auch nicht ermessensfehlerhaft.

Dosisgrenzwert der resultierenden Strahlung wurde eingehalten

Die zweite Stilllegungs- und Abbaugenehmigung sei bei summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig. Das Ministerium habe davon ausgehen dürfen, dass die nach dem Atomgesetz erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die gestatteten Einzelmaßnahmen getroffen sei. Der Dosisgrenzwert für die aus einer planmäßigen Durchführung dieser Maßnahmen resultierende Strahlung sei eingehalten. Das gelte auch für den Störfallplanungswert hinsichtlich der zu betrachtenden Störfallszenarien. Das Ministerium habe ferner annehmen dürfen, dass der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter zu Gunsten der Kläger gewährleistet sei. Das von den Klägern befürchtete Szenario des gezielten Absturzes eines großen Verkehrsflugzeugs, vor allem eines Airbus Typ A 380, auf das externe Brennelementlager sei in diesem Verfahren nicht näher zu betrachten. Denn die Errichtung dieses Lagers sei bereits am 26. Oktober 1998 bestandskräftig genehmigt worden. Im Verfahren über die zweite Stilllegungs- und Abbaugenehmigung sei die erforderliche Vorsorge gegen Einwirkungen Dritter daher nur zu prüfen gewesen, soweit gerade durch die Änderung des Betriebsreglements die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen werde. Dass insoweit keine erforderliche Vorsorge getroffen worden sei, behaupteten die Kläger jedoch nicht und sei auch fernliegend. Die Kläger machten im Kern vielmehr nur geltend, das externe Brennelementlager im Notstandsgebäude sei konstruktiv nicht gegen die Folgen eines gezielten Flugzeugabsturzes ausgelegt. Dieser Einwand beziehe sich aber auf die generelle bauliche Eignung des Lagergebäudes und sei schon bei der ersten Stilllegungs- und Abbaugenehmigung geprüft worden.

Anwohner fordern Rückbau des KKW Obrigheim

Auch unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klagen falle die Abwägung der gegenläufigen Interessen zu Lasten der Kläger aus. Das erhebliche öffentliche Interesse an einem zügigen Rückbau des KKW Obrigheim, der auch im wohlverstandenen Interesse der Anwohner und damit der Kläger liege, habe überwiegendes Gewicht. Die Interessen der Kläger an einem vorläufigen Aufschub der genehmigten Maßnahmen seien aufgrund der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles als geringer zu bewerten, vor allem da die Kläger ihr vorrangiges Rechtsschutzziel, die weitere Brennelementlagerung im externen Lagerbecken zu unterbinden, selbst bei einem Erfolg ihrer Eilanträge nicht erreichen könnten.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 05.10.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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