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Landgericht Coburg, Urteil vom 19.12.2000
- 22 O 709/00 -
Wann muss ein Wild-Unfallschaden trotz Haftungsfreistellung ersetzt werden?
Wer einen Pkw anmietet und dabei eine „Haftungsfreistellung“ vereinbart, fühlt sich erst einmal auf der sicheren Seite – entspricht eine solche Vereinbarung doch weitgehend einer Vollkaskoversicherung. Wenn er allerdings einen Unfall „grob fahrlässig“ verursacht, hilft ihm seine Freistellung nichts: er muss den Schaden selber tragen.
Grund zum Aufatmen für den kraftfahrzeugführenden Tierfreund daher ein jetzt ergangenes Urteil des Landgerichts Coburg: keine grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn nachts urplötzlich ein Wildtier vor dem Fahrzeug auftaucht, der Fahrer das Lenkrad reflexartig verreißt und es zum Unfall kommt. Darum wies es eine Klage über rund 20.000,- DM ab, mit der der Autovermieter vom Mieter Schadensersatz forderte.
Der beklagte Automieter hatte beim bundesweit tätigen Vermieter (Kläger) einen Pkw angemietet. Vereinbart war eine Haftungsfreistellung, die sich am Leitbild einer Vollkaskoversicherung orientierte. Der Beklagte musste deshalb nur für Unfallschäden aufkommen, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachte. Etwa einen Monat nach Anmietung tauchte bei Dunkelheit plötzlich Hase oder Fuchs auf der Landstraße vor dem Mietfahrzeug – und dessen Fahrer – auf. Letztgenannter verriss das Lenkrad und prallte mitsamt Pkw in die Leitplanke. Schaden: gut 20.000,- DM. Die wollte der Kläger nun vom Mieter ersetzt haben. Das Ausweichmanöver sei grob fahrlässig gewesen. Der Beklagte hielt entgegen, er sei nicht bewusst, sondern reflexartig scharf nach links gezogen.
Das angerufene Landgericht Coburg war der Auffassung, eine grobe Fahrlässigkeit habe der Kläger nicht bewiesen. Jedenfalls subjektiv treffe den Beklagten kein erheblich gesteigerter Vorwurf. Es sei absolut nachvollziehbar, dass nachts und bei Tempo 100 das plötzliche Auftauchen eines Wildtieres zu einer Schreckreaktion führen könne. Auch jedem sorgfältigen Kraftfahrer könne eine solche Reaktion unterlaufen. Dass es sich nicht um einen Reflex, sondern um ein bewusstes Fahrmanöver gehandelt habe, stehe deshalb nicht fest.
Fazit - Die für Fuchs/Hase lebensverlängernde Reaktion zog also für den unbewusst handelnden Tierfreund keine negativen finanziellen Folgen nach sich.
Ergänzende Anmerkungen zur Rechtslage:
Die Leistungsfreiheit der Vollkasko-Versicherung – der die Vereinbarungen über eine Haftungsfreistellung regelmäßig entsprechen - bei grob fahrlässigem Verhalten des Versicherungsnehmers folgt aus § 61 VVG. Für grob fahrlässig haben Gerichte beispielsweise folgende Unfallverursachungen befunden: Anzünden einer Zigarette am Steuer während der Fahrt; Aufheben herabgefallener Gegenstände während der Fahrt; Fahrt auf der Autobahn mit 170 – 220 km/h und gleichzeitiges Telefonieren; Beförderung eines großen Hundes auf dem Beifahrersitz, der den Hebel des Automatikgetriebes verstellt; Überfahren einer roten Ampel.
§ 61 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) lautet:
[Schuldhafte Herbeiführung des Versicherungsfalles] Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 10.02.2005
Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg vom 13.03.2004
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Dokument-Nr. 1262
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