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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.12.2021
2 BvR 1470/20 -

Unzulässige Verfassungs­beschwerde gegen Urteil betreffend die Einführung paritätischer Listen bei der Landtagswahl in Thüringen

Verfassungs­beschwerde mangels ausreichender Begründung unzulässig

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen ein Urteil des Thüringer Verfassungs­gerichts­hofs richtet, in dem das thüringische Gesetz zur Einführung paritätischer Listen bei der Landtagswahl für nichtig erklärt wurde. Die Beschwerdeführenden – zur Landtagswahl Wahlberechtigte und zum Teil Parteimitglieder sowie potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten einer Landesliste – haben die Möglichkeit einer Verletzung von im Verfassungs­beschwerdeverfahren gegen dieses Urteil rügefähigen Grundrechten und grundrechtsgleichen Gewährleistungen nicht ausreichend dargelegt.

Auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs der Landtagsfraktionen der Parteien DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschloss der Thüringer Landtag im Juli 2019 das Siebte Gesetz zur Änderung des Thüringer Landeswahlgesetzes – Einführung der paritätischen Quotierung (Paritätsgesetz). In § 29 wurde folgender neuer Absatz 5 eingefügt: „Die Landesliste ist abwechselnd mit Frauen und Männern zu besetzen, wobei der erste Platz mit einer Frau oder einem Mann besetzt werden kann. Die Landtagsfraktion der AfD leitete ein Verfahren zur Überprüfung des Paritätsgesetzes im Wege der abstrakten Normenkontrolle ein und beantragte, dessen Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen die Thüringer Verfassung festzustellen. Mit angegriffenem Urteil erklärte der Thüringer Verfassungsgerichtshof das Paritätsgesetz für nichtig. Durch das Gesetz werde in verfassungsrechtlich verbürgte subjektive Rechte eingegriffen, ohne dass dieser Eingriff auf eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung gestützt werden könne. Die Beschwerdeführenden sehen sich durch das angefochtene Urteil in verschiedenen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten verletzt.

BVerfG: Getrennte Verfassungsräume von Bundes und der Länder

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie genügt den Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht. Unter dem Grundgesetz verfügen die Länder über eine weitgehende Verfassungsautonomie. Art. 28 Abs. 1 GG enthält nur wenige Vorgaben für die Verfassungen der Länder. Im Übrigen können sie, soweit das Grundgesetz nicht besondere Anforderungen statuiert, ihr Verfassungsrecht und auch ihre Verfassungsgerichtsbarkeit nach eigenem Ermessen ordnen. Im Bereich des Wahlrechts hat das Grundgesetz die Anforderungen, die an demokratische Wahlen zu den Volksvertretungen zu stellen sind, für die Verfassungsräume des Bundes und der Länder in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG jeweils gesondert geregelt. Dabei gewährleisten die Länder den Schutz des subjektiven Wahlrechts bei Wahlen in ihrem Verfassungsraum grundsätzlich allein und abschließend.

Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG und Demokratiegebot aus Art. 20 Abs. 1 und 2 GG nur objektivrechtliche Gewährleistung

Bei den Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte handelt es sich um Akte „öffentlicher Gewalt“, die gemäß Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG der Bindung an die Grundrechte und grundrechtsgleichen Gewährleistungen unterliegen und grundsätzlich mit der Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG angegriffen werden können. Dabei können auch die Verletzung der Prozessgrundrechte einschließlich des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG oder des allgemeinen Willkürverbots sowie die Nichtbeachtung des Gleichberechtigungsgebots gemäß Art. 3 Abs. 2 GG geltend gemacht werden. Davon ausgehend fehlt es an der ausreichenden Darlegung der Möglichkeit einer Verletzung von im Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs rügefähigen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Gewährleistungen der Beschwerdeführenden. Ein Verstoß des angegriffenen Urteils des Thüringer Verfassungsgerichtshofs unmittelbar gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG kommt von vornherein nicht in Betracht. Die Norm betrifft nur die Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Ebenso wenig können sich die Beschwerdeführenden im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren unmittelbar auf Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG berufen, da es sich bei dieser Norm nicht um ein Grundrecht oder ein grundrechtsgleiches Recht, sondern um eine objektivrechtliche Gewährleistung handelt. Gleiches ergibt sich im Ergebnis hinsichtlich einer Verletzung des Demokratiegebots aus Art. 20 Abs. 1 und 2 GG. Nach dem Wortlaut der Norm handelt es sich insoweit ebenfalls um eine objektivrechtliche Gewährleistung.

