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Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 07.06.2016
- C-47/15 -
Illegale Einreise eines Drittstaatsangehörigen berechtigt Mitgliedsstaat nicht zwingend zur Verhängung einer Freiheitsstrafe
Auferlegung einer Freiheitsstrafe für illegal aufhältigen Drittstaatenangehörigen würde Wirksamkeit der EU-Rückführungsrichtlinie beeinträchtigen
Die Rückführungsrichtlinie verbietet es, dass gegen einen Drittstaatsangehörigen vor der Einleitung eines Rückkehrverfahrens allein deshalb eine Freiheitsstrafe verhängt werden kann, weil er illegal in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats über eine Binnengrenze des Schengen-Raums eingereist ist. Dies gilt auch, wenn der Drittstaatsangehörige, der sich im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats nur auf der Durchreise befindet, bei seiner Ausreise aus dem Schengen-Raum festgenommen wird und ein Verfahren für seine Wiederaufnahme in dem Mitgliedstaat, aus dem er kam, eingeleitet wird. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.
Mit der Richtlinie über die Rückführung
Französisches Recht sieht bei illegaler Einreise Freiheitsstrafe von einem Jahr vor
Nach französischem Recht können
Ghanaische Staatsangehörige wird wegen illegaler Einreise in Frankreich in Polizeigewahrsam genommen
Frau Sélina Affum, die die ghanaische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde am 22. März 2013 an der Einfahrt zum Ärmelkanal-Tunnel an Bord eines Reisebusses, der aus Gent (Belgien) kam und nach London (Vereinigtes Königreich) fuhr, von der französischen Polizei kontrolliert. Da sie einen belgischen Reisepass mit dem Foto und Namen einer anderen Person vorzeigte und keinen Ausweis oder Reiseunterlagen auf ihren eigenen Namen mit sich führte, wurde sie zunächst wegen illegaler Einreise in das französische Hoheitsgebiet in Polizeigewahrsam genommen. Belgien wurde sodann von den französischen Behörden darum ersucht, Frau Affum wieder in das belgische Hoheitsgebiet aufzunehmen.
Betroffene hält Polizeigewahrsam für rechtswidrig
Da Frau Affum geltend machte, dass sie rechtswidrig in Polizeigewahrsam genommen worden sei, legte die Cour de cassation (französischer Kassationsgerichtshof) dem Gerichtshof die Frage vor, ob nach der Rückführungsrichtlinie die illegale Einreise eines Drittstaatsangehörigen in das nationale Hoheitsgebiet mit einer
Richtlinie steht Verwaltungshaft zur Ermittlung eines möglichen illegalen Aufenthalts nicht entgegen
In seinem Urteil erinnert der Gerichtshof zunächst an seine Rechtsprechung aus dem Urteil Achughbabian, auf die die Vorlagefrage der Cour de cassation eigens Bezug nimmt (vgl. .Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 06.12.2011 - C-329/11 -) Nach dieser Rechtsprechung steht die Rückführungsrichtlinie einer mitgliedstaatlichen Regelung entgegen, die den illegalen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen, für den das von dieser Richtlinie geschaffene Rückkehrverfahren noch nicht abgeschlossen wurde, mit einer
Richtlinie auf Drittstaatsangehörige wegen illegaler Einreise anwendbar
Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass die illegale Einreise einen der tatsächlichen Umstände darstellt, der zu einem illegalen Aufenthalt im Sinne der Rückführungsrichtlinie führen kann. Daher ist die Richtlinie auf einen Drittstaatsangehörigen anwendbar, der wie Frau Affum
Der Gerichtshof stellt zudem fest, dass es die von der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen den Mitgliedstaaten nicht gestatten, einen Staatsangehörigen wie Frau Affum vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen, weil er eine Binnengrenze des Schengen-Raums (hier die Grenze zwischen Frankreich und Belgien)
Auferlegung einer Freiheitsstrafe würde praktische Wirksamkeit der Richtlinie beeinträchtigen
Der Umstand, dass bezüglich Frau Affum ein Verfahren für ihre Wiederaufnahme in dem Mitgliedstaat, aus dem sie kam (Belgien), eingeleitet wurde, führt nicht zur Unanwendbarkeit der Richtlinie auf ihren Fall. Die Wiederaufnahme bewirkt nämlich lediglich die Übertragung der Verpflichtung zur Anwendung des Rückkehrverfahrens auf den Mitgliedstaat, der den Staatsangehörigen wieder aufzunehmen hat (hier: Belgien). Einem
Auch ledigliche Durchreise durch Hoheitsgebiet kann als illegaler Aufenthalt angesehen werden
Schließlich steht auch die Tatsache, dass Frau Affum sich lediglich auf der Durchreise befand, der Anwendung der Richtlinie nicht entgegen. Denn ein
Da für Frau Affum die Richtlinie gilt, durfte sie, bevor sie dem Rückkehrverfahren unterworfen wurde, nicht allein deshalb inhaftiert werden, weil sie
Illegalen Einreise allein rechtfertigt nicht Inhaftierung von Drittstaatsangehörigen
Daher hat der Gerichtshof entschieden, dass die Mitgliedstaaten aus denselben Gründen wie denen, die er in seiner Rechtsprechung aus dem Urteil Achughbabian dargelegt hat, nicht allein aufgrund des Umstands einer illegalen Einreise, die zu einem illegalen Aufenthalt führt, die Inhaftierung von Drittstaatsangehörigen gestatten können, für die das mit der Richtlinie geschaffene Rückkehrverfahren noch nicht abgeschlossen wurde, da eine solche Inhaftierung geeignet ist, die Anwendung dieses Verfahrens scheitern zu lassen und die Rückführung zu verzögern, und somit die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie beeinträchtigt. Der Gerichtshof stellt klar, dass dies jedoch nicht die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten ausschließt, die Verwirklichung anderer Straftatbestände als derjenigen im Zusammenhang mit dem bloßen Umstand einer illegalen Einreise, einschließlich in den Situationen, in denen das Rückkehrverfahren noch nicht abgeschlossen wurde, mit einer
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 07.06.2016
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
- Asylbewerber darf zum Zweck der Abschiebung aus dem EU-Gebiet bei illegalem Aufenthalt rechtmäßig in Haft behalten werden
(Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 30.05.2013
[Aktenzeichen: C-534/11]) - EuGH zur Zulässigkeit von strafrechtlichen Sanktionen gegen sich illegal aufhaltende Drittstaatenangehörige
(Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 06.12.2011
[Aktenzeichen: C-329/11])
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Dokument-Nr. 22717
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