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Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 15.09.2015
- C-67/14 -
Deutschland darf arbeitsuchende Unionsbürger von bestimmten Sozialleistungen ausschließen
Grundsatz der Gleichbehandlung bei verweigerten "Hartz IV-Leistungen" nicht verletzt
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass ein Mitgliedstaat Unionsbürger, die in diesen Staat zur Arbeitsuche einreisen, von bestimmten beitragsunabhängigen Sozialleistungen ausschließen darf.
Ausländer, die nach Deutschland kommen, um Sozialhilfe zu erhalten, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, erhalten keine Leistungen der deutschen Grundsicherung*. Im Urteil Dano vom 11. November 2011 hat der Gerichtshof unlängst festgestellt, dass ein solcher Ausschluss bei Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die in einen anderen Mitgliedstaat einreisen, ohne dort Arbeit suchen zu wollen, zulässig ist.
Bundessozialgericht erbittet Vorabentscheidung des EuGH zum möglichen Leistungsausschluss
In der vorliegenden Rechtssache möchte das deutsche Bundessozialgericht wissen, ob ein derartiger Ausschluss auch bei Unionsbürgern zulässig ist, die sich zur Arbeitsuche in einen Aufnahmemitgliedstaat begeben haben und dort schon eine gewisse Zeit gearbeitet haben, wenn Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten.
Sachverhalt
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Jobcenter Berlin Neukölln und vier schwedischen Staatsangehörigen: Frau Alimanovic, die in Bosnien geboren wurde, und ihren drei Kindern, Sonita, Valentina und Valentino, die 1994, 1998 und 1999 in Deutschland zur Welt gekommen sind. Die Familie Alimanovic war 1999 von Deutschland nach Schweden gezogen und ist im Juni 2010 nach Deutschland zurückgekehrt. Nach ihrer Rückkehr waren Frau Nazifa Alimanovic und ihre älteste Tochter Sonita weniger als ein Jahr in kürzeren Beschäftigungen bzw. Arbeitsgelegenheiten tätig. Seither waren sie nicht mehr erwerbstätig. Der Familie Alimanovic wurden daraufhin für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 Leistungen der Grundsicherung bewilligt, nämlich Nazifa Alimanovic und ihrer Tochter Sonita Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Langzeitarbeitslose (Arbeitslosengeld II) und den Kindern Valentina und Valentino Sozialgeld für nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte. Im Jahr 2012 stellte die zuständige Behörde, das Jobcenter Berlin Neukölln, schließlich die Zahlung der Grundsicherungsleistungen mit der Begründung ein, dass Frau Alimanovic und ihre älteste Tochter als ausländische Arbeitsuchende, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, keinen Anspruch auf diese Leistungen hätten. Infolgedessen schloss das Jobcenter auch die anderen Kinder von den entsprechenden Leistungen aus.
Weigerung zur Zahlung bestimmter Geldleistungen verstößt nicht gegen Grundsatz der Gleichbehandlung
In Beantwortung der Fragen des Bundessozialgerichts hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass die Weigerung, Unionsbürgern, deren Aufenthaltsrecht in einem Aufnahmemitgliedstaat sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, bestimmte "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen"** zu gewähren, die auch eine Leistung der "Sozialhilfe" (im Sinne der "Unionsbürgerrichtline" 2004/38/EG) darstellen, nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung*** verstößt.
Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts sind als Sozialleistungen anzusehen
Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts von Personen dienen, die ihn nicht selbst bestreiten können, und beitragsunabhängig durch Steuermittel finanziert werden, auch wenn sie Teil eines Systems sind, das außerdem Leistungen zur Erleichterung der Arbeitsuche vorsieht. Er betont, dass diese Leistungen – ebenso wie in der Rechtssache Dano – als "Sozialhilfe" anzusehen sind.
Für Anspruch auf Leistungen muss Aufenthalt Voraussetzungen der "Unionsbürgerrichtlinie" erfüllen
Insoweit weist der Gerichtshof darauf hin, dass ein
Bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit und Meldung beim Arbeitsamt bleibt Erwerbstätigkeitseigenschaft für mindestens sechs Monate bestehen
Für Arbeitsuchende wie im vorliegenden Fall gibt es – nach den Feststellungen des Gerichtshofs – zwei Möglichkeiten, um ein Aufenthaltsrecht zu erlangen: Ist ein
Bei noch nicht erfolgter Arbeit oder Ablauf der Sechs-Monats-Frist dürfen Sozialhilfeleistung verweigert werden
Wenn ein
Umstände des Einzelnen müssen individuell geprüft werden
Schließlich weist der Gerichtshof noch einmal darauf hin, dass, wenn ein Staat eine Ausweisung veranlassen oder feststellen will, dass eine Person im Rahmen ihres Aufenthalts dem Sozialhilfesystem eine unangemessene Belastung verursacht, die persönlichen Umstände des Betreffenden berücksichtigt werden müssen. Der Gerichtshof betont jedoch, dass eine solche individuelle Prüfung bei einer Fallgestaltung wie der hier vorliegenden nicht erforderlich ist, weil das in der "Unionsbürgerrichtlinie" vorgesehene abgestufte System für die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft (das das Aufenthaltsrecht und den Zugang zu
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 15.09.2015
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
- Deutschland darf nicht erwerbstätige Unionsbürger von bestimmten Sozialleistungen ausschließen
(Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 11.11.2014
[Aktenzeichen: C-333/13]) - Hartz IV: SG Dortmund gewährt trotz aktueller EuGH-Entscheidung weiterhin einstweiligen Rechtsschutz für arbeitsuchende EU-Zuwanderer
(Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom 18.11.2014
[Aktenzeichen: S 35 AS 3929/14 ER])
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