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Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 03.07.2007
2 BvE 2/07 -

Tornado-Einsatz in Afghanistan war verfassungsgemäß

Linksfraktion scheitert mit Organklage vor dem Bundesverfassungsgericht

Die gegen die Bundesregierung gerichtete Organklage der Bundestagsfraktion PDS/Die Linke, die die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) in Afghanistan betrifft, war erfolglos. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat festgestellt, dass die Bundesregierung mit dem Beschluss zur Entsendung von Tornado-Aufklärungsflugzeugen nach Afghanistan keine Rechte des Deutschen Bundestags aus Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 24 Abs. 2 GG verletzt hat. Der NATO-geführte ISAF-Einsatz in Afghanistan diene der Sicherheit des euro-atlantischen Raums und überschreite daher nicht wesentliche Strukturentscheidungen des NATO-Vertrags. Zudem lägen keine Anhaltspunkte für eine strukturelle Abkopplung der NATO von ihrer friedenswahrenden Ausrichtung vor.

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes genehmigte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 20. Dezember 2001 die Einrichtung einer Internationalen Sicherheitsbeistandstruppe (International Security Assistance Force – ISAF), um die Afghanische Interimsverwaltung bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Kabul und Umgebung zu unterstützen. Die Bundesregierung beantragte am 21. Dezember 2001 die Zustimmung des Deutschen Bundestags zur Beteiligung deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan, die der Deutsche Bundestag am 22. Dezember 2001 erteilte. Der zunächst auf ein halbes Jahr befristete Einsatz wurde im Folgenden aufgrund entsprechender Anträge der Bundesregierung verlängert, zuletzt bis zum 13. Oktober 2007. Status und Rechte der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe richten sich nach den zwischen der NATO und der Regierung von Afghanistan getroffenen Vereinbarungen.

Im August 2003 übernahm die NATO die Führung der ISAF-Mission. Das zunächst auf das Gebiet Kabuls und seiner Umgebung beschränkte ISAF- Mandat wurde in der Folgezeit auf das gesamte Gebiet Afghanistans ausgeweitet: Die ISAF übernahm die Verantwortung zunächst für den Norden und Nordwesten des Landes, später auch für die Südregion und die Ostregion Afghanistans. In diesen Landesteilen waren zuvor allein die Staaten der in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 entstandenen Operation Enduring Freedom tätig. Dabei handelt es sich um ein loses Bündnis von mehr als 40 Staaten, die sich zum Zweck der Bekämpfung des international agierenden Terrorismus zusammengeschlossen haben und die im Oktober 2001 die militärische Offensive gegen das afghanische Taliban-Regime begonnen hatten. Seit der Ausweitung von ISAF operiert diese parallel zur Operation Enduring Freedom, wobei die Missionen institutionell und von Ihren Zielsetzungen her getrennt bleiben. Eine Kooperation der beiden Missionen findet allerdings statt.

Am 8. Februar 2007 beantragte die Bundesregierung die Zustimmung des Deutschen Bundestags zu einer erweiterten deutschen Beteiligung an der NATO-geführten Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan mit Fähigkeiten zur Aufklärung und Überwachung in der Luft. Zur Begründung heißt es unter anderem, bereits die am 28. September 2006 beschlossene Verlängerung des Mandats für die Fortsetzung der deutschen Beteiligung an ISAF habe unter der Erwartung der Ausweitung von ISAF auf ganz Afghanistan gestanden, die Anfang Oktober 2006 mit der Übernahme der Verantwortung für die ISAF-Ostregion vollzogen worden sei. Damit stelle sich die NATO neuen Herausforderungen, insbesondere einer angespannteren Sicherheitslage. Notwendig sei daher aus Sicht der NATO auch die Fähigkeit zur Aufklärung aus der Luft. Für die Aufgabe der Aufklärung und Überwachung aus der Luft seien Aufklärungsflugzeuge vom Typ “Tornado RECCE“ vorgesehen, die über die Fähigkeit zur abbildenden Aufklärung am Tag und in der Nacht verfügten. Diese Aufklärungsflugzeuge sollten aber nicht zur Luftnahunterstützung bei Kampfaktionen eingesetzt werden. Der Deutsche Bundestag stimmte dem Antrag der Bundesregierung am 9. März 2007 zu.

