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Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12.09.2019
6 U 114/18 -

Nahrungs­ergänzungs­mittel darf nicht mit krankheitsbezogenen Angaben zur Linderung eines Alkohol-Katers beworben werden

Alkohol-Kater ist als Krankheit anzusehen

Ein Alkoholkater stellt eine Krankheit dar. Werbeaussagen, wonach ein Nahrungs­ergänzungs­mittel einem Alkoholkater vorbeugen bzw. seine Folgen mindern soll, verstoßen damit gegen das Verbot, Lebensmitteln krankheitsbezogene Eigenschaften zuzuweisen. Dies entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Falls vertreibt und bewirbt zwei Nahrungsergänzungsmittel, deren Verzehr dem Entstehen eines Katers nach Alkoholkonsum vorbeugen bzw. die Wirkungen des Katers lindern soll. Die Produkte sind in Form eines pulverförmigen Sticks ("Drink") und einer trinkfähigen Mischung ("Shot") erhältlich. Sie werden von der Beklagten umfangreich beworben, unter anderem mit den Aussagen: "Anti Hangover Drink" bzw. "Anti Hangover Shot", "Natürlich bei Kater", "Mit unserem Anti-Hangover-Drink führst Du Deinem Körper natürliche, antioxidative Pflanzenextrakte, Elektrolyte und Vitamine zu".

Klage vor dem LG erfolgreich

Der Kläger ist ein Verein, zu dessen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung der Regel des unlauteren Wettbewerbs gehört. Er wandte sich gegen zahlreiche Werbeaussagen der Beklagten. Das Landgericht gab der Klage im Wesentlichen statt.

Informationen über Lebensmittel dürfen Produkt keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung von Krankheiten zuschreiben

Die hiergegen gerichtete Berufung hat auch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main keinen Erfolg. Informationen über ein Lebensmittel dürften diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaft entstehen lassen, betonte das Oberlandesgericht unter Verweis auf Vorgaben der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Eine Aussage sei krankheitsbezogen, wenn sie direkt oder indirekt den Eindruck vermittele, dass das beworbene Lebensmittel zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer Krankheit beitrage. Hier suggerierten die untersagten Aussagen den angesprochenen Verkehrskreisen, bei denen es sich vornehmlich um junge Verbraucher handele, die beim Feiern Alkohol konsumieren, dass das beworbene Produkt zur Behandlung der Symptome eines Alkoholkaters geeignet sei bzw. einem Kater vorbeugen könne.

Begriff "Kater" ist im Interesse eines möglichst wirksamen Gesundheitsschutzes weit auszulegen

Bei einem "Kater" bzw. "Hangover" handele es sich auch um eine Krankheit. Im Interesse eines möglichst wirksamen Gesundheitsschutzes sei der Begriff weit auszulegen. Unter Krankheit sei laut Gericht jede, also auch eine geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers zu verstehen. Das Gericht konkretisierte weiter, dass auch eine nur unerhebliche oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit, die geheilt, beseitigt oder gemindert werden könne und die nicht nur eine normale Schwankung der Leistungsfähigkeit darstelle, zum Begriff der Krankheit rechne. So seien Kopfschmerzen eine Krankheit, nicht aber natürliche physiologische Zustände.

Kater stellt Krankheit dar

Hier werde der Kater mit Symptomen wie Müdigkeit, Übelkeit und Kopfschmerz beschrieben. Derartige Symptome lägen außerhalb der natürlichen Schwankungsbreite des menschlichen Körpers. Sie träten nicht als Folge des natürlichen "Auf und Ab" des Körpers, sondern infolge des Konsums von Alkohol, einer schädlichen Substanz, ein, begründet das Oberlandesgericht. Nicht maßgeblich sei, dass die Symptome regelmäßig von selbst verschwinden und keiner ärztlichen Behandlung bedürften. Die von der Beklagten vorgelegten Gutachten bestätigten die Einschätzung, dass es sich beim Kater um eine Krankheit handele. Dafür spreche bereits, dass es für den Kater einen medizinischen Fachbegriff, nämlich "Veisalgia", gebe.

Berufen auf Health Claim-Verordnung nicht möglich

Die Beklagte könne sich auch nicht drauf berufen, dass ihre Werbung eine zulässige gesundheitsbezogene Angabe in Form eines nach dem Anhang der Health Claim-Verordnung (HCVO) genehmigten Claims darstelle. Der von ihr in Bezug genommene Claim habe mit der hier geschilderten Katersymptomatik nichts zu tun.

Erläuterungen:

Artikel 7 LMIV Lauterkeit der Informationspraxis

(1) Informationen über Lebensmittel dürfen nicht irreführend sein, insbesondere

a) in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung;

b) indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt;

c) indem zu verstehen gegeben wird, dass sich das Lebensmittel durch besondere Merkmale auszeichnet, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Merkmale aufweisen, insbesondere durch besondere Hervorhebung des Vorhandenseins oder Nicht-Vorhandenseins bestimmter Zutaten und/ oder Nährstoffe;

d) indem durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellungen das Vorhandensein eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat suggeriert wird, obwohl tatsächlich in dem Lebensmittel ein von Natur aus vorhandener Bestandteil oder eine normalerweise in diesem Lebensmittel verwendete Zutat durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde.

(2) Informationen über Lebensmittel müssen zutreffend, klar und für die Verbraucher leicht verständlich sein.

(3)Vorbehaltlich der in den Unionsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, vorgesehenen Ausnahmen dürfen Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 24.09.2019
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm/kg)

Vorinstanz:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 08.06.2018
    [Aktenzeichen: 3/10 O 67/17]
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