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Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 30.08.2016
S 4 U 2601/15 -

Arbeitsunfall oder (erneuter) Suizid: Arbeitnehmer trägt Beweislast

Voraussetzungen eines versicherten Arbeitswegs bei bereits zuvor erfolgtem Suizidversuch nicht erwiesen

Das Sozialgericht Karlsruhe hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer die Beweislast dafür trägt, dass ein Unfall ein tatsächlicher Arbeitsunfall war und nicht ein (erneuter) Suizidversuch.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens wurde am einem Morgen auf dem Weg in Richtung seiner Arbeit von einem Lkw auf gerader Strecke beim Überqueren einer innerörtlichen Durchgangsstraße angefahren und schwer verletzt. Das von der Polizei eingeholte verkehrstechnische Gutachten hat ergeben, dass der Lkw-Fahrer die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts eingehalten hatte und der Unfall für den Lkw-Fahrer unvermeidbar gewesen war. Der Lkw-Fahrer hat ausgesagt, dass der Kläger die Fahrbahn bereits überquert hatte und dann plötzlich wieder zurück auf die Straße getreten sei, womit er nicht gerechnet habe. Der Kläger machte geltend, wichtige Arbeitspapiere und seine Arbeitsschuhe vergessen zu haben, weswegen er noch einmal umgekehrt sei; hierbei habe er den Lkw aus Unachtsamkeit übersehen. Der Kläger hatte gegenüber seiner Ehefrau mehrfach Suizidabsichten geäußert und einige Monate zuvor auch einen Suizidversuch ausgeübt. Die beklagte Berufsgenossenschaft hat einen Arbeitsunfall in Form eines Unfalls auf dem Weg mit der Begründung abgelehnt, es lägen Hinweise für einen erneuten Suizidversuch vor, weil der Lkw auf gerader Strecke nicht habe übersehen werden können.

Kläger muss Vorliegen eines Arbeitsunfalls beweisen können

Das Sozialgericht Karlsruhe hat nach Beiziehung der polizeilichen Ermittlungsakte und Anhörung des Klägers entschieden, dass in Anbetracht der Gesamtumstände die Beweislast bzw. Feststellungslast dafür, dass ein Arbeitsunfall und kein (erneuter) Suizidversuch vorliegt, bei dem Kläger liegt. Die Berufsgenossenschaft habe zu Recht darauf abgestellt, dass wegen der Erkrankungen des Klägers und dem nachgewiesenen früheren Suizidversuch die Voraussetzungen eines versicherten Arbeitsweges nicht erwiesen seien.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 17.10.2016
Quelle: Sozialgericht Karlsruhe/ra-online

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Dokument-Nr.: 23290 Dokument-Nr. 23290

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Kommentare (3)

 
 
Dr. Anette Oberhauser schrieb am 26.10.2016

In dieser Entscheidung des SG Karlsruhe lag ein besondere Sachverhalt (mutmaßlicher zweiter Suizidversuch) zugrunde, der dazu führte, dass der Kläger den Arbeitsunfall beweisen musste. Im Regelfall hat die Berufsgenossenschaft das Vorliegen eines Suizids zu beweisen. Die versicherte Tätigkeit kann jedoch wesentliche Bedingung für eine Selbsttötung sein, wenn spezielle berufsbedingte Umstände bei dem Versicherten einen Schock, das heißt eine schlagartig auftretende schwere psychische Erschütterung bzw. eine reaktive Depression mit der Vorstellung bewirken, sich in einer ausweglosen Situation zu befinden. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Suizid ist auch für eine Selbsttötung nach einem Personalgespräch, beinhaltend die Entbindung von Leitungsfunktionen, Abmahnung und Kündigungsandrohung angenommen worden. Die Kanzlei Dr. Anette Oberhauser kann Sie in allen Fragen des Unfallversicherungsrechts und des Medizinrechts kompetent beraten und vertreten.

Sylvia Majocchi schrieb am 18.10.2016

Hier hätte ein psychiatrischer Gutachter klären müssen, ob der Vorfall auf der Straße mit dem bereits einmal vom Kläger unternommenen Suizidversuch vergleichbar sei, denn je nach Persönlichkeitsstruktur kommen bestimmte "Suizidarten" nicht in Frage. Auch hätte man hinterfragen müssen, ob der Kläger zu Spontanversuchen neige!

Leser schrieb am 17.10.2016

"Erneuter SuizidVERSUCH" wäre vielleicht treffender.

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