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Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.10.2006
 XII ZR 197/02  -

Hausmann ist Kindern aus früherer Ehe weiterhin unterhaltspflichtig - Nebenjob zum Unterhalt zumutbar

Bundesgerichtshof entwickelt Hausmannrecht­sprechung weiter

Ein Hausmann muss einen Nebenjob annehmen, wenn dies für den Unterhalt seiner Kinder aus erster Ehe notwendig ist. Das geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor, mit der dieser die so genannte Hausmannrecht­sprechung weiter entwickelte. Im entschiedenen Fall lebte ein Brasilianer in zweiter Ehe und hatte die Betreuung der Kinder übernommen, weil seine Frau mit ihrer Arbeit wesentlich mehr verdiente als er.

Die 1990 bzw. 1991 geborenen Kläger sind Kinder des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Der Beklagte ist wieder verheiratet. Aus dieser Ehe sind drei weitere Kinder hervorgegangen. Der Beklagte hat in seiner neuen Ehe die Haushaltstätigkeit und Kindererziehung übernommen und erzielt keine eigenen Einkünfte. Er ist brasilianischer Staatsangehöriger; seine Ausbildung zum Bauzeichner wird in der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt. Seine zweite Ehefrau ist Diplompädagogin, betreibt ein Kleinstheim für psychisch auffällige Kinder und erzielt daraus Einkünfte, die sich - einschließlich eines Wohnvorteils im eigenen Haus - auf rund 2.500 € belaufen.

Das Oberlandesgericht hatte den Beklagten zur Zahlung von Unterhalt an seine Kinder aus erster Ehe in zeitlich gestaffelter Höhe verurteilt. Er sei verpflichtet, neben der Betreuung und Erziehung seiner Kinder aus zweiter Ehe einen Nebenerwerb auszuüben, um auch die gleichrangigen Ansprüche auf Barunterhalt seiner Kinder aus erster Ehe erfüllen zu können. Mit seiner Revision erstrebte der Beklagte den Wegfall seiner Unterhaltspflicht und Abweisung der Klage, weil er zu Unterhaltsleistungen nicht in der Lage sei.

Weil die zweite Ehefrau des Beklagten mit seinen Kindern aus erster Ehe nicht verwandt und ihnen deswegen auch nicht unterhaltspflichtig ist, kann für den Unterhaltsanspruch dieser Kinder nur auf die Leistungsfähigkeit des Beklagten selbst abgestellt werden. Allerdings bestehen die Unterhaltsansprüche aller minderjährigen Kinder des Beklagten aus seinen beiden Ehen gleichrangig nebeneinander, weswegen der Beklagte sich nicht aussuchen darf, welche Ansprüche er davon erfüllen will (hier die Betreuung und Erziehung der Kinder aus zweiter Ehe) und welche nicht (hier den Barunterhalt für die Kinder aus erster Ehe). Zur Lösung des Interessenkonflikts der Kinder aus erster und zweiter Ehe hat der Bundesgerichtshof an der sog. Hausmannrechtsprechung festgehalten und diese in einem hier entscheidenden Aspekt weiter entwickelt:

Übernimmt der seinen Kindern aus erster Ehe barunterhaltspflichtige Elternteil in seiner neuen Ehe die Kindererziehung, so ist der damit verbundene Rollenwechsel unterhaltsrechtlich nur dann zu akzeptieren, wenn wirtschaftliche Gesichtspunkte oder sonstige Gründe von gleichem Gewicht einen erkennbaren Vorteil für die neue Familie mit sich bringen. Ist das nicht der Fall, muss sich der seinen Kindern aus erster Ehe barunterhaltspflichtige Elternteil so behandeln lassen, als ob er vollschichtig berufstätig wäre, und das daraus erzielbare – höhere - Einkommen zunächst für alle gleichrangigen Unterhaltsansprüche einsetzen. Im vorliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof die Rollenwahl akzeptiert, weil die zweite Ehefrau ein weitaus höheres Einkommen erzielt, als der Beklagte wegen seiner Sprachprobleme und der fehlenden Anerkennung seiner Ausbildung erzielen könnte.

