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Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.01.2017
- V ZR 96/16 -
Nachträglicher Einbau eines Aufzugs in Wohnungseigentumsanlage bedarf der Zustimmung aller Eigentümer
BGH zur Barrierefreiheit in Wohnungseigentumsanlagen
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein einzelner Wohnungseigentümer in dem gemeinschaftlichen Treppenhaus grundsätzlich nur dann einen Personenaufzug auf eigene Kosten einbauen darf, wenn alle übrigen Wohnungseigentümer ihre Zustimmung hierzu erteilen. Dies gilt auch dann, wenn der bauwillige Wohnungseigentümer aufgrund einer Gehbehinderung auf den Aufzug angewiesen ist, um seine Wohnung zu erreichen; die übrigen Wohnungseigentümer können allerdings verpflichtet sein, den Einbau eines Treppenlifts oder einer Rollstuhlrampe zu dulden. Zu der Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst einen Aufzug einbauen kann, wenn die Wohnungseigentümer dies mit qualifizierter Mehrheit beschlossen haben, verhält sich die Entscheidung nicht.
In dem zugrunde liegenden Verfahren besteht die Wohnanlage aus zwei Wohnblöcken mit jeweils vier Hauseingängen. Der im Jahr 1936 geborene Kläger ist Eigentümer einer im fünften Obergeschoss gelegenen Wohnung sowie einer deutlich kleineren, vermieteten Wohnung im Erdgeschoss der Anlage. Einen
LG: Wohnungseigentümergemeinschaft muss geräuscharmen, maschinenraumlosen Personenaufzugs in dem Treppenschacht dulden
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht ihr mit Einschränkungen stattgegeben. Es hat im Wege der sogenannten Beschlussersetzung beschlossen, dass die
BGH: Bauliche Maßnahmen bedürfen der Zustimmung der Miteigentümer
Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts wiederhergestellt, mit dem die Klage abgewiesen worden ist. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Kläger die bauliche Maßnahme nur durchführen darf, wenn die übrigen
Übrigen Wohnungseigentümern darf kein Nachteil durch bauliche Maßnahmen entstehen
Für die Frage, ob die Zustimmung erforderlich ist, kommt es entscheidend darauf an, ob den übrigen Wohnungseigentümern ein Nachteil im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG* i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG** erwächst, der "über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht". Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist ein solcher Nachteil anzunehmen. Dies ergibt sich aus einer fallbezogenen Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen. Neben dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG), auf das sich jede der Parteien berufen kann, ist auf Seiten des Klägers Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG*** zu beachten, wonach niemand wegen seiner
Einbau des Aufzugs wäre nur mit erheblichen Eingriffen in die Substanz des Gemeinschaftseigentums machbar
Anders liegt es aber bei dem Einbau eines Personenaufzugs. Dieser begründet einen Nachteil im Sinne der genannten Normen. Er ist nur mit erheblichen Eingriffen in die Substanz des Gemeinschaftseigentums machbar und verengt in aller Regel - wie auch hier - den im Treppenhaus zur Verfügung stehenden Platz erheblich. Bei lebensnaher Betrachtung erfordert er schon wegen der bauordnungs- und brandschutzrechtlichen Vorgaben einen massiven konstruktiven Eingriff in den Baukörper. Zudem kann die private Verkehrssicherungspflicht im Außenverhältnis zu Dritten Haftungsrisiken auch für die übrigen
Sondernutzungsrecht für Aufzug bedarf Vereinbarung aller Wohnungseigentümer
Die Klage ist auch aus einem weiteren Grund abzuweisen. Soll nämlich der einzubauende Personenaufzug - wie hier - nur einzelnen bau- und zahlungswilligen Wohnungseigentümern zur Verfügung stehen, wird diesen ein Sondernutzungsrecht an dem für den Einbau vorgesehenen Treppenhausteil eingeräumt; dafür bedarf es einer Vereinbarung aller
Erschwernisse beim Erreichen der Wohnung können nicht zu Lasten der übrigen Wohnungseigentümer abgewendet werden
Mit dem Grundgesetz ist dieses Ergebnis vereinbar. Zwar ist die Wohnung des Klägers den Feststellungen des Berufungsgerichts zufolge schwer veräußerlich und für eine gehbehinderte Person nur mit einem Personenaufzug gut zu erreichen. Es hat sich aber ein Risiko verwirklicht, das der Kläger eingegangen ist, als er in der konkreten Region eine im fünften Obergeschoss gelegene Wohnung erworben hat, die mit niederschwelligen Hilfsmitteln wie einem
Erläuterungen
* - § 22 WEG Besondere Aufwendungen, Wiederaufbau
(1) Bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, können beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder
** - § 14 WEG Pflichten des Wohnungseigentümers
Jeder
1. die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen
*** - Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG
Niemand darf wegen seiner
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 13.01.2017
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
- Amtsgericht Cottbus, Urteil vom 23.10.2014
[Aktenzeichen: 37 C 5/14] - Landgericht Cottbus, Urteil vom 14.03.2016
[Aktenzeichen: 16 S 264/14 WEG]
- Wohneigentümer hat keinen Anspruch auf Errichtung eines Außenaufzugs bei dadurch bedingtem erheblichen Wertverlust der Wohnanlage
(Amtsgericht München, Urteil vom 25.02.2013
[Aktenzeichen: 411 C 8027/13]) - Wohneigentumsrecht: Verbot des Tiertransports im Aufzug kann durch Wohnungseigentümer beschlossen werden
(Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 12.12.2013
[Aktenzeichen: 5 S 43/13])
Jahrgang: 2017, Seite: 290 NJW-Spezial 2017, 290
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Dokument-Nr. 23698
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