Vorbringen der Antragstellerin:

Die Antragstellerin rügt eine Verletzung des Mitwirkungsrechts des Bundestags gemäß Art. 59 Abs. 2 GG. Die Bundesregierung habe an einer Fortentwicklung des NATO-Vertrags mitgewirkt, die die Grenzen des durch das Zustimmungsgesetz abgesteckten Integrationsprogramms überschreite. Das ergebe sich zum einen daraus, dass die NATO sich mit ihrer Führung der ISAF-Mission an einem militärischen Einsatz beteilige, der keinen Bezug mehr zur Sicherheit im euro-atlantischen Raum aufweise, auf die der NATO-Vertrag abstelle. Das Bundesverfassungsgericht habe aber noch in seinem Urteil zum neuen Strategischen Konzept der NATO von 1999 den Bezug militärischer Sicherheitsmaßnahmen zur euro-atlantischen Region für ein maßgebliches Element in der Konzeption des NATO-Vertrags gehalten Mit diesem regionalbezogenen Element breche die NATO, wenn sie weltweit Krisenreaktionseinsätze durchführe, die, wie die ISAF-Mission in Afghanistan, zum euro-atlantischen Raum keinerlei Bezug mehr hätten.

Darüber hinaus sei das Integrationsprogramm dadurch überschritten, dass die Bundesrepublik sich mit ihrer Beteiligung an der erweiterten ISAF- Mission an einem Einsatz beteilige, der in Afghanistan parallel zu und in vielfältiger Verbindung mit der Operation Enduring Freedom stattfinde und damit gegen das Friedensgebot des Art. 24 Abs. 2 GG verstoße. Diese Kooperation von ISAF mit der Operation Enduring Freedom, insbesondere in Form der Weitergabe von im Rahmen der ISAF-Mission gewonnenen Aufklärungsergebnissen, überschreite zudem das ISAF-Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. Die Anträge sind zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt. Sie hat hinreichend dargelegt, dass der Deutsche Bundestag durch die angegriffenen Maßnahmen in Rechten verletzt sein könnte, die ihm durch das Grundgesetz übertragen worden sind.

Verträge, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln, bedürfen nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG der Zustimmung der Gesetzgebungskörperschaften in Form eines Bundesgesetzes. Mit der Zustimmung zu einem Vertragsgesetz bestimmen Bundestag und Bundesrat den Umfang der auf dem völkerrechtlichen Vertrag beruhenden Bindungen der Bundesrepublik und tragen dafür fortdauernd die politische Verantwortung gegenüber dem Bürger. Wesentliche Abweichungen von der Vertragsgrundlage sind deshalb von dem ursprünglichen Zustimmungsgesetz nicht mehr gedeckt. Betreibt die Bundesregierung die Fortentwicklung eines Vertrags jenseits der ihr erteilten Ermächtigung, wird der Bundestag in seinem Recht auf Teilhabe an der auswärtigen Gewalt verletzt.

Der Fortentwicklung eines völkerrechtlichen Vertrags, der die Grundlage eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne von Art. 24 Abs. 2 GG bildet, ist eine weitere Grenze gesetzt. Nach Art. 24 Abs. 2 GG kann sich der Bund „zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen“. Verfassungsrechtlich sind die Einordnung der Bundesrepublik in ein solches System und die fortdauernde Teilnahme daran damit unter den Vorbehalt der Friedenswahrung gestellt. Auch die Umwandlung eines ursprünglich den Anforderungen des Art. 24 Abs. 2 GG entsprechenden Systems in eines, das nicht mehr der Wahrung des Friedens dient, ist verfassungsrechtlich untersagt und kann deshalb nicht vom Inhalt des Zustimmungsgesetzes gedeckt sein.

II. Die Anträge sind unbegründet. Der Deutsche Bundestag ist nicht in seinem Recht aus Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 24 Abs. 2 GG verletzt.

