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Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 26.10.2016
S 145 SO 1411/16 ER -

Sozialamt darf bei Pflegebetrug Leistungen von Pflegebedürftigen kürzen

Vorgehen dient Schutz des Sozial­versicherungs­systems und der Gesamtheit der Steuerzahler

Das Sozialgericht Berlin hat entschieden, dass das Sozialamt die Sozialhilfe einer Pflegebedürftigen rückwirkend um Geldbeträge kürzen darf, die diese von einem kriminellen Pflegedienst als Belohnung für ihr Mitwirken beim Abrechnungsbetrug erhalten hat. Die daraus folgenden Rückforderungen darf das Sozialamt durch Anrechnung auf die laufende Grundsicherung sofort durchsetzen.

Seit einigen Jahren laufen in Deutschland umfangreiche strafrechtliche Ermittlungen gegen betrügerische Pflegedienste. Deren Geschäftsmodell besteht darin, zu Lasten der Sozialleistungsträger Pflegeleistungen abzurechnen, die tatsächlich gar nicht erbracht wurden. Als Komplizen der Pflegedienste wirken neben Ärzten vor allem auch Patienten mit, indem sie den Erhalt gar nicht erbrachter Pflegeleistungen quittieren und so deren Abrechnung ermöglichen. Zur Belohnung erhalten sie monatlich einen Anteil am Betrugserlös, der im Milieu als "Kick-Back-Zahlung" bezeichnet wird.

300 Patienten in Abrechnungsbetrug verwickelt

Im Fokus der Staatsanwaltschaft Berlin stand zuletzt der Pflegedienst "Mit Herz und Seele" aus Berlin. Sichergestellte Kassenbücher und Dienstpläne begründen den Verdacht, dass hier rund 300 Patienten in den Abrechnungsbetrug verwickelt waren.

Sozialamt kürzt laufende Grundsicherung der Leistungsempfängerin wegen Mitwirkung am Abrechnungsbetrug

Die 1949 geborene Antragstellerin des zugrunde liegenden Verfahrens bezieht vom Antragsgegner, dem Sozialamt Steglitz-Zehlendorf, seit Jahren Grundsicherung im Alter. Zugleich war sie Patientin des Pflegedienstes "Mit Herz und Seele GmbH". Mit Bescheid vom 11. August 2016 nahm der Antragsgegner sämtliche Bescheide zurück, mit denen der Antragstellerin Sozialleistungen für den Zeitraum November 2014 bis Februar 2015 bewilligt worden waren. Die Antragstellerin habe in diesem Zeitraum für ihre Mitwirkung am Abrechnungsbetrug des Pflegedienstes ein Einkommen aus sogenannten "Kick-Back-Zahlungen" zwischen 245 und 336 Euro monatlich erzielt. Dadurch sei ihre Hilfebedürftigkeit entsprechend verringert worden. 1.125 Euro zu viel gezahlte Sozialhilfe seien zurückzuzahlen. Zur Begleichung der Erstattungsforderung würden die laufende Grundsicherung ab sofort um monatlich 73 Euro gekürzt.

Leistungsbezieherin verneint Erhalt von "Kick-Back-Zahlungen"

Die Antragstellerin hat hiergegen beim Antragsgegner Widerspruch eingelegt. Zusätzlich hat sie beim Sozialgericht Berlin ein Eilverfahren anhängig gemacht mit dem Ziel, die sofortige Vollziehung der Rückforderung zu stoppen. Sie bestreitet, überhaupt "Kick-Back-Zahlungen" erhalten zu haben und trägt vor, an der Redlichkeit des Pflegedienstes nie gezweifelt zu haben. Sie selbst habe über erhaltene Pflegedienstleistungen kein Buch geführt. Soweit Unterschriften erforderlich geworden seien, habe sie diese im vollen Vertrauen in den Pflegedienst geleistet.

