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Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.01.2022
V ZR 76/20 -

BGH: Bestandskräftige Baugenehmigung schließt Unter­lassungs­anspruch des Nachbarn wegen Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Rechts aus

Legalisierungs­wirkung der Baugenehmigung

Eine bestandskräftige Baugenehmigung schließt einen Unter­lassungs­anspruch des Nachbarn wegen Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Rechts aus. Insofern kommt der Baugenehmigung eine Legalisierungs­wirkung zu. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2007 erhielt der Betreiber eines landwirtschaftlichen Betriebs in Baden-Württemberg eine Baugenehmigung für eine Getreideübergabehalle. Die Eigentümer zweier in unmittelbarer Nachbarschaft zum landwirtschaftlichen Betrieb befindliche Grundstücke klagten im Jahr 2017 auf Unterlassung. Die Grundstücke lagen in einem Dorfgebiet bzw. allgemeinen Wohngebiet. Die Grundstückseigentümer fühlten sich von dem Verkehr zur Halle mit landwirtschaftlichen Maschinen, Lieferfahrzeugen und Sattelschleppern gestört.

Landgericht wies Klage ab, Oberlandesgericht gab ihr teilweise statt

Während das Landgericht Ulm die Klage abwies, gab ihr das Oberlandesgericht Stuttgart teilweise statt. Es sah eine Verletzung des Anspruchs auf Erhaltung des im Bebauungsplan festgesetzten Gebietscharakters. Die erteilte Baugenehmigung stehe dem nicht entgegen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision des Beklagten.

Bundesgerichtshof verneint Unterlassungsanspruch bei Vorliegen einer bestandskräftigen Baugenehmigung

Der Bundesgerichtshof führte zum Fall aus, dass die Verletzung des öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Wahrung der im Bebauungsplan festgesetzten Gebietsart einen Unterlassungsanspruch des Nachbarn gemäß §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB begründen könne. Der Gebietserhaltungsanspruch komme aber nicht in Betracht, wenn und soweit die Grundstücksnutzung von einer bestandskräftigen Baugenehmigung gedeckt ist.

Legalisierungswirkung der Baugenehmigung

Der Unterlassungsanspruch sei nach Auffassung des Bundesgerichtshofs streng akzessorisch zum öffentlichen Recht. Denn er setze voraus, dass die Grundstücksnutzung, deren Unterlassung begehrt wird, gegen die öffentliche Norm verstoße, auf deren Schutz sich der Nachbar beruft. Dies sei ausgeschlossen, wenn die Grundstücksnutzung öffentlich-rechtlich bestandskräftig genehmigt wurde. Insofern entfalte die Baugenehmigung eine Legalisierungswirkung. Die Genehmigung treffe eine regelnde Feststellung über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den einschlägigen nachbarschützenden Vorschriften des öffentlichen Rechts. An diese Feststellung seien die Zivilgerichte gebunden.

Ausnahmen bei nachbarschützenden Auflagen und vereinfachten Verfahren

Eine Ausnahme bestehe zum einen dann, so der Bundesgerichtshofs, wenn die Baugenehmigung Auflagen mit nachbarschützendem Charakter enthalte oder zum anderen dann, wenn die Einhaltung der nachbarschützenden Vorschriften von der Behörde nicht geprüft wurde, wie zum Beispiel bei Erteilung der Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren. In beiden Fällen komme ein Unterlassungsanspruch des Nachbarn in Betracht.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 14.12.2022
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

Vorinstanzen:
  • Landgericht Ulm, Urteil vom 11.07.2019
    [Aktenzeichen: 2 O 387/17]
  • Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 13.03.2020
    [Aktenzeichen: 5 U 351/19]
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Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht (BauR)
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 | Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR)
Jahrgang: 2022, Seite: 758
MDR 2022, 758
 | Zeitschrift: Neue Justiz (NJ)
Jahrgang: 2022, Seite: 317
NJ 2022, 317
 | Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM)
Jahrgang: 2022, Seite: 594
WuM 2022, 594
 | Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht (ZfBR)
Jahrgang: 2022, Seite: 441
ZfBR 2022, 441

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