Hier beginnt die eigentliche Meldung:
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 13.07.2017
- 10 U 76/16 -
Notarielles Testament nichtig: Erblasserin mit fortgeschrittener Alzheimerdemenz ist als testierunfähig anzusehen
Bedeutung und Tragweite einer erklärten letztwilligen Verfügung bei fortgeschrittenen Demenzerkrankung nicht mehr erfassbar
Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass eine Erblasserin als testierunfähig anzusehen ist, wenn sie aufgrund einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung vom Alzheimertyp nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung und die Tragweite einer erklärten letztwilligen Verfügung einzusehen und nach einer solchen Einsicht zu handeln. Ein in diesem Zustand errichtetes notarielles Testament ist nichtig.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die im Prozess durch ihre Mutter vertretene, heute 15 Jahre alte Klägerin aus Nottuln und der heute 70 Jahre alte Beklagte aus Unna stritten um die Erbfolge der im Jahre 2013 im Alter von 92 Jahren verstorbenen Erblasserin aus Kamen. Diese und ihr im Jahre 1972 vorverstorbener Ehemann waren die Eltern des Beklagten und eines im Jahre 2007 im Alter von 61 Jahren verstorbenen Bruders des Beklagten. Der Bruder des Beklagten hatte die Mutter der Klägerin geheiratet und die Klägerin im Jahre 2005 adoptiert.
Sachverhalt
Im Jahre 1967 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann ein gemeinschaftliches
Fachärztliche Begutachtung stellt Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin fest
Kurz darauf errichtete die Erblasserin im Pflegeheim ein notarielles
Klägerin hält Testament und Schenkungsverträge für unwirksam
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass das im Jahre 2007 errichtete
OLG: Erblasserin war bei Errichtung von Testament und Schenkungsvertrag testier- und geschäftsunfähig
Das Oberlandesgericht Hamm hat durch die Vernehmung von Zeugen und Anhörung eines medizinischen Sachverständigen über die Testier- und
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Erblasserin aufgrund einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung vom Alzheimertyp seinerzeit nicht mehr in der Lage gewesen, die Bedeutung und die Tragweite der von ihr erklärten letztwilligen Verfügung sowie ihrer Erklärungen zum Verschenken von Vermögenswerten einzusehen und nach einer solchen Einsicht zu handeln.
Gutachten belegen testier- und geschäftsunfähig bereits zu den maßgeblichen Zeitpunkten
Der medizinische Sachverständige sei bereits in seinem in erster Instanz erstatteten
Anwälten und Notaren muss als medizinische Laien Demenz der Erblasserin nicht aufgefallen sein
Das dargestellte Beweisergebnis werde durch die weiteren, bereits vom Landgericht zum damaligen Gesundheitszustand der Erblasserin vernommenen Zeugen, einen als Verfahrenspfleger bestellten Rechtsanwalt sowie die beiden beurkundenden Notare, und auch durch den weiteren Akteninhalt nicht widerlegt. Sofern ihnen als medizinischen Laien keine
Erblasserin zeigte bereits im Jahr 2004 Anzeichen einer fortgeschrittenen Demenz
Schließlich bestätige das Verhalten des Beklagten selbst eine bereits im Jahre 2004 vorliegende, fortgeschrittene Demenzerkrankung der Erblasserin. Seinerzeit habe der Beklagte mit seinem Bruder gegenüber dem Betreuungsgericht eine Betreuung für seine Mutter beantragt, obwohl diese den Brüdern zuvor eine Vorsorgevollmacht erteilt hatte. Dabei habe er die Anordnung der Betreuung für seine Mutter damit begründet, dass diese mit dem Verkauf oder einer Belastung einer ihrer Immobilien zur Deckung ihrer monatlichen Pflege- und Unter-bringungskosten nicht einverstanden sei, obwohl ihre anderweitigen monatlichen Einnahmen insoweit nicht ausreichend gewesen seien. Zudem sei die Erblasserin noch im Jahre 2006 gegen einen Verkauf ihres früheren Hauses gewesen, was sie damit begründet habe, dass sie in dieses zurückkehren und auch dort sterben wolle. Das zeige, dass ihre Willensäußerungen Bedeutung und Tragweite ihrer Situation nicht mehr realistisch einschätzen. Vor diesem Hintergrund sei es nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte dann im März 2007 geglaubt haben wolle, seine Mutter sei bei der Errichtung des notariellen Testaments noch testierfähig, weil der Inhalt des Testaments - seine Alleinerbenstellung - ihrem damals geäußerten Willen entsprochen habe.
Die zunächst beim Bundesgerichtshof eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgenommen, nachdem der Bundesgerichtshof die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hatte (Az. BGH IV ZR 14/17).
Werbung
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 06.02.2018
Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online
- Landgericht Dortmund, Urteil vom 06.09.2016
[Aktenzeichen: 12 O 141/13]
- Nicht jede auch schwerwiegende geistige Erkrankung führt zur Testtierunfähigkeit
(Oberlandesgericht München, Beschluss vom 31.10.2014
[Aktenzeichen: 34 Wx 293/14]) - Testierfähigkeit beim Verdacht chronischer Wahnvorstellungen muss strenger Prüfung unterzogen werden
(Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.08.2017
[Aktenzeichen: 20 W 188/16])
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Dokument-Nr. 25485
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://www.kostenlose-urteile.de/Urteil25485
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Senden Sie uns diese Entscheidungen doch einfach für kostenlose-urteile.de zu. Unsere Redaktion schaut gern, ob sich das Urteil für eine Veröffentlichung eignet.