Anrechnung von "Kick-Back-Zahlungen" als Einkommen nicht zu beanstanden

Das Sozialgericht Berlin wies den Antrag ab. Nach summarischer Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes sei der Bescheid des Antragsgegners offensichtlich rechtmäßig. Die Anrechnung der "Kick-Back-Zahlungen" als Einkommen und die darauf gestützte Rückforderung von Sozialleistungen seien nicht zu beanstanden. Laut den von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Kassenbüchern habe die Antragstellerin über die Jahre von dem Pflegedienst insgesamt sogar Zahlungen in Höhe von 12.064 Euro erhalten. An der Richtigkeit der Kassenbücher habe das Gericht keine Zweifel. Offensichtlich habe der Pflegedienst derartige Unterlagen führen müssen, um angesichts von rund 300 am Betrugssystem beteiligten Patienten den Überblick über seine "Wirtschaftlichkeit" zu behalten. Die Kassenbücher würden durch die ebenfalls beschlagnahmten Dienstpläne bestätigt.

Unzuverlässigkeit des Pflegedienstes bereits bekannt

Die Einwände der Antragstellerin seien in keiner Weise nachvollziehbar. Die Antragstellerin habe nämlich Nachweise über tägliche Pflege unterschrieben, obwohl sie laut Abschlussbericht des Landeskriminalamtes überhaupt nicht gepflegt worden sei. Die Unzuverlässigkeit des Pflegedienstes sei dem Gericht im übrigen aufgrund einer Vielzahl weiterer Verfahren bereits bekannt.

Verhalten beteiligter Leistungsempfänger muss zur Vermeidung von Wiederholungsfällen unmittelbare Konsequenzen haben

Es bestehe auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Rückforderung. Angesichts des Alters der Antragstellerin und der Dauer eines Hauptsacheverfahrens würde ein weiteres Abwarten die Vollstreckung des geltend gemachten Ersatzanspruchs ernsthaft gefährden. Aufgrund des Ausmaßes des Leistungsbetrugs mit einem Schaden in Höhe von mehreren Millionen Euro sei auch aus generalpräventiven Gründen eine sofortige Reaktion des Sozialhilfeträgers erforderlich. Das Verhalten der beteiligten Leistungsempfänger müsse zur Vermeidung von Wiederholungsfällen unmittelbare Konsequenzen haben. Das Vorgehen diene dem Schutze des Sozialversicherungssystems und der Gesamtheit der Steuerzahler.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 03.11.2016
Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online

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Kommentare (2)

 
 
Dr. Anette Oberhauser schrieb am 06.12.2016

In dieser Entscheidung des SG Berlin wird klargestellt, dass auch die aufgrund einer Straftat erlangten Einkünfte als Einkommen zu betrachten sind. Zwar kann der Hilfesuchende nicht auf solche Einkommensquellen verwiesen werden (z. B. im Wege der Selbsthilfe), sobald er aber derartige Einkünfte erzielt, sind sie als Einkommen zu berücksichtigen. Anderenfalls würden rechtswidrig erzielte Einkünfte gegenüber rechtmäßig erzielten Einkünften privilegiert. Der Sozialhilfeträger darf mit eigenen Erstattungsforderungen grundsätzlich monatlich in Höhe von bis zu 25 Prozent des jeweils maßgeblichen Regelbedarfs gegen Grundsicherungsansprüche des Leistungsempfängers aufrechnen. Der Sozialhilfeträger kann die sofortige Vollziehung seines Rücknahme- und Aufrechnungsbescheides anordnen, wenn er das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich begründet und das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Leistungsempfängers überwiegt. Die Kanzlei Dr. Anette Oberhauser kann Sie in allen Fragen des Sozialrechts und des Medizinrechts kompetent beraten und vertreten.

