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Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.12.2015
2 StR 525/13 -

BGH bestätigt Verurteilung wegen unerlaubten Handelns mit nikotinhaltigen E-Zigaretten

Schutz der Gesundheit der Verbraucher und Verhinderung von Fehlgebrauch durch Jugendliche rechtfertigt Eingriff in Berufs­ausübungs­freiheit

Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung eines Ladenbesitzers wegen unerlaubten Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen durch den Vertrieb nikotinhaltiger Verbrauchsstoffe für elektronische Zigaretten bestätigt.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das Landgericht Frankfurt am Main hatte den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen unter Verwendung nicht zugelassener Stoffe in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen, die zum anderweitigen oralen Gebrauch als Rauchen oder Kauen bestimmt sind, zu einer Geldstrafe verurteilt.

Hintergrund

Nach den Feststellungen des Landgerichts vertrieb der Angeklagte seit Ende des Jahres 2008 elektronische Zigaretten (E-Zigaretten) und die dazugehörigen Verbrauchsstoffe (Liquids), die er über Zwischenhändler aus China und den Niederlanden bezog. Im Februar 2012 wurden bei dem Angeklagten etwa 15.000 nikotinhaltige Liquids sichergestellt, die zum Verkauf bestimmt waren.

Angeklagte verfügte nicht über Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen

Das Landgericht hat die von dem Angeklagten vertriebenen Verbrauchsstoffe für E-Zigaretten als Tabakprodukte im Sinne des § 3 Abs. 1 Vorläufiges Tabakgesetz (VTabakG) eingestuft. Da der Angeklagte über keine Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen verfügte und die sichergestellten Liquids die Stoffe Glycerin, Propylenglycol und Ethanol enthielten, die für die Herstellung von Tabakerzeugnissen nicht (allgemein) zugelassen sind, hat das Landgericht den Straftatbestand des § 52 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG als erfüllt angesehen.

Angebotene Verbrauchsstoffe wurden nicht als Mittel zur Rauchentwöhnung vertrieben

Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision des Angeklagten als unbegründet. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main ist damit rechtskräftig. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellen die angebotenen Verbrauchsstoffe zwar keine Arzneimittel dar, weil sie unabhängig von einem therapeutischen Nutzen für die Rauchentwöhnung gesundheitsschädlich sind und der Angeklagte die Verbrauchsstoffe auch nicht als Mittel zur Rauchentwöhnung vertrieben hat. Bei den Verbrauchsstoffen, die aus Rohtabak gewonnenes Nikotin in unterschiedlichen Konzentrationen enthielten, handelt es sich jedoch um Tabakerzeugnisse zum anderweitigen oralen Gebrauch (§ 3 Abs. 1 VTabakG).

Straftatbestand ausreichend begründet

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist die Strafvorschrift des § 52 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG verfassungskonform. Der Straftatbestand ist im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG hinreichend bestimmt. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) wird durch den gesetzgeberischen Zweck, die Gesundheit der Verbraucher zu schützen und einen Fehlgebrauch durch Minderjährige zu verhindern, gerechtfertigt. Damit bestehen zugleich sachliche Gründe für eine im Vergleich zu Tabakzigaretten abweichende rechtliche Behandlung von Verbrauchsstoffen, die zur Verwendung in E-Zigaretten bestimmt sind. Der Straftatbestand verstößt daher auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

§ 3 Abs. 1 VTabakG lautet wie folgt:

Tabakerzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes sind aus Rohtabak oder unter Verwendung von Rohtabak hergestellte Erzeugnisse, die zum Rauchen, Kauen oder anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind.

§ 20 VTabakG lautet auszugsweise:

Absatz 1:

Es ist verboten,

1. bei dem gewerbsmäßigen Herstellen von Tabakerzeugnissen, die dazu bestimmt sind, in den Verkehr gebracht zu werden, Stoffe zu verwenden, die nicht zugelassen sind;

2. Tabakerzeugnisse gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, die entgegen dem Verbot der Nummer 1 hergestellt sind oder einer nach Absatz 3 Nr. 1 oder Nr. 2 Buchstabe a erlassenen Rechtsverordnung nicht entsprechen;

[...]

§ 21 VTabakG lautet auszugsweise:

Absatz 1:

Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates,

1. soweit es zum Schutz des Verbrauchers oder im Falle des Buchstabens f auch Dritter vor Gesundheitsschäden erforderlich ist,

[...]

g) das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen, die zum anderweitigen oralen Gebrauch als Rauchen oder Kauen bestimmt sind, zu verbieten [...]

§ 52 VTabakG lautet auszugsweise:

Absatz 1:

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer [...]

Absatz 2:

Ebenso wird bestraft, wer

1. entgegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 bei dem Herstellen von Tabakerzeugnissen nicht zugelassene Stoffe verwendet, einer nach § 20 Abs. 3 oder einer nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a bis c oder g oder nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b oder c erlassenen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist, oder Tabakerzeugnisse entgegen § 20 Abs. 1 Nr. 2 oder § 21 Abs. 2 oder Stoffe entgegen § 20 Abs. 1 Nr. 3 in den Verkehr bringt [...]

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 10.02.2016
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Vorinstanz:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 07.06.2013
    [Aktenzeichen: 5/26 KLs 13/12 8920 Js 236334/11]
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Kommentare (1)

 
 
Dr.Hans-Joachim Radisch schrieb am 18.02.2016

Deutsche Gerichte haben sich inzwischen daran gewöhnt, den altehrwürdigen, für einen demokratischen Rechtsstaat fundamentalen Rechtsgrundsatz "Nulla poena sine lege" mit Füßen zu treten, der als Gesetzmäßigkeitsgrundsatz sowohl in § 1 StGB, dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes und in der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegt ist. Nach diesem Grundsatz darf nur bestraft werden, der ein Strafgesetz verletzt, das ausdrücklich in seinem Wortlaut genau das Verhalten als strafbar bezeichnet, wegen dessen die staatliche Bestrafung erfolgen soll. So hat das Reichsgericht zu Kaisers Zeiten wegen dieses Grundsatzes die Bestrafung der unerlaubten Ableitung von Elektrizität als Diebstahl abgelehnt, weil sie nicht den Tatbestand der "Wegnahme einer Sache" erfüllte. So zwang das Reichsgericht damals den Gesetzgeber, die unerlaubte Ableitung elekrischer Energie über eine gesonderte Strafvorschrift - § 248c StGB - zur strafbaren Handlung zu machen.

Stattdessen entscheidet sich die Rechtsprechung - wie hier der BGH - immer häufiger zur Wiederanwendung des nationalsozialistischen § 2 StGB von 1935, der

folgendes kodifizierte:

„Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient. Findet auf die Tat kein bestimmtes Strafgesetz unmittelbar Anwendung, so wird die Tat nach dem Gesetz bestraft, dessen Grundgedanke auf sie am besten zutrifft“.

Mit vorliegendem Urteil macht der BGH faktisch und unausgesprochen nicht ein Strafgesetz, sondern das allerortens wieder auflebende Kriterium des "gesunden Volksempfindens" zum Maßstab seiner Rechtsprechung.

Die Merkelrepublik, deren scheinbar vorrangiger Zweck die Bekämpfung von Rechtsextremismus und die Verfolgung Rechtsradikaler ist, wandelt selbst immer stärker auf den Pfaden nationalsozialistischer (Un-)Rechtsprinzipien, deren Beschreiten sie ihren Kritikern immer vorwirft. Dieses Urteil ist ein handfestes Beispiel.

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