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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10.03.2008
1 BvR 2388/03 -

Grenzen des Anspruchs auf Auskunft über eine behördliche Datensammlung

Das Bundesverfassungsgericht hat Grenzen für einen Auskunftsanspruch den Bürger gegenüber Behörden erheben können aufgezeigt. Behörden können die Auskunft über bei ihnen gespeicherte Daten verweigern, wenn dadurch die Arbeit der Behörde gefährdet würde, die gesammelten Daten dadurch wertlos würden. Dies entschied das Karlsruher Gericht im Falle eines Bürgers, der vom Bundeszentralamt für Steuern Auskunft über den Inhalt von 13 Aktenordern verlangte, die das Amt über ihn zusammengetragen hatte.

In der Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen sammelt das Bundeszentralamt für Steuern - unter anderem auf der Grundlage des § 88 a Abgabenordnung - steuerlich bedeutsame Angaben über steuerrechtlich relevante Beziehungen von im Inland ansässigen Firmen und Personen zum Ausland und umgekehrt. Die Datensammlung dient der zentralen Erfassung des behördlichen Wissens, um insbesondere den Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu verhindern, durch den Steuern rechtswidrig verkürzt werden sollen. Insbesondere sammelt das Bundeszentralamt Hinweise darauf, ob es sich bei ausländischen Gesellschaften um sogenannte Domizilgesellschaften handelt, die im Ausland ihren Sitz haben, ohne dort geschäftliche oder kommerzielle Tätigkeiten auszuüben. Solche Gesellschaften können dazu genutzt werden, Steuern rechtswidrig zu verkürzen, indem beispielsweise Geschäfte mit einer solchen Gesellschaft vorgetäuscht werden, um Zahlungen an die Gesellschaft als Betriebsausgaben steuerlich absetzen zu können, die tatsächlich an den Steuerpflichtigen zurückgeleitet werden. Der Datenbestand des Bundesamtes setzt sich zusammen aus Meldungen des Steuerpflichtigen selbst, aus Mitteilungen deutscher und ausländischer Finanzbehörden und aus Informationen, die aus allgemein zugänglichen Quellen (z.B. Handelsregister, Nachschlagewerke) entnommen werden. Bei Bedarf werden die Daten an inländische Finanzbehörden übermittelt.

Beschwerdeführer verlangt Auskunft über Inhalt von 13 Aktenordnern

Der Beschwerdeführer verlangte vom Bundesamt Auskunft über die ihn betreffenden Daten. Dem Bundesamt lagen dreizehn umfangreiche Aktenordner vor, in denen der Name des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit mittelbaren und unmittelbaren Beziehungen zu ausländischen Gesellschaften vorkam. Der Beschwerdeführer stützte seinen Anspruch auf § 19 Bundesdatenschutzgesetz, wonach dem Betroffenen grundsätzlich Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu erteilen ist. Das Bundesamt lehnte die Auskunft unter Hinweis darauf ab, dass die gesammelten Informationen durch eine Auskunftserteilung wertlos würden. Der Betroffene könnte sich etwa aus Domizilgesellschaften zurückziehen, die bereits erfasst seien oder in Domizilgesellschaften tätig werden, die dem Amt noch nicht bekannt seien. Durch die Auskunftserteilung werde die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben des Amtes gefährdet. Die gegen die Ablehnung gerichtete Klage des Beschwerdeführers blieb vor den Finanzgerichten erfolglos. Nach Auffassung der Gerichte ist der Auskunftsanspruch nach § 19 Abs. 4 Nr. 1 Bundesdatenschutzgesetz ausgeschlossen. Danach unterbleibt die Auskunftserteilung, soweit die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde.

Auch die Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. Das Interesse des Beschwerdeführers, von den ihn betreffenden informationsbezogenen Maßnahmen des Staates Kenntnis zu erlangen, wird durch sein Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit in der Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährt allerdings keinen Anspruch auf eine bestimmte Art der Informationserlangung. Bei der Ausgestaltung des Zugangs zu Informationen hat der Gesetzgeber zu berücksichtigen, welche Bedeutung ihm für den Grundrechtsschutz des Betroffenen zukommt. Hierfür sind insbesondere die Art und die Eingriffsintensität der jeweiligen informationsbezogenen Maßnahme von Bedeutung, über die oder über deren Ergebnisse der Betroffene informiert werden will.