1. Der NATO-geführte ISAF-Einsatz in Afghanistan dient der Sicherheit des euro-atlantischen Raums. Er bewegt sich damit innerhalb des Integrationsprogramms des NATO-Vertrags, wie es der Deutsche Bundestag im Wege des Zustimmungsgesetzes zu diesem Vertrag mitverantwortet.

a) Der regionale Bezug als Kernelement des Integrationsprogramms des NATO-Vertrags bedeutete von Beginn an nicht, dass militärische Einsätze der NATO auf das Gebiet der Vertragsstaaten beschränkt sein müssten. Mit dem Zweck der NATO als System mehrerer Staaten zur gemeinsamen Abwehr militärischer Angriffe von außen waren abwehrende militärische Einsätze außerhalb des Bündnisgebiets, nämlich auch auf dem Territorium eines angreifenden Staates, von vornherein impliziert. Insofern entspricht neben der militärischen Verteidigung gegen einen Angriff auch ein damit sachlich und zeitlich in Verbindung stehender komplementärer Krisenreaktionseinsatz auf dem Gebiet des angreifenden Staates noch der regionalen Begrenzung des NATO-Vertrags.

b) Eine Lösung der NATO von ihrem regionalen Bezugsrahmen kann in dem ISAF-Einsatz in Afghanistan nicht gesehen werden. Denn dieser Einsatz ist ersichtlich darauf ausgerichtet, nicht allein der Sicherheit Afghanistans, sondern auch und gerade der Sicherheit des euro-atlantischen Raums auch vor künftigen Angriffen zu dienen. Der ISAF-Einsatz hat von Beginn an das Ziel gehabt, den zivilen Wiederaufbau Afghanistans zu ermöglichen und zu sichern, um dadurch ein Wiedererstarken von Taliban, Al-Qaida und anderen friedensgefährdenden Gruppierungen zu verhindern. Die Sicherheitsinteressen des euro-atlantischen Bündnisses sollten dadurch gewahrt werden, dass von einem stabilen afghanischen Staatswesen in Zukunft keine aggressive und friedensstörende Politik zu erwarten ist, sei es durch eigenes aktives Handeln dieses Staates, sei es durch duldendes Unterlassen im Hinblick auf terroristische Bestrebungen auf dem Staatsgebiet. Die Verantwortlichen im NATO-Rahmen durften und dürfen davon ausgehen, dass die Sicherung des zivilen Aufbaus Afghanistans auch einen unmittelbaren Beitrag zur eigenen Sicherheit im euro- atlantischen Raum leistet.

2. Der ISAF-Einsatz in Afghanistan liefert danach, wie er sich tatsächlich vollzieht und in den diesbezüglichen Passagen der Gipfelerklärungen von Riga politisch fixiert wird, auch keine Anhaltspunkte für eine strukturelle Abkopplung der NATO von ihrer friedenswahrenden Zweckbestimmung (Art. 24 Abs. 2 GG). Der Charakter des NATO-Vertrags ist durch den ISAF-Einsatz in Afghanistan und das dortige Zusammenwirken mit der Operation Enduring Freedom ersichtlich nicht verändert worden. ISAF und die Operation Enduring Freedom haben getrennte Zwecksetzungen, unterschiedliche Rechtsgrundlagen und klar abgegrenzte Verantwortungssphären. Während die Operation Enduring Freedom vornehmlich der unmittelbaren Terrorismusbekämpfung gilt, dient ISAF der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Afghanistan, um eine Grundlage für den zivilen staatlichen Aufbau zu schaffen. Durch Kooperationen zwischen den Einsätzen, die die Sicherheit in Afghanistan erhöhen sollen, sind diese rechtlichen und tatsächlichen Trennungen nicht aufgehoben worden. Dass von integrierten Kampfeinsätzen nicht gesprochen werden kann, ergibt sich bereits aus dem Beschluss der Bundesregierung zur Entsendung der Tornado-Aufklärungsflugzeuge. Danach sollen die Tornado- Flugzeuge Aufklärungsarbeit leisten, die Fähigkeit zur Luftnahunterstützung ist nicht vorgesehen, und die Flugzeuge sind nur zu Eigen- und Selbstschutzzwecken bewaffnet. Was die Weitergabe von Aufklärungsergebnissen an die Operation Enduring Freedom betrifft, so ist diese nach dem genannten Beschluss auf der Basis des ISAF-Operationsplans der NATO nur dann vorgesehen, „wenn dies zur erforderlichen Durchführung der ISAF-Operation oder für die Sicherheit von ISAF-Kräften erforderlich ist“.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 03.07.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 37+72/07 des BVerfG vom 30.03.2007 und 03.07.2007

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