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Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 28.06.2022
- 2 BvL 9/14, 2 BvL 14/14, 2 BvL 13/14 und 2 BvL 10/14 -
Ausschluss ausländischer Staatsangehöriger mit humanitären Aufenthaltstiteln vom Kindergeld verfassungswidrig
Kindergeldausschluss bestimmter Gruppen von Migranten verstößt gegen das Grundgesetz
Das Bundesverfassungsgericht hat auf die Vorlage eines Finanzgerichts entschieden, dass § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 (im Folgenden: EStG 2006) gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt und die Vorschrift für nichtig erklärt.
In den vier Ausgangsverfahren machen nicht freizügigkeitsberechtigte ausländische Eltern mit Wohnsitz im Inland Ansprüche auf
BVerfG: § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG 2006 ist materiell verfassungswidrig
Die Vorlagen sind zulässig, soweit sie § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG 2006 betreffen. Soweit das Vorlagegericht darüber hinaus ausdrücklich § 62 Abs. 2 EStG 2006 insgesamt mit den dort erfassten zusätzlichen Fallgruppen zur verfassungsrechtlichen Prüfung stellt, sind sie hingegen unzulässig, weil es auf diese Fallgruppen für die vorliegenden Fälle nicht ankommt. § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG 2006 ist formell verfassungsmäßig, insbesondere besteht eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 105 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 GG. Soweit das
Regelungen unvereinbar und nichtig
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches seinem Wesen entsprechend ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Den Steuergesetzgeber bindet Art. 3 Abs. 1 GG an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der gebietet, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen hin angelegt ist. Zwar belässt der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes ebenso wie bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum. Der Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten verlangt jedoch eine gesetzliche Ausgestaltung der Steuer, die den Steuergegenstand in den Blick nimmt und mit Rücksicht darauf eine gleichheitsgerechte Besteuerung des Steuerschuldners sicherstellt. Unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung der betroffenen Steuerpflichtigen muss die Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes folgerichtig im Sinne von belastungsgleich erfolgen. Nach diesen Maßstäben ist § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG 2006 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig. Die Regelung bewirkt eine
Unterscheidung nach prognostizierter Bleibedauer kann Ungleichbehandlung rechtfertigen - gewählten Differenzierungskriterien jedoch ungeeignet
Diese
Benachteiligung lässt sich auch nicht durch eine Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung rechtfertigen
Auch steht es der Aussicht auf einen unbefristeten Aufenthaltstitel nicht zwingend entgegen, wenn die in § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG 2006 genannten Kriterien im Zeitpunkt der Entscheidung nicht erfüllt sind. Zwar ist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis Voraussetzung, dass der Lebensunterhalt gesichert ist (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Da dies jedoch zukunftsorientiert zu beurteilen ist, kommt es nicht darauf an, ob der Betroffene aktuell erwerbstätig ist, sondern ob angenommen werden kann, dass er dies in der Zukunft auf Dauer sein wird. Die mangelnde Eignung der vorgelegten Vorschrift zur Erfassung relevanter Unterschiede bei der Prognose zur Aufenthaltsdauer wird in der Mehrzahl der Ausgangsfälle zudem daran deutlich, dass ausschlaggebend für die Verweigerung von
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 03.08.2022
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)
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Dokument-Nr. 32042
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