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Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 24.10.2019
- 6 U 147/18 -
Umstrittenen Gebührenforderung: Androhung einer Anschlusssperre außerhalb der gesetzlichen Voraussetzungen ist unlauter
Ausübung von Druck durch Drohung mit rechtlich zweifelhaften Maßnahmen kann Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern einschränken
Droht ein Mobilfunkunternehmen seinem Kunden an, im Fall der Nichtzahlung einer umstrittenen Gebührenforderung seinen Anschluss zu sperren, ist das eine unlautere aggressive geschäftliche Handlung (§ 4 a UWG), wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anschlusssperre (§ 45 k Abs. 2 TKG) nicht erfüllt sind. Dies entschied das Oberlandgericht Frankfurt am Main.
Die Parteien des zugrunde liegenden Falls stritten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrandrohung für einen Mobilfunkanschluss. Der Kläger ist ein eingetragener Verbraucherschutzverband. Die Beklagte bietet Mobilfunkdienste an. Einer ihrer Kunden übersandte sie eine
Beklagte verweist auf mögliche Sperrung des Mobilfunkanschlusses bei nicht fristgerechter Zahlung
Nachdem die Kundin die Rechnungshöhe beanstandet hatte, verwies die Beklagte zur Rechtfertigung ihrer Forderung auf einen von ihr eingeholten Prüfbericht des Netzbetreibers und erteilte eine Kulanzgutschrift in Höhe der Hälfte des Betrages. Die verbleibende Forderung mahnte sie an. Zugleich wies sie darauf hin, dass sie sich im Falle nicht fristgerechter Zahlung die Sperrung des Mobilfunkanschlusses vorbehalte. Der Kläger hielt das Vorgehen der Beklagten für wettbewerbswidrig.
Ankündigung der Sperre stellt sich als aggressive Geschäftspraxis dar
Das Landgericht wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main Erfolg. Die Beklagte dürfe säumigen Verbrauchern gegenüber keine Anschlusssperre androhen, wenn die geltend gemachte Forderung nach Abzug der seitens des Verbrauchers form- und fristgerecht beanstandeten
Verbraucher in aller Regel auf Mobilfunkanschluss dringend angewiesen
Die angekündigte Drohung, den Mobilfunkanschluss bei nicht fristgerechter Zahlung zu sperren, sei auch als erhebliches "Übel" einzuordnen. Die Verbraucher seien in aller Regel auf ihren Mobilfunkanschluss dringend angewiesen. Viele verfügten nicht über einen Festnetzanschluss und wickelten ihre gesamte Kommunikation über den Mobilfunkanschluss ab.
Angedrohte Sperre rechtlich unzulässig
Die angedrohte Sperre sei zudem rechtlich unzulässig gewesen. Die
Erläuterungen:
§ 45 k TKG Sperre
(1) 1 Der Anbieter öffentlich zugänglicher Telefondienste darf zu erbringende Leistungen an einen Teilnehmer unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften nur nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 und nach § TKG § 45 o Satz 3 ganz oder teilweise verweigern (Sperre). 2 § TKG § 108 Abs. TKG § 108 Absatz 1 bleibt unberührt.
(2) 1 Wegen Zahlungsverzugs darf der Anbieter eine Sperre durchführen, wenn der Teilnehmer nach Abzug etwaiger Anzahlungen mit Zahlungsverpflichtungen von mindestens 75 Euro in Verzug ist und der Anbieter die Sperre mindestens zwei Wochen zuvor schriftlich angedroht und dabei auf die Möglichkeit des Teilnehmers, Rechtsschutz vor den Gerichten zu suchen, hingewiesen hat. 2 Bei der Berechnung der Höhe des Betrags nach Satz 1 bleiben nicht titulierte
(3) Der Anbieter darf seine Leistung einstellen, sobald die Kündigung des Vertragsverhältnisses wirksam wird.
(4) Der Anbieter darf eine Sperre durchführen, wenn wegen einer im Vergleich zu den vorangegangenen sechs Abrechnungszeiträumen besonderen Steigerung des Verbindungsaufkommens auch die Höhe der Entgeltforderung des Anbieters in besonderem Maße ansteigt und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Teilnehmer diese Entgeltforderung beanstanden wird.
(5) 1 Die Sperre ist, soweit technisch möglich und dem Anlass nach sinnvoll, auf bestimmte Leistungen zu beschränken. 2 Sie darf nur aufrechterhalten werden, solange der Grund für die Sperre fortbesteht. 3 Eine auch ankommende Telekommunikationsverbindung erfassende Vollsperrung des Netzzugangs darf frühestens eine Woche nach Sperrung abgehender Telekommunikationsverbindungen erfolgen.
§ 4 a UWG Aggressive geschäftliche Handlungen
(1) 1 Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. 2 Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch
1.Belästigung,
2.Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt oder
3.unzulässige Beeinflussung.
3 Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 07.11.2019
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm/kg)
- Landgericht Hanau, Urteil vom 07.11.2019
[Aktenzeichen: 6 O 19/18]
- Unternehmen darf Kunden bei bestrittenen Forderungen nicht in Mahnschreiben mit Schufa-Eintrag drohen
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.03.2015
[Aktenzeichen: I ZR 157/13]) - Mobilfunkanbieter darf "unbegrenztes Datenvolumen" nicht ausbremsen
(Landgericht Potsdam, Urteil vom 14.01.2016
[Aktenzeichen: 2 O 148/14])
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Dokument-Nr. 28059
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