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Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.02.1996
23 U 171/95 -

Erblindung nach zerborstener Limonadenflasche: Kind erhält 500.000 DM Schmerzensgeld und lebenslange Rente

Limonadenhersteller muss erblindetem Kind 500.000 DM Schmerzensgeld sowie monatliche Schmerzensgeldrente von 500 DM zahlen

Beklagter Getränkeproduzent muss für Folgen einer Gesundheitsverletzung aufgrund einer explodierten Flasche geradestehen. Bei geringem Verschulden ist die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes gering zu bewerten. Jedoch kann dessen Ausgleichsfunktion einen hohen Entschädigungsbetrag für die verursachte Erblindung gebieten.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit diesem Urteil in der Berufung die vorangegangene Entscheidung des Landgerichts Frankfurt bestätigt. Kläger war ein durch seine Eltern vertretenes Kind, das im Alter von drei Jahren durch eine zerborstene Getränkeflasche verletzt worden war.

Nach Verlust eines Auges fortschreitende Erblindung am zweiten Auge

Der Unfall ereignete sich, als das Kind eine kohlensäurehaltige Limonadenflasche in Form einer Mehrwegflasche aus Glas aus der Getränkekiste nahm. Dabei zerbarst die Falsche, wobei ein Glassplitter das Kind am rechten Auge verletzte. Das Auge konnte nicht gerettet werden, sondern musste operativ entfernt werden. In der Folge kam es zudem zu einer Entzündung des linken Auges - einer "sympathischen Ophthalmie". Im Zuge dieser Entzündung verlor das Kind nach und nach die Sehkraft auch seines linken Auges und erblindete mit sieben Jahren vollständig.

Schmerzensgeldbetrag ist außergewöhnlich, aber angemessen

Das Landgericht Frankfurt verurteilte den Getränkehersteller zur Zahlung eines Sockelbetrags des Schmerzensgeldes in Höhe von 500.000 DM sowie einer lebenslänglichen Schmerzensgeldrente in Höhe von monatlich 500 DM. Diese Entscheidung bestätigte das Oberlandesgericht Frankfurt. Maßgeblich für diesen Betrag war die Beeinträchtigung des Kindes durch die Verletzung in allen Lebensbereichen. Zwar handele es sich bei den 500.000 DM um eine ungewöhnlich hohe Summe, die sich jedoch noch im Rahmen der üblicherweise zugebilligten Beträge bewege und keineswegs die Grenzen des Entschädigungsrechts sprenge, sondern diese vielmehr fortschreibe.

Hohe Ausgleichsfunktion gebietet hohes Schmerzensgeld

Das Gericht wertete dabei die Genugtuungsfunktion aufgrund des geringen Verschuldens des Limonadenherstellers als nicht besonders hoch. Ihm konnte nämlich nur vorgeworfen werden, gegen seine Befundsicherungspflicht bezüglich Kratzern und erheblicher Gebrauchsspuren an den verwendeten Mehrwegflaschen verstoßen zu haben.

Erblindung im Kindesalter bedeutet lebenslange erhebliche Belastung

Die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes wurde hingegen in diesem Fall besonders hoch veranschlagt. Dabei spielte insbesondere das geringe Alter des Verletzten eine Rolle, der im Alter von drei Jahren ein Auge verlor und mit sieben Jahren völlig erblindete, so dass er die schweren Folgen seiner Erblindung - das Fehlen jeglicher visueller Wahrnehmungen und Reize - angesichts der durchschnittlichen Lebenserwartung noch etwa 70 Jahre tragen muss. Zudem musste das Kind miterleben, dass seine Sehkraft auch auf dem zunächst nicht verletzten Auge in einem fortschreitenden Prozess ebenfalls verlorenging, was mit einer großen seelischen Belastung verbunden war und auch in Zukunft eine große seelische Belastung darstelle. Ferner bedeute die Erblindung, dass der Kläger ständig auf fremde Hilfe angewiesen sein werde, in seiner Mobilität außerordentlich eingeschränkt sei, erheblichen Einschränkungen bei der Berufswahl und in der Art seiner Freizeitgestaltung unterworfen sei und es auch schwieriger für ihn sei, einen geeigneten Lebenspartner zu finden. Neben diesen Dauerfolgen seien auch die aufgrund der Verletzung notwendigen ärztlichen Eingriffe zu berücksichtigen - darunter mehrere Klinikaufenthalte und Operationen sowie die Notwendigkeit einer ständigen fachärztlichen Behandlung während dieser Zeit.

Erblindung beeinträchtigt alle Lebensbereiche

Die Schmerzensgeldrente von monatlich 500 DM sei berechtigt, da der Kläger die Beeinträchtigungen der Erblindung tagtäglich nachhaltig spüren und schmerzlich empfinden werde. Auch wenn sich der gesamte Schmerzensgeldbetrag mit dieser Rente bei Anwendung der üblichen Kapitalisierungsfaktoren auf insgesamt 668.000 DM erhöhe, handele es sich um eine angemessene und billige Entschädigung.

Schmerzensgeld in vergleichbaren Fällen

Das Oberlandesgericht Frankfurt wies darauf hin, dass der Schmerzensgeldbetrag zwar außergewöhnlich sei, jedoch vertretbar. Denn schon im Jahr 1990 sei in einem Fall der Erblindung nebst Hirnschädigung und weiterer Verletzungen ein Schmerzensgeld von 300.000 DM zugesprochen worden (OLG Frankfurt/M., Urteil vom 03.05.1990, Az. 1 U 65/89). Wenn man bedenke, welchen Verlust es darstelle, sein gesamtes Leben u.a. auf visuelle Wahrnehmungen und Reize zu verzichten und immer auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, so sei klar, dass 300.000 DM nur die untere Schmerzensgeldgrenze darstellen können.

Dies zeige auch der Vergleich mit einer Entscheidung des Landgerichts Marburg (Urteil vom 19.07.1995, Az. 5 O 33/90), in der einem Mann ein Schmerzensgeld von 500.000 DM zugesprochen worden war, der achteinhalb Jahre unnötig in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht war. Diese sich etwa auf ein Zehntel der Lebenserwartung des Mannes beschränkte Beeinträchtigung in der persönlichen Entwicklung wirke sicher nicht so schwer wie eine völlige Entwicklung.

Das Oberlandesgericht konstatierte schließlich, dass auch die Nachteile für die Versichertengemeinschaft, die sich aus einer Ausdehnung der Schmerzensgeldansprüche ergeben können, vertretbar seien, da andererseits die Schadenshöhe auch als Regulativ für das Ausmaß der Vorkehrungen für eine Schadensverhütung wirken könne.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 19.05.2016
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt, ra-online (zt/VersR 1996, 1509/we)

Urteile zu den Schlagwörtern: Erblindung | Flaschen | Getränke | Kind | Kinder | Schmerzensgeld | Schmerzensgeld (ja) | sehbehinderte | blinde Partei | Person

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