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Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.07.2012
VI ZR 120/11 -

Verspätet zurückgewiesenes Verteidigungsvorbringen (Präklusion) verstößt gegen verfassungsgemäßes Verbot einer "Überbeschleunigung"

Sachverständigengutachten in Arzthaftungssachen in der Regel erforderlich

Wenn das als verspätet zurückgewiesene Verteidigungsvorbringen ein Sachverständigengutachten veranlasst hätte, liegt ein Verstoß gegen das verfassungsmäßige Verbot einer "Überbeschleunigung vor. Verteidigungsmittel sind in der Regel nicht "nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist" (§ 296 Abs. 1 ZPO) vorgebracht, wenn das Gericht nach Ablauf der gesetzten und verlängerten Klageerwiderungsfrist dem Beklagten ohne Fristsetzung nochmals Gelegenheit zur Klageerwiderung gibt. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall wies das Landgericht Karlsruhe gemäß § 296 Abs. 1 ZPO den Vortrag der Beklagten in Rahmen eines Arzthaftungsprozesses als verspätet zurück. Das Vorbringen hätte die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich gemacht. Nach Auffassung des Landgerichts habe die Beklagte die, dreimal verlängerte, Frist zur Klageerwiderung versäumt und den Einspruch gegen das Versäumnisurteil nicht fristgerecht begründet. Dagegen wendete sich die Beklagte mit der Revision.

Präklusion verstößt gegen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes, rügt die Revision zu Recht, dass die auf die Versäumung der Einspruchsfrist gestützte Zurückweisung gegen das verfassungsmäßige Verbot der "Überbeschleunigung" verstößt, wonach ein verspätetes Vorbringen nicht ausgeschlossen werden darf, wenn offenkundig ist, dass dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vortrag eingetreten wäre. Die Präklusionsvorschriften haben im Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG strengen Ausnahmecharakter. Der Bundesgerichtshof vertritt deshalb in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass es für die Feststellung einer Verzögerung des Rechtsstreits allein darauf ankommt, ob der Prozess bei Zulassung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung. Im vorliegenden Fall war jedoch ohne jeden Aufwand erkennbar, dass die Verspätung allein nicht kausal für eine Verzögerung war. Denn auch bei rechtzeitigem Vorbringen innerhalb der Einspruchsfrist wäre die durch den Beklagtenvortrag verursachte Verzögerung eingetreten. In diesen Fällen ist die Präklusion rechtsmissbräuchlich, denn sie dient erkennbar nicht dem mit ihr verfolgten Zweck, nämlich die Abwehr pflichtwidriger Verfahrensverzögerungen. Da aber allein dieser Zweck die Einschränkung des Anspruchs auf rechtliches Gehör verfassungsrechtlich rechtfertigt, liegt in einem solchen Rechtsmissbrauch ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG.

Erfordernis von Sachverständigengutachten in Arzthaftungsprozessen

Das Gericht führte weiter aus, dass durch die Präklusionsvorschriften nicht die prozessuale Nachlässigkeit einer Partei als solche sanktioniert werden soll. Auch soll die Anwendung dieser Vorschriften dem Gericht nicht die Mühe ersparen einer der Sache nach gebotenen sorgfältigen Sachverhaltsaufklärung. Zu beachten ist, dass Arzthaftungsfälle in aller Regel nicht ohne sachverständige Beratung zu entscheiden sind. Aber gerade in Fällen, in denen ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müsste, stellt sich die Frage, ob dieselbe Verzögerung - offenkundig - nicht auch bei rechtzeitigem Vorbringen eingetreten wäre (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.1986 - VI ZR 107/86 = BGHZ 98, 386).

Keine Zurückweisung aufgrund Versäumung der Klageerwiderungsfrist

Eine Zurückweisung des Vorbringens im Sinne des § 296 Abs. 1 ZPO wegen einer Versäumung der Klagerwiderungsfrist nach § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Durch die dreimalige Fristverlängerung ohne Fristsetzung seitens des Landgerichtes sind die Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 ZPO nicht erfüllt.

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der Leitsatz

ZPO § 296 Abs. 1, § 340 Abs. 3 Satz 3

a) In Arzthaftungssachen kann ein Verstoß gegen das verfassungsmäßige Verbot einer "Überbeschleunigung" insbesondere dann vorliegen, wenn das als verspätet zurückgewiesene Verteidigungsvorbringen ein - in der Regel schriftliches - Sachverständigengutachten veranlasst hätte, dieses Sachverständigengutachten aber in der Zeit zwischen dem Ende der Einspruchsbegründungsfrist und der darauf folgenden mündlichen Verhandlung ohnehin nicht hätte eingeholt werden können.

b) Verteidigungsmittel sind in der Regel nicht "nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist" (§ 296 Abs. 1 ZPO) vorgebracht, wenn das Gericht nach Ablauf der gemäß § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO gesetzten (und verlängerten) Klageerwiderungsfrist dem Beklagten ohne Fristsetzung nochmals Gelegenheit zur Klageerwiderung gibt.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 17.09.2012
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

Vorinstanzen:
  • Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 22.01.2010
    [Aktenzeichen: 8 O 86/09]
  • Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 23.03.2011
    [Aktenzeichen: 7 U 46/10]
Aktuelle Urteile aus dem Zivilprozessrecht
Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)
Jahrgang: 2012, Seite: 2808
NJW 2012, 2808

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