Hier beginnt die eigentliche Meldung:
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 22.02.2007
- 10 U 111/06 -
Enterben ist gar nicht so einfach: Allein die Veruntreuung von Geld rechtfertigt noch nicht die Entziehung des Pflichtteils
OLG Hamm zu den Voraussetzungen für eine Enterbung
Ein Vater kann seinem Sohn selbst bei einer gegen ihn von seinem Sohn verübten Vermögensstraftat nur bei Vorliegen besonderer Umstände den gesetzlichen Pflichtteil entziehen. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden. Das Gericht hat damit der Berufung des Sohnes gegen ein anderslautendes Urteil des Landgerichts Bochum in einem mit seiner Schwester geführten Prozess stattgegeben.
Im Fall hatte der Vater in seinem Testament dem Sohn den Pflichtteil entzogen, weil er meinte, der Sohn habe einen dem Vater zustehenden Betrag in Höhe von 27.000,- DM veruntreut. Das Gericht erklärte die Entziehung des Pflichtteils für unwirksam.
Nach dem Gesetz könne zwar der Erblasser einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder dessen Ehegatten schuldig gemacht habe (§ 2333 Nr. 3 BGB).
Ob ein schweres Vergehen vorliegt, beurteile sich allerdings nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Grad des sittlichen Verschuldens. Verfehlungen gegen das Eigentum oder das Vermögen des Erblassers berechtigten hierbei nur dann zur Entziehung des Pflichtteils, wenn sie nach ihrer Natur und ihrer Begehungsweise eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses darstellen und deswegen eine schwere Kränkung des Erblassers bedeuten.
Unter Beachtung dieser Grundsätze sei vorliegend zugunsten des Klägers seine desolate wirtschaftliche Situation sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass der Kläger das Geld alsbald an seinen Vater zurückzahlen wollte, so dass im Ergebnis ein zur Entziehung des Pflichtteils berechtigender Grund nicht gegeben war, führte das Gericht aus.
Werbung
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 08.06.2007
Quelle: ra-online
- Landgericht Bochum, Urteil vom 23.06.2006
[Aktenzeichen: 4 O 23/05]
- Gründe für eine Enterbung müssen nachvollziehbar niedergeschrieben werden
(Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 04.05.2005
[Aktenzeichen: 4 U 208/04]) - Grundgesetz gewährleistet Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass
(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19.04.2005
[Aktenzeichen: 1 BvR 1644/04 und 1 BvR 188/03])
Rechtsfragen zum diesem Thema auf refrago:
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Dokument-Nr. 4354
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://www.kostenlose-urteile.de/Urteil4354
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Senden Sie uns diese Entscheidungen doch einfach für kostenlose-urteile.de zu. Unsere Redaktion schaut gern, ob sich das Urteil für eine Veröffentlichung eignet.