Obwohl der barunterhaltspflichtige Elternteil unterhaltsrechtlich berechtigt war, in seiner neuen Ehe die Hausmannrolle zu übernehmen, mutet ihm das Gesetz wegen der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber allen minderjährigen Kindern besondere Anstrengungen zu. Nach der Hausmannrechsprechung des Bundesgerichtshofs ist er deswegen verpflichtet, neben der Beaufsichtigung und Erziehung seiner Kinder aus zweiter Ehe eine Teilzeiterwerbstätigkeit auszuüben. Seine zweite Ehefrau hat ihn in diesem Umfang von den Erziehungsaufgaben freizustellen, weil auch sie von den gleichrangigen Unterhaltsansprüchen der Kinder aus erster Ehe Kenntnis hat. In welchem Umfang eine Erwerbstätigkeit neben der Kindererziehung möglich ist, muss im Einzelfall geklärt werden. Das Oberlandesgericht hatte einen Nebenerwerb von 325 €/mtl. für zumutbar gehalten; dieses hat der Bundesgerichtshof akzeptiert. Daneben steht dem Beklagten als Hausmann in seiner neuen Ehe ein Anspruch auf Familienunterhalt gegen seine zweite Ehefrau zu. Soweit dieser Anspruch sich als Taschengeld auf einen Geldbetrag richtet, kann der Beklagte auch diesen für den Unterhalt seiner Kinder aus erster Ehe verwenden. Für den Unterhalt der Kinder aus erster Ehe muss der Beklagte das Nebenerwerbseinkommen und das Taschengeld aber nur dann einsetzen, wenn sein eigener notwendiger Selbstbehalt, der z.Zt. 890 € beträgt, durch den (übrigen) Anspruch auf Familienunterhalt gegen seine zweite Ehefrau gesichert ist. Im vorliegenden Fall war das sichergestellt.

Wäre der Beklagte allerdings in seiner zweiten Ehe in Vollzeit berufstätig, würde sich hier sogar ein geringerer Unterhaltsanspruch der Kinder aus erster Ehe ergeben. Denn der Beklagte könnte auch im Rahmen einer Vollzeittätigkeit nur ein sehr begrenztes - wenn auch höheres - Einkommen erzielen, als ihm neben der Kinderbetreuung als Entgelt aus einer Nebentätigkeit zurechenbar ist. Davon müsste er aber zunächst seinen eigenen notwendigen Selbstbehalt absichern. Nur der verbleibende Rest stünde dann für den Unterhalt aller Kinder aus beiden Ehen zur Verfügung. Für jeden einzelnen Unterhaltsberechtigten würde sich im Rahmen der dann durchzuführenden Mangelfallberechnung nur ein geringerer Unterhaltsanspruch ergeben, als dies auf der Grundlage der Hausmannrechtsprechung der Fall ist. Der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden, dass der Unterhaltsanspruch der Kinder aus erster Ehe nicht durch den fiktiven Unterhaltsanspruch begrenzt ist, der bestünde, wenn der Beklagte in seiner zweiten Ehe nicht die Hausmannrolle übernommen hätte, sondern vollschichtig berufstätig wäre. Der Unterhaltsanspruch auf der Grundlage einer fiktiven Vollzeiterwerbstätigkeit bildet deswegen nur einen Mindestbetrag, der durch das Einkommen aus Nebenerwerbstätigkeit neben der tatsächlich ausgeübten Hausmannrolle überschritten werden kann.

Vorinstanzen

AG Bremen - 67 F 2329/01 – Entscheidung vom 28.02.2002

OLG Bremen - 5 UF 29/02 - Entscheidung vom 27.06.2002

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der Leitsatz

BGB §§ 1356 Abs. 2, 1360, 1360 a, 1603 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, 1606 Abs. 3 Satz 2, 1609 Abs. 1

a) Ein seinen Kindern aus erster Ehe barunterhaltspflichtiger Elternteil darf aus unterhaltsrechtlicher Sicht in einer neuen Ehe nur dann die Haushaltsführung und Kindesbetreuung übernehmen, wenn wirtschaftliche Gesichtspunkte oder sonstige Gründe von gleichem Gewicht, die einen erkennbaren Vorteil für die neue Familie mit sich bringen, im Einzelfall den Rollentausch rechtfertigen (im Anschluss an das Senatsurteil vom 13. März 1996 - XII ZR 2/95 - FamRZ 1996, 796).

b) Im Falle eines berechtigten Rollentausches ist die Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern aus erster Ehe auf der Grundlage einer Nebenerwerbstätigkeit und des Taschengeldanspruchs nicht durch einen fiktiven Unterhaltsanspruch begrenzt, der sich ergäbe, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil auch in seiner neuen Ehe vollzeiterwerbstätig wäre und von solchen Einkünften seinen eigenen Selbstbehalt sowie alle weiteren gleichrangigen Unterhaltsansprüche abdecken müsste (Aufgabe der Senatsrechtsprechung in den Senatsurteilen vom 31. März 1982 - IVb ZR 667/80 - FamRZ 1982, 590, vom 26. September 1984 - IVb ZR 32/83 - NJW 1985, 318, vom 11. Februar 1987 - IVb ZR 81/85 - FamRZ 1987, 472, vom 19. November 1997 - XII ZR 1/96 - FamRZ 1998, 286, vom 18. Oktober 2000 - XII ZR 191/98 - FamRZ 2001, 1065 und Weiterführung des Senatsurteils vom 12. November 2003 - XII ZR 111/01 - FamRZ 2004, 364).

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 05.10.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 131/06 des BGH vom 05.10.2006

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