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Landgericht Heidelberg, Urteil vom 21.06.2018
3 O 80/18 -

Rennradfahrer hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz nach Zusammenstoß mit Kind auf Lauflernrad

Beim Zusammentreffen mit Kindern im Straßenverkehr gelten besondere Sorgfalts­anforderungen

Das Landgericht Heidelberg hat entschieden, dass ein Rennradfahrer bei einem Sturz nach dem Ausweichen vor einem dreieinhalbjährigen Kind auf einem Lauflernrad keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 17. Mai 2017 befuhr der Kläger mit seinem Rennrad mit einer Geschwindigkeit von mindestens 25 km/h die Walldorfer Straße auf der Höhe des "Racket Centers" in Nußloch. Die Straße dient dem Zufahrtsverkehr des "Racket Centers" und auf ihr sind üblicherweise auch Fußgänger in Richtung Nußloch unterwegs. Zum selben Zeitpunkt ging die Beklagte mit ihrer dreieinhalbjährigen Tochter in der Nähe der Zufahrt zum "Racket Center" auf der Straße spazieren. Die Tochter befuhr die Straße dabei mit einem Lauflernrad, das sie seit etwa eineinhalb Jahren nutzt. Als sich der Kläger der Personengruppe näherte, klingelte er mehrfach, woraufhin sich die Gruppe an den rechten Fahrbahnrand bewegte und die Beklagte ihrer Tochter, die - für den Kläger erkennbar - mit ihrem Lauflernrad weiterhin mittig die Straße befuhr, zurief: "Zur Seite, sofort". Daraufhin fuhr das Mädchen, dem sich der Kläger zwischenzeitlich bis auf wenige Meter genähert hatte, mit seinem Laufrad in Richtung des linken Fahrbahnrandes. Der Kläger fuhr daraufhin links an dem Kleinkind vorbei auf den Grünstreifen des linken Fahrbahnrandes und stürzte. Infolge des Sturzes wurde das Rennrad des Klägers beschädigt und er erlitt eine Kleinfingerfraktur rechts und eine Ellenbogenprellung links.

Radfahrer verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld

Der Kläger verlangte von der Beklagten unter anderem Ersatz der Reparaturkosten für das Rennrad sowie ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von mindestens 1.500 Euro. Der Kläger trug vor, dass er bei der Anfahrt der Gruppe davon habe ausgehen dürfen, dass die Mutter das Kind zu sich nach rechts rufen werde und er daher gefahrlos links an der Gruppe hätte vorbeifahren können. Dass die Mutter das Kind nicht zu sich rufen und es daher an die linke Fahrbahnseite fahren werde, liege außerhalb jeder Lebenserfahrung.

Haftung der Mutter des Kleinkindes tritt hinter weit überwiegendes Mitverschulden des Radfahrers aufgrund deutlich zu hoher Geschwindigkeit zurück

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Landgericht Heidelberg verwies in seiner Entscheidung darauf, dass es bereits an einer Aufsichtspflichtverletzung der beklagten Mutter fehle. Das Fahrenlassen ihrer Tochter auf einem Lauflernrad auf der von motorisiertem Verkehr nur wenig genutzten und optisch eher einem gut ausgebauten Feldweg gleichenden Walldorfer Straße sei dem Alter und dem Können des Kindes angemessen gewesen. Die Beklagte habe durch ihren Zuruf kontrollierend auf ihre Tochter eingewirkt und sie dazu bewegt, eine Passage für den sich nähernden Kläger freizumachen, wie es von Fußgängern im Kontakt mit Radfahrern erwartet werden könne. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die dreijährige Tochter angesichts ihres Alters noch nicht zwischen rechts und links unterscheiden könne und ein derartiger Zuruf somit ausgeschieden sei. Im Übrigen würde eine Haftung der Beklagten hinter dem weit überwiegenden Mitverschulden des Klägers zurücktreten. Im Straßenverkehr gelte das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Komme es zu einem Zusammentreffen von Radfahrern und Fußgängern, müsse der Radfahrer insbesondere auch mit Unaufmerksamkeiten oder Schreckreaktionen der Fußgänger rechnen und seine Fahrweise entsprechend anpassen. Nochmals erhöht seien die Sorgfaltsanforderungen schließlich gegenüber Kindern oder sonstigen hilfsbedürftigen Menschen. Diesen Sorgfaltsanforderungen sei der Kläger in besonderem Maße nicht nachgekommen. Er habe sich grob verkehrswidrig verhalten. Trotz der für ihn von weitem erkennbaren Gefahrensituation, die infolge der Beteiligung eines Kleinkindes, seiner über dem üblichen Durchschnittsmaß liegenden Radfahrgeschwindigkeit und dem zunächst unbemerkten Nähern der Gruppe von hinten ein stark erhöhtes Maß an Sorgfalt und Rücksichtnahme erfordert habe, habe er seine Geschwindigkeit lediglich von etwa 30 km/h auf 25 km/h reduziert. Auf diese Weise habe er auf die dann tatsächlich eingetretene Gefahrensituation nicht mehr durch rechtzeitiges sicheres Bremsen reagieren können.

§ 832 Bürgerliches Gesetzbuch Haftung des Aufsichtspflichtigen

(1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.

(2) [...]

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 30.08.2018
Quelle: Landgericht Heidelberg/ra-online

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Dokument-Nr.: 26373 Dokument-Nr. 26373

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Kommentare (1)

 
 
Jan Ulrich schrieb am 31.08.2018

Kurzfassung: Ein Radfahrer rast auf einer Nebenstraße volle Möhre auf ein Kleinkind zu und ruft "Zur Seite, sofort!". Statt zu bremsen rammelt er auf den Grünstreifen. Genickbruch wäre eigentlich die Folge die hier hätte eintreten müssen, um Mutter und Gerichte nicht sinnbefreit die Zeit zu stehlen. Aber man wünscht ja niemanden was Schlechtes...

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