dorefelicitas schrieb am 01.12.2016

Abrechnungsbetrug in der AOK-Pflegekasse Niedersachsen zu Lasten der Pflegebedürftigen:

in der gesetzlichen Sozialversicherung gibt es keine Qualitätssicherung mit Überprüfung der Abrechnungen über Zahlungen aus dem Treuhandkonto der Versicherten in der Pflegeversicherung. Dies gilt insbesondere für Leistungen aus SGB XI §45b (erhöhter allgemeiner Betreuungsbedarf mit 2400,-- EURO/Jahr); ca 600.000 der 2,7 Millionen Pflegebedürftigen sind hiervon jährlich in der BRD betroffen. Hierbei handelt es sich immer um Patienten mit erheblicher kognitiver Verlangsamung, die keinen Überblick mehr über die von ihnen beantragten und bewilligten Pflegeleistungen haben. Ein pfiffiger AOK-Mitarbeiter hat sich hier die Ahnungslosigkeit seiner Opfer wie folgt zu Nutze gemacht: Als sein Opfer die Jahresabrechnung seiner bewilligten Sachleistung aus SGB XI §45b an den Pflege-Sachbearbeiter schickte mit Antrag auf Kostenerstattung, hat dieser erklärt, er habe die Jahresrechnung schon an den zugelassenen Leistungserbringer überwiesen. Mit Antrag auf Auskunft auf Rechnungslegung nach SGB XI §108 - durch den betreuenden Wirtschaftsprüfer - übersandte der AOK-Mitarbeiter seinem vermeintlich hilflosen Opfer eine Gesamtabrechnung der bezogenen Pflegesachleistungen, die er angeblich für sein Opfer bezahlt habe. Erstaunlicherweise waren auf diesem Abrechnungsauszug Pflegesachleistungen abgebildet, die sein Opfer nicht bezogen hatte, und auch keinerlei Unterschrift des Opfer bzw betreuenden Wirtschaftsprüfers auf den Leistungsnachweisen. Auf diesen Fehler hinweisend, übersandte der AOK-Mitarbeiter seinem Abrechnungsopfer den angeblichen Überweisungsbeleg, der sich bei genauem Hinsehen jedoch als Stornobeleg mit Rücküberweisung auf sein Konto herausstellte. Auf diesen Umstand hingewiesen, übersandte der AOK-Mitarbeiter seinem Opfer einen Bescheid, dass es mit der Abrechnung sein Bewenden habe. Polizei & Staatsanwaltschaft ermitteln jetzt. Auf Nachfrage bei der AOK-Rechtsabteilung stellte sich heraus, dass die AOK keine Qualitätssicherung habe, die derartigen Abrechnungsmanipulationen unterbinden könne. Die AOK-Mitarbeiter verwalten Treuhandkonten der Pflegebedürftigen, und dürfen nur dann Sachkostenleistungen erstatten, wenn Rechnungen von zugelassenen Pflegediensten vorliegen. Hierfür zwingend ist der dazugehörige originale Leistungsnachweis, mit der Unterschrift des Pflegeopfers. Der Eintrag des Empfängerkontos für gesetzliche Kostenerstattungen erfolge immer durch den zuständigen Sachbearbeiter nach Treu & Glauben. Es gebe weder eine interne noch externe Überprüfung dieser Treuhandkonten und Überweisungswege in der Pflegekasse. Die Pflegeopfer und ihre Angehörigen sollten genau die Abrechnung der Rechnungslegungen und Treuhandkonten AOK-Pflege auf Richtigkeit überprüfen. Um Missbrauch durch einzelne Mitarbeiter der Pflegekasse vorzubeugen, sollten Angehörige von Pflegeopfern Kopien der Rechnungen zusammen mit den jeweiligen Leistungsnachweisen aufheben, und am Jahresende die einzelnen Rechnungen mit dem - über SGB XI §108 beantragten - Abrechnungsauszug der gesetzlichen Pflegekasse vergleichen. Bei offenkundigem Abrechnungsmißbrauch kann nur die Leistungsklage gegen die AOK-Pflege vor dem Sozialgericht die Verjährungsfrist unterbinden.

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