Gegenüber einer Datensammlung wie der hier umstrittenen ist ein Informationsrecht des Betroffenen auf eigene Initiative ein zentraler Baustein einer staatlichen Informationsordnung, die den grundrechtlichen Vorgaben genügt. Der Gesetzgeber ist folglich verpflichtet, ein solches Informationsrecht zu schaffen. Für ein behördliches Ermessen bei der Entscheidung über die Auskunftserteilung ist in derartigen Fällen verfassungsrechtlich kein Raum. Soweit gegenläufige Geheimhaltungsinteressen des Staates oder Dritter der Information entgegenstehen können, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, geeignete Ausschlusstatbestände zu schaffen, die den einander gegenüberstehenden Interessen Rechnung tragen.

Grundsätzlich besteht ein Auskunftsanspruch nach § 19 Bundesdatenschutzgesetz

Diesen Anforderungen trägt § 19 Bundesdatenschutzgesetz in verfassungsmäßiger Weise Rechnung. Die Norm sieht grundsätzlich einen weit reichenden Anspruch des Betroffenen auf Auskunft vor. Die in der Norm enthaltene Abwägungsklausel stellt sicher, dass eine Auskunft nur dann unterbleiben darf, wenn das Interesse an der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung dem Informationsinteresse des Betroffenen vorgeht.

II. Die Annahme der Gerichte, dass im vorliegenden Fall das Auskunftsinteresse des Beschwerdeführers hinter dem Interesse des Bundesamts an einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung zurückstehen musste, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Ziel der Datensammlung: gleichmäßige Festsetzung und Erhebung von Steuern

1. Die datensammelnde Tätigkeit des Bundesamts ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Speicherung von Informationen in der Datensammlung kann zwar in das Grundrecht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Für derartige Eingriffe enthält jedoch § 88 a AO eine hinreichende verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage. Insbesondere ist die Norm angesichts des von ihr verfolgten Ziels der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.

Informationsinteresse des Beschwerdeführers wiegt gegenüber dem mit der Geheimhaltung verfolgten Ziel der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern vergleichsweise geringer

2. Die Gerichte haben bei der Anwendung des in § 19 Bundesdatenschutzgesetz geregelten Ausschlusstatbestands das grundrechtlich geschützte Auskunftsinteresse des Beschwerdeführers mit dem gegenläufigen öffentlichen Interesse an der Aufgabenerfüllung des Bundesamts in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise abgewogen. In den angegriffenen Urteilen wird im Einzelnen herausgearbeitet, weswegen die Aufgabenerfüllung des Bundesamts durch eine Auskunftserteilung über die gesammelten Daten gefährdet werden kann. Der Zweck der Aufgabe, Informationen über Domizilgesellschaften zu sammeln, würde vereitelt. Eine Auskunftserteilung würde dem Betroffenen offenbaren, über welche seiner unterschiedlichen Funktionen im Ausland das Bundesamt bereits informiert sei. Der Betroffene könnte sein Verhalten dementsprechend auf den Kenntnisstand des Bundesamtes einstellen. Das öffentliche Interesse an der Aufgabenerfüllung gehe dem Informationsinteresse desjenigen, über den Daten gesammelt worden sind, vor, da die gesammelten Daten nach einer Auskunftserteilung weitgehend wertlos würden. Die Einschätzung der Gerichte, das Informationsinteresse des Beschwerdeführers wiege gegenüber dem mit der Geheimhaltung verfolgten Ziel der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern vergleichsweise geringer, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

3. Dem Umstand, dass der Beschwerdeführer infolge des Ausschlusses seines Auskunftsanspruchs derzeit die Richtigkeit der gesammelten Daten und die Rechtmäßigkeit ihrer fortdauernden Speicherung nicht wirkungsvoll überprüfen lassen kann, ist Rechnung zu tragen, wenn die Daten in einem konkreten steuerbehördlichen Verfahren zum Nachteil des Beschwerdeführers herangezogen werden. Dabei ist sicherzustellen, dass dem Beschwerdeführer keine Nachteile aus der zeitlichen Verlagerung des Rechtsschutzes erwachsen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.03.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 42/2008 vom 28. März 2008

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