Keine Auseinandersetzung mit Grundsatz der Gesamtrepräsentation

Darüber hinaus sind die inhaltlichen Ausführungen der Beschwerdeführenden zur Begründung der Ansicht, nur die paritätische Vertretung der Bürgerinnen und Bürger genüge den Anforderungen der repräsentativen Demokratie im Sinne von Art. 20 Abs. 1 GG, unzureichend. Eine Auseinandersetzung mit dem aus dem Demokratieverständnis des Grundgesetzes abgeleiteten Grundsatz der Gesamtrepräsentation fehlt. Nach diesem Repräsentationsverständnis, das der Thüringer Verfassungsgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde legt, beinhaltet das „freie Mandat“ jedes Abgeordneten eine Absage an alle Formen einer imperativen, von regionalen oder gesellschaftlichen Gruppen ausgehenden inhaltlichen Bindung des Abgeordneten bei der Wahrnehmung seines Mandats. Sind die einzelnen Abgeordneten aber Vertreter des ganzen Volkes und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden, hätte es näherer Begründung bedurft, warum nur ein paritätisch zusammengesetztes Parlament dem Konzept der repräsentativen Demokratie im Sinne von Art. 20 Abs. 1 GG entsprechen soll.

Verletzung des Rechts auf Gleichberechtigung ebenfalls nicht ausreichend dargelegt

Die Möglichkeit einer rügefähigen Verletzung des Rechts auf Gleichberechtigung aus Art. 3 Abs. 2 GG zeigen die Beschwerdeführenden ebenfalls nicht in ausreichendem Umfang auf. Es fehlt insoweit schon an einer substantiierten Auseinandersetzung mit der Frage, ob vorliegend der Grundsatz der getrennten Verfassungsräume des Bundes und der Länder der Überprüfung der Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs am Maßstab des Art. 3 Abs. 2 GG entgegensteht. Darüber hinaus kann den Darlegungen der Verfassungsbeschwerde ein aus Art. 3 Abs. 2 GG abzuleitendes Verfassungsgebot der paritätischen Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts nicht entnommen werden. Diesbezüglich wird nicht erörtert, ob Art. 3 Abs. 2 GG statt als Auftrag zur Herbeiführung einer mit einem paritätischen Wahlvorschlagsrecht verbundenen Ergebnisgleichheit lediglich als Gewährleistung tatsächlicher Chancengleichheit zu interpretieren ist. Außerdem setzen sich die Beschwerdeführenden nicht mit der Problematik auseinander, ob der Gesetzgeber bei der Durchsetzung des Gleichstellungsauftrags aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG über einen Gestaltungsspielraum verfügt, der einer Verengung des Regelungsgehalts der Norm auf eine verfassungsrechtliche Pflicht zum Erlass eines paritätischen Wahlvorschlagsrechts entgegenstehen könnte.

Auch Verstoß gegen Willkürverbot nicht ausreichend dargelegt

Weiterhin ist dem Sachvortrag der Beschwerdeführenden ein Verstoß gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Willkürverbot nicht zu entnehmen. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass das Paritätsgesetz in die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl sowie der Freiheit und der Chancengleichheit der Parteien eingreift. Diese Annahme erscheint verfassungsrechtlich jedenfalls nicht von vornherein unhaltbar. Des Weiteren vertritt er die Auffassung, dass auch dem Thüringer Verfassungsrecht das (Gesamt-)Repräsentationsverständnis des Grundgesetzes zugrunde liege, dem eine paritätische „Spiegelung“ der Geschlechter im Parlament fremd sei, sowie dass die Integrationsfunktion der Wahl ein paritätisches Wahlvorschlagsrecht nicht erfordere und das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Thüringer Verfassung (ThürVerf) verankerte Gleichstellungsgebot das Paritätsgesetz nicht zu rechtfertigen vermöge. Die Beschwerdeführenden haben nicht substantiiert dargelegt, dass diese Argumentation auf sachfremden Erwägungen beruht und der Thüringer Verfassungsgerichtshof insbesondere den Inhalt von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf in krasser Weise missdeutet hat.

Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters nicht erkennbar

Schließlich lässt der Sachvortrag der Beschwerdeführenden eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erkennen. Soweit sie eine Divergenzvorlage zur Klärung der Frage, ob Art. 2 Abs. 2 ThürVerf unabhängig von Art. 3 Abs. 2 GG ausgelegt werden dürfe, für notwendig halten, liegt dem die Vorstellung zugrunde, dass Art. 3 Abs. 2 GG ein auch bei Wahlen in den Ländern zu beachtendes Gebot paritätischer Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts beinhaltet. Diese Auffassung ist aber mit Blick auf die getrennten Verfassungsräume von Bund und Ländern nicht ausreichend substantiiert vorgetragen und daher zur Begründung einer Vorlageverpflichtung unzureichend.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 24.01.2022
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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