Hier beginnt die eigentliche Meldung:
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 04.05.2018
- 2 BvR 632/18 -
Abschiebung eines Gefährders trotz drohender Todesstrafe möglich
Verfassungsbeschwerde gegen Ausweisung nach Tunesien erfolglos
Die Abschiebung eines Gefährders in ein Zielland, in dem ihm die Verhängung der Todesstrafe droht, verstößt nicht gegen das Grundgesetz, wenn eine Vollstreckung der Todesstrafe ausgeschlossen ist. Zusätzlich muss gewährleistet sein, dass der Betroffene die rechtliche und faktische Möglichkeit hat, die sich aus dem Verzicht auf die Vollstreckung einer Todesstrafe ergebende faktische lebenslange Freiheitsstrafe überprüfen zu lassen, so dass jedenfalls eine Chance auf Wiedererlangung der Freiheit besteht. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht und nahm damit die Verfassungsbeschwerde eines tunesischen Staatsangehörigen nicht zur Entscheidung an und erklärte dessen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Untersagung der Abschiebung für erledigt.
Der Beschwerdeführer des zugrunde liegenden Verfahrens ist tunesischer Staatsangehöriger. Er war erstmals 2003 zu Studienzwecken nach Deutschland eingereist. Im Jahr 2015 kam er unter falschem Namen als angeblich syrischer Flüchtling erneut nach Deutschland. Im August 2016 ordnete das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Auslieferungshaft gegen ihn an, weil ein Auslieferungsersuchen der tunesischen Strafverfolgungsbehörden gegen ihn vorlag. Ihm wurde vorgeworfen, als Angehöriger einer terroristischen Organisation in
BVerwG lehnt Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab
Daraufhin ordnete das Hessische Ministerium des Innern und für Sport mit Verfügung vom 1. August 2017 die
Das Bundesverfassungsgericht hat die
Bundesverwaltungsgericht ist verfassungsrechtlich gebotener Sachaufklärungspflicht ausreichend nachgekommen
Der angegriffene Beschluss verletzt nicht das Recht des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz. Das Bundesverwaltungsgericht ist seiner verfassungsrechtlich gebotenen Sachaufklärungspflicht nachgekommen. Es hat eine umfassende Aufklärung zu den rechtlichen und tatsächlichen Umständen einer in
Todesstrafe wird in Tunesien aufgrund eines Moratoriums seit 1991 nicht mehr vollstreckt
Der angegriffene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Das Bundesverwaltungsgericht durfte davon ausgehen, dass eine dem Beschwerdeführer drohende Todesstrafe nicht vollstreckt wird. Für diese Annahme bestehen hinreichende tatsächliche Grundlagen. Aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes und einer in das Verfahren eingeführten Verbalnote des tunesischen Außenministeriums folgt, dass in
Kein Verstoß gegen Recht auf Freiheit und Menschenwürde
Das Bundesverfassungsgericht entschied weiter, dass die durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigte Abschiebungsanordnung nicht gegen das Recht des Beschwerdeführers auf Freiheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG verstößt.
Rechtssystem muss realisierbare Möglichkeit auf Wiedererlangung der Freiheit bereithalten
Die faktische lebenslange Freiheitsstrafe, die aus dem Verzicht auf die Vollstreckung einer Todesstrafe resultiert, begründet im vorliegenden Fall keinen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Allerdings gehört es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzugs, dass dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine konkrete und realisierbare Chance verbleibt, die Freiheit wiedergewinnen zu können. Dies gilt auch für den Fall, dass der Betroffene in einen anderen Staat überstellt wird. Dann muss das dortige Rechtssystem eine realisierbare Möglichkeit auf Wiedererlangung der Freiheit bereithalten. Diese Vorgaben durch das Grundgesetz werden durch Art. 3 EMRK konkretisiert. Ein Verstoß gegen diese Gewährleistung liegt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vor, wenn die lebenslange Freiheitsstrafe de jure oder de facto nicht herabsetzbar ist. Für einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten muss bereits im Zeitpunkt der Verhängung der Strafe sowohl eine Aussicht auf Freilassung als auch eine Möglichkeit der Überprüfung der Haftfortdauer bestehen. Ein Verurteilter hat das Recht, bereits bei Verhängung der Strafe zu wissen, was er tun muss, um für eine Freilassung in Betracht zu kommen und unter welchen Bedingungen eine Überprüfung seiner Strafe erfolgen wird.
Möglichkeit einer Haftentlassung bei zum Tode verurteilten Personen in Tunesien möglich
Die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Lage in
Werbung
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 08.05.2018
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
- Bremer Abschiebungsanordnung gegen einen algerischen Gefährder bestätigt
(Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.03.2018
[Aktenzeichen: BVerwG 1 A 5.17]) - Abschiebungsanordnung gegen radikal-islamistische Gefährder bestätigt
(Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.03.2018
[Aktenzeichen: BVerwG 1 A 4.17])
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Dokument-Nr. 25882
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://www.kostenlose-urteile.de/Beschluss25882
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Senden Sie uns diese Entscheidungen doch einfach für kostenlose-urteile.de zu. Unsere Redaktion schaut gern, ob sich das Urteil für eine Veröffentlichung eignet.